553
S. 76
Weimar, den 6. Mai 1779.
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Hier, liebster Hamann, sind die drei verlangten Exemplare Ihrer Sibylle
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.
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Weil der hiesige Verleger schon auf der Messe und zum Fragen nicht Zeit
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war, ließ ich’s gleich drucken und schicke es ihm heut nach. Zum
Museum
,
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glaub ich, schickte es sich nicht und wäre auch überdies dort verspätet,
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Druckfehler habe ich, so viel möglich, verhütet, und meine Frau hat mir geholfen;
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nur mit dem Verstehen wird’s
seyn,
wie bei Ihren übrigen Schriften. Die
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Exemplare, die fort sollen, sollen morgen sämmtlich abgehen, da geht die Post;
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wünsche, daß Ihnen das Kindlein gefalle in seinem neuen Kleide.
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Ich kann jetzt nicht mehr schreiben, Gottfried liegt an einer kleinen
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Contusion an einem zarten Orte zu Bette und will nicht ohne mich und ich kann nicht
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recht ohne ihn sein. Ich hoffe, baldige Besserung.
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Hier haben Sie ein Blatt Lutherischer Einfälle in Eins seiner
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Handtestamente geschrieben, das in der Jenaischen Bibliothek ist; sie werden Ihnen
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gefallen.
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Ich bin vor acht Tagen mit dem Herzog,
Goethe
und einem Kammerherrn
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in Jena gewesen und habe mit dem Corpore gesammter Universität gespeiset;
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weiß aber sonst nichts zu sagen. Ein junger Schweizer, den Kaufmann nach
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Deutschland geprellt oder gewürfelt hatte und der jetzt zurück ist, hat acht
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Tage bei uns logirt und schätzt Sie sehr. Steiner ist sein Name. Und weil er
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eben hier war, da Ihre Sibylle ankam, soll er auch ein Exemplar haben. Von
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meinen Sachen kann ich Ihnen noch nichts schicken, weil ich selbst noch nichts
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habe und nichts fertig ist. Leben Sie wohl, im Regen und Sturme, wenn er
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am baltischen Meer, wie hier in Deutschlands Mitte tobt.
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Ihr ewiger Herder.
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N.S. Mein Kleinster erholt sich von einem starken Ausschlage ziemlich wieder.
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Ihr Pathe ist wie ein Fisch im Wasser, ein bräunlicher Knabe, pfiffig und schön,
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von breiten Schultern wie Ajax, obgleich zart wie eine Seifenblase.
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Künftigen August erwartet meine Frau ihr viertes Wochenbette; gebe Gott, glücklich.
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Sie grüßt herzlich. Glückliche Pfingsten!
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Da auf der Post die drei Exemplare zu kostbar fallen, so nur eins, und
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die andern mit meinen
operibus
nächstens. Inlage bitte an Hartknoch laufen
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zu lassen.
Herder legte einen von ihm abgeschriebenen Auszug aus Luthers Tischreden bei (vgl.
HKB 553 ( IV 76/13 )); Provenienz:
Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 44/41
, vgl. HBGA, IX, 274–276. Er lautet:
S. 1
Sprüche, die Luther theils mit eigner Hand, theils Creuziger
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in ein Testament geschrieben, das er selbst gebraucht,
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u. darinn er die Uebersetzung häufig verändert. Das
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Ex. ist von 1540. und die Ausg. 1541. ist darnach gemacht. Es ist in
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der Universitätsbibl. zu Jena.
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Von Creuzigers Hand:
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Est iustificata est Sapientia a filiis suis.
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Solus Deus est peccator et nullus
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omnis homo est iustus et omnia.
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Solus pater est impotens, quia homines sunt potentes
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ut tyranni, quibus pater non potest resistere.
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Solus filius est stultus, quia homines sunt Sapientes, ut
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haeretici, quibus filius non potest respondere.
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Solus Spir. S. est impius, quia homines sunt pii, ut falsi
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Fratres, quibus spiritus non potest satisfacere pro peccatis suis.
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Sic virtus Dei in infirmitate nostra perficitur, quae in
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in nostra potentia infirmatur.
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Simus igitur in nobis infirmi, ut in Deo potentes effi-
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ciamur. penultima februarii 44.
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D. Mart. Luther:
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Von M. Rörers Hand:
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Spiritus per psalterium – – – – –
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credens turbatur et tribulatur
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tribulatus orat et invocat
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invocans auditur et consolatur
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consolatus gratias agit et laudat
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Laudans instruit et docet
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docens hortatur et promittit
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promittens minatur et terret
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Qui vero minanti et promittenti credit
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is eundem
curriculum
ingreditur easdem res
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gesturus et experturus. Hic est verus psalterii usus
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et vera officia personarum spiritualium.
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Abermals von Creuz. Hand:
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Christiani ferre cuguntur tres persecutores, malos, peiores
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pessimos. Mali sunt tyranni, qui persequuntur nos gladio et potentia.
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Quod est peccatum contra patrem, eius enim est potestas.
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Peiores sunt sectarii, qui peccant humana sapientia – – – –
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Pessimi sunt falsi fratres, quorum peccatum est ex mera malitia
S. 2
contra bonitatem spiritus sancti, ideo peccant peccatum irremissibile.
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Hi sunt Judas, de quo queritur Dominus: qui edebat panem meum
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et qui audiebat praedicationem meam,
der trit mich mit Füßen.
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Die Joh. Apo. in Fer. Natal. Do. 1552.
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Von Rorers Hand:
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anno Do. 1517. in profesto omnium Sanctor. Witenbergae in
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valvis templorum propositi sunt – – – de indulgentiis a D. Mart. Luther
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Anno 1518. postridie Bartholomaei circa horam 10. Phil. Mel.
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primum veiit Witenbergam
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Von Creuz. Hand:
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Rom. 3.
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Sola fides iustificat in Christo i.e. Ecclesia
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Solus civis patitur in politia i.e. mundo
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Solus coniux servit in domo
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iuxta illud
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Der Herr muß selber seyn der Knecht
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Will ers im Hause finden recht.
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Die Frau muß selber seyn die Magd
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Will sie im Hause schaffen Rat.
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Gesinde nimmer mehr bedenkt
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was Nutz u. Schad im Hause brengt
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– –st ihm nichts gelegen dra
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– – –se es nicht für eigen han.
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P. M. 16. mar 46. M. L.
Provenienz
Druck ZH nach Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 330. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort unbekannt.
Bisherige Drucke
Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 330.
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 146 f.
ZH IV 76, Nr. 553.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
76/7 |
seyn, ]
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Geändert nach dem Druck im Bremer Sonntagsblatt (vgl. Provenienz); ZH: seyn |
76/16 |
Goethe ]
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Geändert nach dem Druck im Bremer Sonntagsblatt (vgl. Provenienz); ZH: Göthe |