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Am 1sten Heu-Tag 1779 den 8 Brachmond.

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Bedaur mich Lieber, Trauter, Herziger Gevatter mein! daß mir das

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Stündchen solange nicht geworden, wo ich mit Leib u. Seele ganz Dir u. Deiner

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Liebe seyn kann. Es wird uns doch einmal wol seyn wenn all das Stükwerk

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wird abgethan seyn und bleiben –. Das war einmal wieder ein rechter edler

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St. Goergen Streich – ein wahrer Ritterdienst – den Du mir in der Frau

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Gevatterin Liseli durch Deine
Mariane
Sophie geleistet – Lieber Doppel

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Gevatter! Du hätt’st sehen sollen, was das für ein Fest war, als wir – Eltern,

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Kinder – u. KindsKinder, nach eingenohmner Mahlzeit noch so ganz

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vertraulich beisahmmen saßen, uns schon auf einen noch (in
Petto
) erwartenden

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schicklichen Desert zu gut thaten – und unser Courir, (unsere Post u
Ordi
narie

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Stadt u. Land Bottin) mit
dero
Staffeten ankamme, ich las, lachte,
und

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wieder las – u. wieder lachte – alle auf diese frohe Theilnahmmung gierig

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waren u. gierig bis ich endlich mit meiner Gratulation an die Frau

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Gevatterin in
optima forma
herausplazte, und mein trautes Weibchen mit

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unserem herzigen Jungen durch ein paar Duzend ehelicher Benediktionen zur

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2ten Gevatterschaft, und zur 3ten Verbindung mit unserm nordischen

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Propheten einweihte, und drauf runter aus dem Brief vorlas was nöthig war –.

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Wie das alles würkte – und manches Herz rüttelte, u. erwärmmte – wird der

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HE Gevatter wol beßer fühlen – als man das in Buchstaben nachtönen kann

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– Möge es Ihm wol gedeihn, und Ihm dieser Nachgenus, so wie mir ein

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etwelches Äquivalent seyn für das lange Harren u. Warten –

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Nun Lieber Innigverbundner! Der Herr laß Deine – unser aller Wünsche,

S. 87
für die kleine Fräulein
Mariane Sophie
, so wie für unseren gesunden keken

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Christoph Adrian Gotthilf
wolgedeihen – u segne,
erha
bewahre, u.

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erhalte Sie zu seinem Eigenthum, damit Sie fromme gute Kinder eines Vatter

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im Himmel seyn u. bleiben – Beßer als wir alten –.

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Soviel ich aus Deinem Brief
en detail
vernehmmen, und G. L. auch sonst

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fühlen kann, ist Dir in dem verfloßnen und in diesem Jahr viel Heil

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wiederfahren der Herr thue fehrnners wol an Dir, sowie er es auch an mir und den

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Meinen thut, u. ich G. L. täglich mehr sein Kommen, sein Wiederkommen zu

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uns näherend fühle – Ja Herr es komme bald Amen.

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Dank Lieber! Mein Erstling nährt sich noch ganz allein an seiner Mutter

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Brust, u. Mutter u. Kind werden Riesenstark dabei, (versteht sich nehmlich

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Riesen
jeziger Zeit) – Über all den stillen Segen, und die reinen verborgnen

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Freuden, die mir zu Theil wordn, ließ sich viel sagn, aber ich fühl in all dem

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Gesagten doch keine wahre Befriedigung – Mir ists genug, wenn Joh. Georg

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Hammann mit mir fühlen kann –

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Daß ich schon glücklich bin alhier auf dieser Erden –

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Meist in der Hofnung, einstens noch vollkommner z’ werden

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Nun HE Gevatter! Sie haben denn unsere
Hochzeit
recht feierlich u.

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luxurios
be
gefeiert – Wenn Sie sich einstens in wahrer Persönlichkeit

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darstelln, in meiner Burg u. Wohnung,
so
wie’s mir immer noch einige

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Hoffnung nebelt, so solle Ihnnen
darfür
schicklicher Dank abgestattet werden.

