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Dum moliantur, dum comantur, annus est
– Es ist würklich über Jahr

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und Tag, daß ich Ihnen liebster Freund, auch meine Gedanken über die

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Mysterien der Heiden versprochen. Meine häuslichen Sorgen haben mich öfters

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durch einen zwar typischen aber zieml. natürl. Zusammenhang
auf
an die

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lieben
Geheimnisse der Ceres
mehr als erinnert
erinnert und an jene

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Säuglinge u Unmündige, die zu ihren Müttern sprachen:
Wo ist Brodt und

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Wein
?
Was W ist
und an jenes gute vor andern,
was ist
und schöne
r

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vor andern
als
neml.
Korn
das Jünglinge u.
Most
der Jungfrauen

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zeugt.
Ungeachtet
Mit aller
der
Begeisterung des Hungers und Durstes,

2
mit den
ich
in der Wüste meines Vaterlandes
von
Brosamen
von dem

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für die Kinder gehören
unter dessen
Bel und seine
die 70 Pfaffen täglich

4
sich
zwölf Malter Weitzen, vierzig Schaafe und drey Eimer Weins auf

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Kosten der Kinder des Reichs
der
des inwendig leim und auswendig

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ehernen Götzen.

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Sind unsere Philosophen nicht des Descartes und unsere Philologen des

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Leclerc heiliger Saame; und haben wir es nicht ihren gemeinschaftlichen

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Verdiensten um die Dogmatik zu verdanken, daß der Geist des Heidentums in

10
eine
die Grundwahrheiten
der
einer natürl. Religion und der Geist des

11
Χ
stentums in eben den Urstoff aufgelöst worden. Ist es also nicht ein Wunder

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dieses allgemeinen Geistes, wenn die Heiden zu Christen, und
die
abermal

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die Christen zu Heiden werden und
das Ende wider in den Anfang

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dringt
.

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Et vecordi locuta est: Aquae furtiuae dulciores sunt et panis

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absconditus suauior. Et ignorauit quod ibi sint gigantes et in profundis inferni

17
conuiuae eius. Prou IX.

18
– magno silentio tegendae religionis argumentum ineffabile. Apuleius

19
Metam. XI.

20
Auch in d
ie
er Dunkelheit
hat
liegt so viel Reitz für denkende

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Philologen und gelehrte Weltweise, daß sie sich an die Untersuchung der

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Geheimnisse gewagt und am Ende entweder ein reines Nichts oder ein so

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zweydeutiges Etwas gefunden, das
sich einan
wie
gut
und
böse
entgegengesetzt ist.

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Diese höchste allgemeinsten Gattungsideen,
Nichts
und
Etwas
, Gut und

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Böse sind die ersten Gründe und letzten Resultate aller menschlichen

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Erkentnis und aus ihrer Zusammensetzung und Anwendung durch Anschauen des

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Einen in dem vielen entsteht die Wissenschaft
κατ’ εξοχην
aller nothwendigen

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übersinnlichen Wahrheiten, und die eigentl. reine Vernunfterkenntnis, oder

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die Wißenschaft der göttl. Dinge nach Plato.

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Ohngeachtet es weder an Heiden noch Mysterien bis auf den heutigen Tag

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fehlt noch fehlen kann: so kann uns doch weder Induction noch Analogie,

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weder
Schlüße aus den Begriffen der Unter und Nebenarten zur gewissen

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Erkenntnis
der
jener allgemeinen Wahrheit verhelfen, ob die Mysterien

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der alten Heiden Nichts oder Etwas und ob letzteres gut oder böse gewesen,

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so leicht auch diese Frage in Ansehung unserer Zeitverwandten und

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Vorfahren entschieden werden kann durch die Homogeneität oder
durch die
das

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Beständige u Gemeinschaftliche des Aberglaubens in der ganzen Menschlichen

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Natur trotz des Zufälligen und Besondern in der äußern Lage u Cultur der

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Individuen, Arten u Gattungen.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Sammlung Warda (ohne Signatur).

Bisherige Drucke

ZH IV 61–63, Nr. 548.