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Kgsb. den 18 May 79.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Einlage habe vorigen Sonntag erhalten. Was machen Sie und Ihre liebe
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Costa.
Von Ihnen lange nichts gehört; aber desto sehnlicher erwartet. Wegen
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Ihres
Passerii
habe mich bereits erklärt, aber noch keinen Bescheid von Ihnen
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erhalten. Er liegt auf meinem großen Tisch, wie die Schaubrodte – Gebraucht
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hab ich ihn längst, aber das gar nicht gefunden was ich mir vorgestellt. Ihn
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doch aus
leidiger Eitelkeit
, worinn wir arme Autoren dem schönen
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Geschlecht nacharten in ein paar Bogen angeführt, von denen ich nicht weiß, ob
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Sie solche unter Ihrem Meßgut erhalten werden. Ein
dienstbarer Geist
hat
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mir den Abdruck
auf Adlers Flügeln
, ja so schnell als
Wind und Flamme
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besorgt – unterdeßen meine Muse wie die Muhme Jochebed für ihr Kästchen
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im Schilf am Ufer des Nils besorgt war. Ich mag Ihnen den Titel nicht
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verrathen. Es ist ein
Nachtstück Ihrer Adelgunde
, die sich
s. v.
flöht,
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unterdeßen unsere Orthodoxen und Dramaturgen sich am hellen Mittage die Kolbe
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lausen. Mit einem Wort:
GottesFinger
! aber leider! in Cophtischer Sprache
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geschrieben, für die
Sphranschen
und
Saben
in der Nachbarschaft Ihrer Düna –
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Das Neueste von unserm Helikon ist wol, daß der
Philosoph
von
S.S.
endl.
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auf seine alte Tage so glücklich gewesen einen
deutschen Plato
zu entdecken,
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mit dem er sich alle Tage unterhält. Es ist
Garwe
, der Uebersetzer des G
é
rard.
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Was machen Ihre liebe Kinder und der Sohn zu St. Petersb. Arndt hat seit
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Jahren nicht einmal meinen Dank für sein
Journal
bekommen; ohngeachtet
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ich und meine Freunde manch Vergnügen davon genoßen. Melden Sie ihm daß
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ich ein doppelter Gevatter des weit u breit berühmten
Asmi cum puncto
bin.
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Da ich noch nicht gantz die Aussicht verloren oder aufgegeben den
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Passerium
hier anzubringen: so wünschte auf allen Fall den genauesten Preis. Pr.
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Reusch hat ihn als
Sub. Bibl.
besehen, wird aber nächstens
primarius
u.
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vielleicht mein Freund †feld
secundarius
werden. Sollte dies einschlagen; so
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möchte
noch einen Versuch
machen, dies Buch hier anzubringen. Für mein
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Glück im Handel kann ich nicht Bürge seyn – aber an meinem Willen fehlt
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es nicht Sie der Unruhe zu überheben, da ich gar nicht dankbar für Ihre
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Freundschaft zu werden Gelegenheit und Grund oder Raum dazu absehen
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kann. Ich bin in der grösten Enge und Klemme ohne Talent noch Muth mir
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selbst zu helfen – und hierin besteht das Köstliche meines gegenwärtig
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laufenden Stuffenjahrs. Meine Marianne Sophie ist heute just ein halb Jahr alt –
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Das Päckchen an Gröll welches
med. Febr.
hier ankam, hat nicht eher als
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gegen Ende des
Martii
hier abgehen können weil die Fuhrleute sehr sparsam
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nach Warschau gehen. Bestellt ist es von mir mit aller mögl. Sorgfalt – Mir
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schwebt so ein antipathetisches Bild von einem Gadebusch im Gedächtnis,
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der schon damals ein großer Geschichtmakler und ein Freund des jetzigen Kr.
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Lilienthal war. Sollte es der seyn, der so viel drollicht Zeug vom seel. L. u H.
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in sein Wörterbuch gestoppelt. Ist Andersons Geschichte vom Handel nun
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zu Ende, daß ich sie auch einmal lesen kann?
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Den 12/1 April erschoß sich mein nächster Logennachbar, Buchhalter
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Pynnow
u ich hatte eine Gesellschaft von 23 Personen in meiner Schlaf- und
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Studierstube, welche ein Schiff ablaufen sehen – und Muse Adelgunde lag
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im Kindbett an Fragmenten. Verdient so ein merkwürdiger Tag nicht ein †.
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das ich gemacht habe zum Andenken meines köstl. Stuffenjahrs. Und
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hiemit Gott befohlen. Fröhliche Pfingstfeyertage. Meine Empfehlung an Ihre
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Gemalin. Gute Nacht und gute Gesundheit! Ich ersterbe Ihr alter treuer Freund
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Johann Georg Hamann.
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Adresse mit Mundlackrest (Kopf des Sokrates nach links):
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HErrn / HErrn J. F.
Hartknoch
/ Buchhändler / zu / Riga.
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Vermerk von Hartknoch:
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HE. Hamann in Königsberg, Empf. den 13 May 1779, beantw. 2 Oct.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 84 f.
ZH IV 84–86, Nr. 557.
Zusätze fremder Hand
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Johann Friedrich Hartknoch |