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Königsberg den 7
Aug.
79.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Ihr
Briefchen
vom 8
Junii
habe den 9
Julii
durch HE
Toussaint
erhalten
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und
Dom. VI. p Tr.
im Müllerschen Hause mich mit Hänschen zu Mittag
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eingefunden. Daß ich darauf gewartet und darnach geschmachtet, können Sie
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leicht erachten. Wie heist Ihr Gefährte; ist es nicht erlaubt seinen
Namen
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zu wißen? und wird Ihre Verbindung sich blos auf Ein Jahr erstrecken? Ich
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hoffe, daß Sie sich nicht auf den einzigen Schlötzer concentriren werden –
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Für Ihren Auszug aus
Lud. Jacobillo
danke bestens. Von
Henr. Barcellii
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Bibl. Mundi
habe nichts bisher entdecken können.
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Wegen Ihres Zeitvertreibs in der Leine laßen Sie sich einen traurigen
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Vorfall erzählen der den 20
Julii
am Tage Eliä sich hier zugetragen. Brahl wie
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Sie wißen ist ein großer Verehrer des Badens u munterte mich auf meinen
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Sohn auch dazu zu gewöhnen, wozu ich sehr geneigt war. Er wohnte in
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meiner Nachbarschaft am alten Graben wohin ihn der junge Kinder gezogen
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hatte, der den Sommer über sich daselbst ein
Logis
ausgesucht. Nach einigen
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durch die Witterung vereitelten Abenden war man endl. am gedachten Tage
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entschloßen meinen Knaben zu
initii
ren. Sie gehen nach der Liepe aus dem
S. 92
Sackheimschen Thor, in einem Graben des Pregels als dem gewöhnl. Ort.
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Das Waßer war ein wenig zu hoch, daß Brahl Bedenken trug, und mein
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Sohn blieb also blos als Zuschauer stehen. Kurz, Kinder verschwindt auf
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einmal ohne Rettung, und man weiß nicht wie vor seines Gefährten u
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meines Kindes Augen. Das Schrecken des armen Brahl können Sie sich leicht
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vorstellen. Alle seine eyfrige Bemühungen ihm, nachdem er ausgezogen
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worden war, noch Hülfsmittel zu verschaffen und der Versuch derselben ist
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verloren gewesen. – Der arme Schelm hat auf seine Kosten 4 Bogen unter dem
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Titel:
Probe einiger Gedichte
zu Marienwerder abdrucken laßen u Ihrem
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Mäcen solche
in petto dedici
rt. Er hat mir ein Geheimnis daraus gemacht
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und wird kaum den geringsten
Effect
zu erwarten haben. Ich kann gar nicht
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begreifen, wie er auf den Einfall gekommen und was er davon erwarten
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kann. Sollte der Minister durch einen Wink an
D.
Biester von Ihnen auf das
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unschuldige Opfer seiner Muse, die er selbst
humilem agnam
nennt,
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aufmerksam gemacht werden können
indirecte
ihm ein Plätzchen durch seine
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Empfehlung auszuwirken; so überlaß ich es Ihrem Gutachten u Herzenstriebe.
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Cousine
Buchholtz hat diesen Montag unserm HE Oberhofprediger Schultz
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Ihr Ja und Amen gegeben.
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Hat Ihnen mein Gevatter aus W. ein Exemplar vom
Konxompax
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zugeschickt: so bitte
p.
27. Z. 12. statt Brauchs =
Bauchs
zu lesen. Daß
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Starkens Apol
. u
Meiners Abhandl
. zum Grunde liegen, darf ich Ihnen nicht
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erst sagen. Aber ein so verschworner Metaphysiker wird das Nachtstück einer
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sich flöhenden
s. v.
Sibylle mit eben so wenig Antheil lesen – als die
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Dramaturgen und Orthodoxen, welche sich am hellen Mittag einander die Kolbe
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lausen. Laß jeden seine Bedürfnis abwarten.
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Ich erwarte meinen Eintritt ins 50ste Jahr u habe diesen Monath dazu
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bestimt alle schuldig gebliebene Antworten abzumachen, auch mit Gottes
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Hülfe einen ganz neuen Lebensplan anzufangen in meiner häuslichen u
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litterarischen Wirthsschaft.
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Haben Sie Guldens Leben gelesen. Die Recension in unserer Zeitung ist
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vom John und ein meisterhafter Widerschall der
Vox diuina
unsers Publici.
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Daß ich als Client, Landsmann u weiland Kunstrichter anders denke, können
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Sie vermuthen.
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Koppe N. T. habe den Anfang zu lesen gemacht, mit vielem Geschmack;
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wünschte daß Sie den Mann auch näher kennten. Wie sehr wünschte ich
D.
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Faustens Mantel, falls ich Ahasverus seyn soll nach Maler Müller, um eine
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Woche mit Ihnen wechseln zu können.
