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Kgsb. den 24 März
79.
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Herzlich geliebtester Landsmann, Gevatter und Freund,
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Einlage habe diese Woche erhalten und giebt mir Anlaß zu ein paar Zeilen
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trotz meiner Armuth des Geistes. Ihre liebe Frau Schwester wünscht sich
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Nachrichten von Ihnen und ich werde an Ihrer Zufriedenheit Antheil nehmen
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und bitte daher selbige nächstens zu befriedigen.
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Gott gebe, daß Sie sich alle in Ansehung der Gesundheit so gut befinden
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mögen als wir. Wir
vegeti
ren alle nach Herzenslust und die Kleinste ist unsere
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gröste Freude –
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Einem Briefe von Kraus zufolge wird er sorgen, daß Sie alles von Berlin
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so geschwind als mögl. erhalten. Hartknoch wird mit seiner Frau hier erwartet,
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und
Notarius
Hintz
wird auch die Meße besuchen. Habe eben die
tre cose
im
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Bocaz
gelesen, mit deßen Anwendung auf die 3 Religionen Leßings Nathan
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anfangen soll. Seine Idee scheint mir ein Eingriff in die meinige über die
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Pudenda
der Philosophen-Dogmatik zu seyn. Ich habe über 14 Tage auch
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Lust gehabt – und brüte
über
Fragmente
apokalypt
ischer
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Sendschreiben über
apokryph
ische Geheimniße
–
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Vielleicht feyre ich Michaelis das 20ste Geburtsjahr meiner Autorschaft und
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setze ein Denkmal meines halben
Seculi.
Noch geht es nicht von der Stelle;
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werde aber nicht eher ruhen, als bis dieser Sauerteig
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– –
et quae simul intus
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Innata est, rupto iecore exierit caprificus!
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Ich sehne mich zuförderst nach Ihren
Liedern der Liebe
und
ferneren
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Neuigkeiten
. Daß diese Meße für mich wichtig seyn wird, scheint mir zu ahnen.
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Diese Woche ist wieder eine starke
Remise Mst.
von Hephästion
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durchgegangen nach Berlin, vermuthlich zu seiner Kirchengeschichte der ersten
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Jahrhunderte. Nebst Ernst u Falk, an dem ich mich nicht satt lesen kann, hat
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Leßings nöthige Antwort auf eine unnöthige Frage meine meiste
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Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
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Was meynen
Sie
liebster Herder! dazu? Kleuker soll auch die Fragmente
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beantwortet haben, aber nichts davon auftreiben können. Ist es nicht mögl.
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das 4 u 5te Gespräch des Falk oder wenigstens den Innhalt davon zu erfahren?
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Vielleicht haben Sie als Bruder Mittel dazu. Ein Wink darüber gehört zu
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meinem Plan. Ich muß schließen, umarme Sie sämmtl. u sonders in
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Gedanken. Der Frau Gevatterin meinen ehrerbietigsten Handkuß. Kann weder
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reden noch schreiben und ersterbe der Ihrige.
Johann Georg.
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Den 26 März des Morgens
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Adresse mit Lacksiegelrest:
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HErrn / Herrn GeneralSuperintendenten
Herder
/ zu /
Weimar
.
/
fr. Halle
Provenienz
Frankfurt am Main, Freies Deutsches Hochstift, Signatur 170.
Bisherige Drucke
Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 329–33.
ZH IV 60 f., Nr. 547.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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79. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: 79 |
60/31 |
Hintz |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Hintz |
61/15 |
Sie ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie, |
61/24 |
Weimar |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Weimar |
61/24 |
/ fr. Halle |
Hinzugefügt nach der Handschrift. |