543
47/23
Geliebtester Freund.

24
Den 29 8br
p.
Lamberts Architectonik Ruß. Merkw.
p
erhalten durch HE

25
Toussaint,
den 4
huj.
ein Fäßchen
Caviar
durch HE
Laval
und den 11
huj.

26
das
Dictionnaire des Finances
nebst Beyl. welche alle richtig bestellt bis aufs

27
Paquet
an Gröll, weil nächste Woche erst ein Fuhrmann nach Warschau gehen

28
wird. Mehr kann ich aber nicht thun als Ihre freundschaftl. Wohlthaten

29
anschreiben
– Wie ich sie aber mit Ihnen
liquid
iren soll und wenn, weiß Gott

30
am besten.

31
Was das
Dictionnaire
betrift, so ist selbige eine
Commission
von mir und

32
ich muß daher wenigstens anmerken, daß ich schon mit eben demselben Buch

33
einen Irrthum bey HE
Laval
verursacht. Der Titel war aber anders u hieß

34
Dictionnaire de Legislation de Jurisprudence et de Finances sur les

35
Gabelles de France
Avignon
764. Auf
ihrem
diesem
Exempl.
steht
Tom I.

S. 48
(das auf dem
Titel
fehlte) und 763. Das übrige scheint aber völlig einerley

2
zu seyn. Dies wär nun wohl eine Kleinigkeit unter uns; aber wegen der

3
3
Folianten
die noch hier liegen, hab ich keine Hofnung selbige hier bey der

4
Loge anzubringen.
Prof. Reusch
hat selbige auch in Augenschein genommen

5
für die Schloß
Biblio
thek aber auch nicht viel Hoffnung gemacht. Unterdeßen

6
liegen sie hier sorgfältig aufgehoben.

7
Zu meiner Absicht sind sie wol nicht ganz verloren gewesen; aber ich habe

8
auch etwas mehr erwartet und selbige wohl gleich beym Anfang durchgelesen

9
u Auszüge daraus gemacht. Doch über die Mysterien zu arbeiten – ist noch

10
immer mein Vorsatz, zu dem ich nicht kommen kann.
Dum moliuntur, dum

11
comuntur
– geht es bey mir.

12
Ich versinke tägl. tiefer in den Schlamm der Hypochondrie und mein Kopf

13
ist ganz unfähig – „Das ist ein Tag des Trübsals
p
und gehet gleich als wenn

14
die Kinder bis an die Geburt kommen sind und ist keine Kraft da zu gebären.“

15
– Das einzige Kluge, was man in solchen Umständen thun kann, ist Gedult

16
mit sich selbst zu haben. Vielleicht geht dieser
Termin
mit meinem

17
Stuffenjahr zu Ende – Ich habe selbiges mit dem Begräbnis meines seel. Bruders

18
angefangen und den 18
Nov.
ist mein Haus wider
auf die
zur heil. Zahl 7.

19
ergänzt worden durch meine dritte Tochter
Marianne Sophie
.

20
Sie wünschen mir oben ein viel Gutes zum Neujahr, ohne an Ihre

21
Gesundheitsumstände zu denken. Vielleicht sind Sie im stande die Oster Meße

22
Selbst zu machen; es würde mir sehr lieb seyn Sie also bald zu sehen. –

23
Heute habe die letzte Neige Ihres
Caviars
verzehrt und treue Gehülfen an

24
meinen Kindern gehabt. Also ist auch dies Jahr mein Wunsch erfüllt – Ich

25
bin aber im rechten Ernst beschämt, weil ich gar nicht weiß womit ich Ihnen

26
wider eine Freude machen soll und allen meinen Freunden zur Last und zu

27
keinem Genuß zu leben befürchte. Je gütiger die Gläubiger, je mehr drücken

28
uns ihre Schulden. Doch dem sey wie ihm wolle – Gott versteht mich, sagt

29
Sancho Pancha.
Sobald ich mit
diesem
Rätzel fertig seyn werde, wird es

30
Zeit seyn über die Mysterien meine Weisheit auszukramen.

31
Die
Lieder der Liebe
habe den 15 Jänner des Abends gelesen und bin den

32
21.
ej
mit Briefen und Pathgeschenken aus Weimar erfreut worden. Das Ding

33
ging so zu. Ich wurde zu Gevatter gebeten mit einem kleinen astrologischen

34
Wink; daher bekam ich den Einfall auch auf das Himmelszeichen bey der

35
Geburt meiner kl. Fräulein in meinem Hauskalender zu schielen und fand zu

36
meinem großen Leidwesen den
Skorpion
. Daher sah ich mich genöthigt zu

37
3 Feen meine Zuflucht zu nehmen (zu Weimar, Wandsbeck u Winterthur) und

S. 49
ihre
bona verba
gegen dies Himmelszeichen zu erflehen.
Me Courtan
war so

2
gütig Ihre Stelle hier zu vertreten. Alle meine 3 Kinder sind ohne Pathen und

3
Geschenke zur Welt gekommen; bey der letzten hat es anders seyn sollen. –

4
Ich hatte also die Lieder der Liebe schon den 15 Jänner gelesen und mein

5
damaliges Urtheil hat keinen Einfluß haben können von dem was vielleicht

6
eben unterwegs war. Das hohe Lied ist der Nabel meiner Bibel und diese

7
Auslegung das einzige u erste Buch von unserm Freunde nach meinem

8
Geschmack bis auf einige abermalige kleine Ausfälle. Wenn er doch die Urkunde

9
zu Ende brächte – und die Apokalypse auf Ostern erschiene!

10
Ich habe die
Livl. Bibliothek
durchgelaufen. Der Lebenslauf des Verf. ist

11
ein Meisterstück seines Urtheils u Geschmacks. Ich besinne mich auch ihn hier

12
persönl. als einen Freund des jetzigen Kr. R. Lilienthals gekannt zu haben.

13
Was für
Klätscherey
, in Herders u Lindners Lebenslauf, die unter aller

14
Kritik sind, u meines Erachtens nicht verdienen gerügt zu werden, weil die

15
pia simplicitas
alles entschuldigt, unterdeßen ist der Bienenfleiß u selbst die

16
Micrologie unterhaltend. Mündlich so Gott will, mehr!

17
Gott seegne Sie an Kräften und Ihr ganzes Haus mit allem Reichtum!

18
Empfehlen Sie mich den Ihrigen dort u in Peterb. Grüßen Sie unsern

19
Arndt
. Ich bin seit 14 Tagen fast bettlägericht gewesen und kann weder

20
sitzen noch liegen wegen einer Philisterflechte. Ich ersterbe Ihr treuergebenster

21
Freund u Diener
Johann Georg Hamann


22
Adresse mit Mundlackrest (Kopf des Sokrates nach links):

23
à Monsieur / Monsieur Hartknoch / Libraire / à / Riga. / par fav.


24
Vermerk von Hartknoch:

25
HE Hamann in Königsb

26
Empf den 24 Merz 1779

27
beantw den 1 May –

Korrigierte Datierung

Die Datierung wurde gegenüber ZH korrigiert (dort: „Mitte Februar 1779“), daher erfolgt die Einsortierung chronologisch zwischen Brief Nr. 545 und 546.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 102.

ZH IV 47–49, Nr. 543.

Zusätze fremder Hand

49/25
–27
Johann Friedrich Hartknoch