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Die 2 Schnur Bernstein von Dir reuen mich doch, hätten mich noch mehr

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gefreut, als die Dingelchen von Kanter, deren Anzahl nicht so gros war, als

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Du geschrieben. Der Buchhändler, der’s mir übergeben, muß einige davon

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verlohrn habn, od. – Ich danke Dir aber doch recht treulich darfür, laß von

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diesem Dank denn an Kanter kommen, was Ihm gebühret – der Armme

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Mann soll locker gehaust habn. Ehe ich dieses an Joh. Georg Hammann

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abgehen laßen kann muß ich
dieses
noch eine Aus
weis
forderung an Kanter

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hervorsuchen die mir schon im Xbr übergeben – u. die ich nicht besorgen wollte,

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bis ich an meinen HE Gevatter schreiben konnte u. s w. – Fehrnner habe ich

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noch einen Brief an die Gräfin hervorzusuchen, der schon lange, lange

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geschrieben – aber noch nicht so lange, als ich im Sinn hatte zu antworten.

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Anbei muß ich noch sagn Lieber HE Gevatter, daß meine Frau zuerst an die

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Gräfin geschrieben, u denn die Gräfin nur wieder geantwortet – hiemit konnte

35
S
sie mit Recht keine schuldige Antwort erwarten: auch glaubten wir, daß

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es nicht von nöthen, und Ihnen auch nicht viel daran gelegen. Weilen wir

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aber unserm lieben HE Gevatter gern zu allen möglichen Dingen in

S. 88
Bereitschaft stehen, so ist ein Brief an die Gräfin mit Freuden verfertigt worden –

2
Wie sich mein Liseli befindt, u. wie wol Ihr Euer Gevatternehmmen

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gethan, soll sie selbst sagen.

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Auch soll der HE Johannes Ehrmann selbst auf tretten, u. sich

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verantworten.

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Jezt behüt Dich Gott mit Deinen Kindern u. ihrer Mutter – Gottes

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Segn über Dich Du Lieber – Laß mich auch wieder was von Dir wißen, so

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bald Du kannst, und Lust u. Trieb dazu hast –
adio

9
C. K.


10
Von Elise Kaufmann:

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Mein Lieber Herr G’vatterMann! Den innigsten Dank u. Freude meines

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Herzens daß sie mich zur Pathin Ihrer Mariane Sophie erwehlt, das war

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eine selige Freude die mir durch meinen liebsten Mann in Ihnen zu Theil

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ward, ich konnts vor Freude fast nicht glauben, u. so zwey wackere weiber

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zu mitgevatterinnen die Sympathie u. Liebe in meinem L. Mann mit mir

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vereinigte
so nahe verbunden, Gott lohne Sie für Ihre Liebe, Lieber Vatter

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Hamann! mich laße er würdige Pathin der Lieben zarten Pflanze werden,

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aufkeimen in Ihr Früchte zu Ewiger Saat.

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Der wehmüthigen Empfindung kann ich mich manchmal nicht enthalten

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das wir uns in diesem leben vielleicht nie sehen werden, doch jenseits! wenn

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das unreine dieser irdischen hülle abgethan ist.

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Unser Lieber Knabe ist denn auch ein Herrliches frohes Geschöpflein, in sich

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selber Existierend wie sein Vater – auch sein seligster Ruhpunkt auf dieser Erde.

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Der kleine Liebling ruft mich mit der stimme des weinens. Darf ich Sie

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bitten diesen Brief gesiegelt mitm Hirogliphen Pittschaft der Gräfin

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Kaiserling zu übergeben.

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Gott sey mit Ihnen Lieber Herr Gevatter, sagen sie uns auch bald was von

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dem befinden der Lieben Kleinen – Adieu!
L. K.


29
Vermerk von Hamann:

30
Nebst einem Wechsel von 100 rth Heinrich Steiner u
Comp.
in
Louis d’or

31
zu 5 rth.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2553 [Gildemeisters Hamanniana], I 33.

Bisherige Drucke

ZH IV 86–88, Nr. 558.

Zusätze fremder Hand

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Johann Georg Hamann