Hermes
der Verf. der Sophie ist hier
S. 93
gewesen u hat sich 8 Tage aufgehalten. Blos eine Reise zur Cur, die ihm
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vortrefl. angeschlagen. Ich habe mir in den Kopf gesetzt in der
Thibet
schen Sprache
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den Schlüßel zum Wort
Konxompax
zu finden. Möchten Sie sich wohl
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entschließen
in meinem Namen
den
Tom. XV.
der
Lettres edifiantes
oder des
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P. Georgi
Alphabetum Thibetanum
anzusehen. Sie müßen mich aber mit
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diesem Einfall nicht auslachen, noch selbigen irgend jemanden verrathen.
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Das Müllersche Haus habe seit Ihrer Abreise nicht anders besucht als auch
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in
Ihrem Namen
d. h. so oft ich Briefe von Ihnen erhalten habe. Wie oft
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dies geschehen, werden Sie leicht berechnen können.
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Auf den innern Zusammenhang meiner Hypothese mit der bramanischen
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Religion will ich Sie blos verweisen. Was aber die äußere
indicia
anbetrift:
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so bedeutet
Konx
oder
Koncio
Gott u die Sylbe
Om
findt sich in ihren
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sogenannten sechs Worten:
Om ma wi pad me chum,
wie auch in einer andern
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heil. Formel:
Om a chum
1
.
Fehlt mir also noch die Sylbe
Pax
.
Bitte also
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mit diesem Augenmerk die
Lettres edifiantes
laut meiner Anzeige und den
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P. Georgi,
zur Abwechselung Ihrer botanischen Spatziergänge und
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architectonischer Schattenriße durchzulaufen. Habe auch Arndt meinen Freund in
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St. Petersb. gebeten sich nach einem kalmuckschen Polyhistor oder kleinen Abt
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des großen Lama dort umzusehen.
Haec sub rosa scripta sunto.
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Haben Sie auch schon Schummels Spitzbart gelesen? Keine Neugierde den
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Photorinus
Pathognomikus
kennen zu lernen?
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Mein auf Prof. †feld u Brahl eingeschränkter Umgang ist durch einen
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jungen Berens, der hier die Handl. auslernt, vermehrt worden, und wenn es
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wahr ist, so schmeichele ich mir ehstens meinen ersten u liebsten Zögling,
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Baron von Budberg, deßen Reisebeschreibung ins Schlangenbad ich noch nicht
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gelesen, hier zu sehen. Wenn Gott eines reichen Mannes Herz regieren wollte
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mich, wie ein Breslauscher
Banquier
den Hermes, zu seinem Reisegefährten
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zu machen. Gottlob! alle meine Kinder sind gesund und freuen sich des
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schönen Obstes
im Garten. Eine Ernte an die ich nicht gedacht u meinen
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kahlen übriggebliebnen Stämmen nicht zugetraut. Ich
vegeti
re im höchsten
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botanischen Geschmack, und – muß schließen. Erfreuen Sie mich doch bald
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mit einer umständlichern Beschreibung Ihrer gegenwärtigen Verbindlichkeit.
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Wie heißt Ihr Genoß? Was studiert er? Führen Sie ihn nach Berlin wider
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zurück oder weiter?
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Sollte nicht dort auf der Bibliothek
Gagliani
vom Münzwesen
seyn?
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1
S. Denkwürdigkeiten aus
Pallas
Reisen
I
Theil S. 237. 248.
S. 94
um den Verleger u Ort des Drucks zu wißen, und den Werth des Buchs. Ihr
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botanischer, historischer u politischer Geschmack ist nicht gantz der meinige.
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Eine Schule wie Göttingen müste Ihnen Vortheile geben, die nirgends
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gewiße Neugierden
einer philosophischen u akademischen
Bestimmung, als
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die Ihrige, mehr reitzen noch befriedigen könnten – Wie gehts z. E. mit Ihrer
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mathematischen Muse? Könnten Sie nicht die Anfangsgründe des
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Spanischen u Portugiesischen
von dort hieher bringen?
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Nun halten Sie mein Geschmier zu Gute. Es ist heute eine brennende
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Hitze. Ich umarme Sie. Schreiben Sie mir bald und was unter uns bleiben
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soll, zeigen Sie mir an. Daß ich ungeachtet meiner
communicati
ven Schwäche
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Discretion
besitze, wißen Sie. Fehlt es Ihnen an
gegenwärtigen
Freunden,
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so brauchen Sie desto mehr Ihre abwesende und laßen Sie solche an Ihren
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Grillen und Schicksalen Antheil nehmen. Denn dazu leben wir, daß Einer
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des Andern Last trage, und hiemit Gott empfohlen und Ihrem treuen
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Andenken nebst Haus und Hof.
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Johann Georg Hamann
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Adresse mit Mundlackrest:
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à Monsieur / Monsieur Chretien Jaques Kraus / homme de lettres /
19
presentement / à
Göttingen
.
/
Abzugeben in der Grünen Straße
. /
20
par fav.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 3.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 86–88.
ZH IV 91–94, Nr. 560.