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68/6
Kgsb. den 17 April 79.

7
Herzlich geliebtester Gevatter, Landsmann u
Freund

8
Machte den Anfang an Sie zu schreiben in der Nacht den
15
/
16
bey einem

9
herrlichen sanften Gewitter – als Krankenwärter meines Sohns der einen

10
doppelten Anfang des Fiebers denselben Tag gehabt hatte – Heute hagelts –

11
Gott gebe daß dieses Schreiben bey gutem Wetter eintreffe und alles gesund

12
und wohl behalten bey Ihnen seyn mag. Der Frau General

13
Superintendentin Pathchen macht schon Zähne und will mit Gewalt reden, und ist unser

14
täglich Wohlleben.

15
Licent
Buchhalter
Pynnow
mit dem meine Loge durch eine Scheidewand

16
verbunden ist, und mit dem meine Beruffsarbeiten beynahe allein

17
zusammenhängen, erschoß sich den 12 nachdem er umsonst zum Gift seine Zuflucht

18
genommen hatte. Eben denselben Tag wurde ein Schiff abgelaßen, und 23

19
Personen waren in meinem staubichten Bücher- u Schlafsaal Zuschauer.

20
Daher hab ich Beylage von diesem für mich merkwürdigen Tage
dati
rt. Es ist

21
der
Bogen
, den
Sie
gewünscht
Wißen’s
Sie’s noch? Mein Copist Baruch –

22
vulgo
Brahl
hat 2 daraus gemacht. Seinetwegen hab ich die ganze Ostern

23
zu Hause zugebracht und er ist mir so sauer geworden wie St. Paulo seine

24
Galater.
Bis patriae cecidere manus
– möcht ich mit dem Vater der Einfälle

25
u
Zweifel über die Gesetze sagen; aber das Rühmen ist mir kein Nutze.

26
Sie kennen meine Autor-
Pietät
und
imbecillität
. Was wird aus dem

27
Kindlein werden? Wenn es Ihnen u mir nicht Schande macht; so
adopti
ren Sie’s

28
oder seyn Hebamme – oder Gevatter – oder alles wozu ein
Freund
gebraucht

29
u gemisbraucht werden kann. Weder H. noch H. gehen zur Meße; bey K. ist

30
alles todt. Es ist ein Lumpen-Bogen mit dem es nicht lohnt sich um einen

31
Verleger – Sie sind im Mittelpunct der Verbindungen – Wenn es nur bald

32
zur Welt kommt, und soviel möglich
correct.
Am liebsten im
Format
der

33
Sibylle über die Ehe, doch ohne die daselbst angebrachte Einfaßungen. Weder

34
Ort noch
Jahr
auf dem Titel; weil letzteres am Ende der Epistel steht. Sollte

S. 69
es auf einen
Qvartbogen
gebracht werden können:
fiat!
Sollte kein Verleger

2
zu finden seyn und das
Museum
kann und will es – aber bald einrücken: so

3
sind Sie auch näher wie ich und da ich
Boie
meine Antwort schuldig bin: so

4
geben Sie ihm das zu verstehen als einen thätl. Dank für Ihre eigenmächtige

5
Einrückung der Büffonschen Uebersetzung. Haben Sie wenigstens die Liebe

6
u melden Sie mir bald Ihre Meynung, Gutachten
p
Sollten Sie glücklich

7
seyn: so bitte 3
Exempl.
für mich – aber dem Verleger eins nach
Wandsbek
,

8
an den
Layenbruder
, 4 nach der Schweitz an
Lavater
,
Pfenninger
,

9
Kaufmann
Ehrmann
– an
Leßing
u
Klopstock
und
Mendelssohn
– und eins

10
an
Kleuker
, dem ich
Antwort
u
vielen Dank
schuldig bin –
nicht
zu

11
vergeßen
besorgen. Versichern Sie mich einer
guten Aufnahme
meiner

12
gegenwärtigen Zudringlichkeit: so werd ich Lust bekommen vielleicht den 2ten

13
Theil einer Apologie des Buchstaben H im Namen des seel. Prof. Mannah

14
vorzunehmen – auch meinen
ער וענה
von 777 zu vollenden. Denn Ihre

15
Lorbeeren und das Rauschen Ihres Hains bester Herder! weckt mich auch aus

16
dem Schlummer! – und denn soll unsere Ruhe Ehre seyn, wie Ihr Jesaias

17
sagt. Finden Sie das Blatt nach Ihrem Geschmack; so bitte auch
Ihrem

18
Freund
in Erfurt u Nachbar G. in meinem Namen zu bedenken.

19
Vergeßen Sie nicht Ihrer baldigen Antwort eine Einl. nach Morungen

20
um Ihrer lieben Schwester auch mit Nachrichten zu erfreuen, der ich auch eine

21
Antwort schuldig – Ungeachtet des ewigen Geräuschs von meinen Schulden

22
hoffe ich allen gerecht zu werden oder bey allen Vergebung zu erhalten. Auf

23
alles
Firne und Heurige
von Ihnen warte mit Schmerzen – oder mit dem

24
Schwanenhalse der
αποκαραδοκια
wie St. Paulus sagt. Ihre Lieder der Liebe

25
– der Gemeine –
Apocalypsis
– nach der guten Hand Ihrer Muse und Ihres

26
Herzens. Gnug auf heute; Morgen u übermorgen, so Gott will!
mehr –

27
Bin Kraus eine Antwort schuldig seit länger als einem Monath –


28
Dom. Misericordias.
18. April

29
Das
Mst.
sieht wie ein
Embryo
oder ein noch in seinem Blut liegendes Kind

30
aus. Die Stellen in Häckchen beziehen sich meistens auf
Starks Apol. des

31
Ordens die neueste
Aufl.
auf
Meiners
und
Leßingiana
in puncto
der

32
Fragmente
p
 Eberhard habe angeführt; die Stelle aus dem Mendelsohn nicht,

33
sie ihm aber mündl. hier vorgehalten.

34
Die
Postillengloße
u
Recensentengeberde
bezieht sich auf unsere Kgsb.

35
Zeitung welche
Crichton gegenwärtig
dirigirt. Bey Recensirung der Freym.

36
Gespräche, die auf eine sehr feyerl. u pathetische Art angemeldet wurden hieß

S. 70
es: Da wo Falk den scherzenden Ernst freundl. ersucht sich seines Namens zu

2
erinnern, dachte zwar Recensent an jenen Wohlseligen zurück, der seiner

3
Gemeine, am Charfreytage den Buchstaben
B,
und in ihm – Jesum als den

4
Blutbürgen und Bräutigam
vorstellte

5
S.  3.
Das physische
Factum
bezieht sich auf einen Brief des Seml. den

6
er an ein
ige
en hiesigen Minister geschrieben haben soll, wo der

7
Ausdruck
in puncto
der Auferstehung vorgekommen. Das

8
vorhergängige Wort ist aus
Leßings Schrift
über
den Beweiß des

9
Geistes u der Kraft
hergenommen.

10
Ich habe mir soviel mögl. Mühe gegeben die Kunstwörter deutl. zu
schreiben

11
ibidem
mein! beym Leben Pharaons, ist das erste ein Lieblingswort des

12
Autoris profligati.
Daß
Opuscula profligata
im Lateinschen soviel

13
als Fragmente bedeuten wird auch nicht jedem bekannt seyn.

14
S.  7.
gevierten
ist ein altdeutsches Wort dem
galanten
entgegengesetzt.

15
ibid.
Lausangelrätzel wird vermuthl. unverständlich seyn u ein Provinzial

16
Wort.

17
S. 10.
Vergöttung
, ein mystisches Kunstwort; das ich nicht gern im Druck

18
verballhornt sehen möchte.

19
S. 13.
Söge
ist ein hamb. Dialect für eine säugende Sau.

20
Unsere Orthographie ist auch ein wenig unterschieden. Ich brauche mehr c

21
wo Sie k und z brauchen; wünschte also auch hierinn meine Weise. c wo das

22
Wort aus dem Lateinschen herkomt oder hergeleitet wird; k ist ein griechischer

23
Charakter Z. E. Epikur; aber Character, Oeconomie mit c als lateinisch

24
abstammend. Doch dies sind Grillen die ich
entre chien et loup
schreibe.

25
Habe heute Kant besucht, der diesen Donnerstag sein 56. oder 57 Jahr

26
antritt und voller Lebens- und Todesgedanken war. Meinen Kirchengang heute

27
auch gehalten. Hänschen hat Gottlob weder gestern noch heute etwas vom

28
Fieber gefühlt; wird also blos ein Fluß u verdorbner Magen gewesen seyn.

29
Ich fahre bey Licht fort S. 12. Sünde und Schande – – Ja, ja, Sie hat

30
den Mann
,
den Herrn
! und durch denselben redt er noch in den Kindern

31
des Unglaubens, jener Erstgeborne der Vernunft, wiewohl er gestorben ist
p

32
Weg mit dem
Starken
zum Brandopferaltar des starken Geistes
Diagoras!

33
Ich weiß selbst nicht, liebster Herder, was ich anfangen soll. Weder

34
abschreiben noch abschreiben laßen, kann ichs. Ob man’s in der Druckerey wird

35
lesen können. Ob Sie sich mit einer Correctur werden abgeben können? Ob

36
Sie dienstbare Geister mehr haben als ich auf allen Fall es unter Ihren Augen

37
ins reine bringen zu laßen. Ob die Sache, Ihre Arbeiten, Gesundheit
p
und

S. 71
Umstände sich vertragen? Muß alles dem Schicksal überlaßen – und gebe

2
Ihnen
carte blanche
es zu unterdrücken und zu befördern, weil ich mir selbst

3
nicht zu rathen noch zu helfen weiß. Und also gute Nacht! Wir wollen es

4
beschlafen – Bin durch einen Besuch irre gemacht –


5
Montags.

6
Pathchen ist Gottlob gestern in ihren 6ten Mond gegangen u heute zum

7
erstenmal in unsern Garten. Ich kann mich nicht anders helfen; und muß Sie

8
zum
Mittler
dieses
Corporis delicti
einsetzen.
Fort
muß es, Selbst

9
abzuschreiben ist eben so unmögl.
Ergo
bitte alles zum Besten auszulegen und

10
mich bald über meine Ungewißheit einer guten Aufnahme zu beruhigen. Ich

11
hoffe daß unser gegenwärtiges Vertrauen auf einen guten Willen

12
correspondi
ren wird, gesetzt auch daß ich Ihre Erwartung nicht erfüllt, und Ihre

13
Umstände es Ihnen nicht erlauben möchten sich mit der Sache einzulaßen.

14
Prof.
†feld besucht mich um mir seinen Eintritt ins 35ste Jahr zu melden

15
und daß er
Sub-Bibliothecarius
von der Schloß
Biblio
thek geworden. Hab

16
ich Ihnen geschrieben, daß mir diese Stelle zugedacht gewesen ich weiß nicht

17
durch was für ein Misverständnis meiner ganzen Lage, die so eine Zwickmühle

18
nicht erlaubt.

19
Nun, erfreuen Sie bald mich und meine
Freundin in Morungen
mit einer

20
Antwort. Hänschen Gott Lob befindt sich wol. Gott seegne mein Pathchen

21
und seine liebe Brüderchen. Heute ist die letzte Ziehung der letzten Lotterie in

22
Kgsberg, die nunmehr eingehen wird. Ich habe auch wie Patriot ohne es zu

23
wißen jene Wittwe im Evangelio nachgeahmt. Kommt mein Loos mit 20000 fl.

24
heraus so feyre meinen Geburtstag u trete mein halbes
Seculum
in Weimar

25
an. Ist es eine Niete: so hoff ich doch mit göttl. Hülfe zu meinem Endzweck

26
in petto
zu kommen.

27
Bin nicht im stande das geringste vernünftige zu Papier zu
bringen
mag

28
sinnen, wie ich will. Also Gott befohlen. Ich umarme Sie, meinen Handkuß

29
an Ihre verehrungswürdige Hälfte!!!    Künftig mehr!

30
Lebt Claudius oder ist er todt?

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 171–172.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 74–78.

ZH IV 68–71, Nr. 550.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
68/7
Freund
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Freund!
68/21
Wißen’s
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Wißen
s
68/21
gewünscht
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gewünscht.
68/21
Bogen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Bogen
68/22
Brahl
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Brahl –
68/25
u
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u.
69/9
Kaufmann
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Kaufmann
,
69/26
mehr –
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
mehr. –
69/31
Aufl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Aufl.,
70/4
vorstellte
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
vorstellte.
70/10
schreiben
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
schreiben.
70/32
Diagoras!
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Diagoras.
71/5
Montags.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Montags
71/27
bringen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
bringen,