545
50/31
Kgsberg den 21
Febr. Dom. Inuocauit
79.

32
Herzlich geliebtester Gevatter, Landsmann und Freund,

33
So war es nicht gemeynt – Keins von meinen Kindern hat einen

34
Pathenpfenning aufzuweisen und ich habe meiner hiesigen Gevatterin deshalb ein

S. 51
Scheidebriefchen
schreiben müßen. Aber bey der ganzen Einkleidung, die

2
Ihre würdige
Costa
– ich weiß Ihr keinen heiligern Namen zu geben,

3
ohngeachtet er in Gichtels theosophischen Sendschreiben entweyht worden – dem

4
Angebinde zu geben gewust, ist mir ganz anders zu Muthe gewesen. Die

5
Süßigkeit des Nehmens macht Bauchgrimmen; aber hier nicht. Es brauchte

6
keine Verdauung und gieng gerade zum Herzen – ohne Mund und folglich

7
ohne Dank noch Murren. Das rechte Wohlgefallen und Behagen ist göttlicher

8
Genuß ohne Geschwätz.

9
Den 15
Jan.
erhielt ich den ersten Brief von Kraus aus Berl. worinn eben

10
nicht viel neues, aber doch eine Nachricht war die mich ein wenig in Wallung

11
brachte, daß P. Strabo sich wider an
Bernouilli
gewendet u dieser sich an

12
den Ruß. Minister um vielleicht
Pardon
u Abschied zu erhalten. Bey der

13
geringsten Gährung meines Gemüths bekomm ich
Appetit
zu eßen oder
Instinct

14
zu lesen. Im Kanterschen Laden ist alles aus und mit dem Hartungschen hab

15
ich nichts zu thun. Doch glückte es mir noch denselben Abend die
Lieder der

16
Liebe
zu erhalten wornach die Lüsternheit unüberwindlich geworden war, daß

17
ich mich angriff selbige zu stillen. Keins von allen Ihren Schriften hat mir

18
einen so süßen Abend und Eindruck gemacht als dies. Das Werk betrift so

19
den
Nabel
meiner Bibel – Gott gebe daß Ihre Apokalypse auch so gut gerathe

20
und ich will Ihnen gern erlauben daß Sie in Ihrer Autorschaft wie bey der

21
Hochzeit zu Cana, eine Pause machen und sich ausruhen. Ich würde besorgen

22
in meinem Urtheil wider mein beßer Wißen und Willen bestochen zu seyn

23
wenn nicht erst den 21
p.
Ihr güldner Zwillingsbrief angekommen wäre. Ich

24
erkannte Ihre Hand nicht u sah selbige für Kaufmanns an, dem ich eben

25
antwortete, weil mir eine kleine Unpäßlichkeit Muße gab allerhand aufzuräumen,

26
worunter auch die Antworten nach der Schweitz waren. Jetzt bin ich wieder

27
14 Tage häuslich und zum Theil bettlägericht gewesen an Flußfieber,

28
verdorbnen Magen und einem Schaden, den ich meine
Philisterflechte
nenne,

29
und die mir seit vielen Jahren beunruhigt aber niemals so viel Schmerzen

30
als dies mal gemacht hat. Ich habe so viel Kunstverständige bereits
consulirt,

31
die mich alle mit der Furcht eines künftigen Uebels, das
fistulös
werden

32
könnte, ausgelacht haben. Jedermann erklärt sie für eine unschuldige Flechte,

33
die kommt u vergeht und weiter nichts auf sich hat. Desto beßer für mich. –

34
Was aber den eigentl.
Schaden Josephs
betrift; so ist die Auflösung

35
deßelben eben das für mich, was jenes
Fischerrätzel
dem blinden Homer

36
gewesen seyn soll. Den einzigen Dienst im Lande, den ich mir selbst gewünscht

37
habe, ohne ihn hoffen zu dörfen.
Fast nichts
dabey zu thun noch zu

S. 52
verantworten als Schildwache zu halten mit einem Buch in der Hand, welches wol

2
freylich ein Haupt
aliment
meiner Hypochondrie ist; denn daß es mir daran

3
nicht fehlen kann, ist kein Wunder, wenn Sie sich meine stätige Lebensart

4
von 67 an vorstellen, meinen natürl. Hang zum Eßen, Trinken, Schlafen,

5
nebst dem ganzen Geschmeiß von blinden u heftigen Leidenschaften
in petto

6
Auch
keine Hauptschulden
, wie Sie muthmaßen; alles beläuft sich auf

7
100 rthl die mir Hippel seit einem Jahr ohne
Termin
u
Interessen

8
vorgeschoßen, in einer alten Rechnung bey Kanter, die seit Jahr u Tag fast gar nicht

9
wächst u einigen wenigen Thalern für Binderlohn die eine Kleinigkeit

10
ausmachen und gar nicht dringend oder nachtheilig werden können. Ich schreibe

11
jeden Heller an, besuche kein öffentl. Haus, erlaube mir keine Ueppigkeit weder

12
in Kleidung noch Lebensart, bitte niemanden zu Gaste, hab eine genaue,

13
ehrliche, ländliche Hausmutter, die
weder
keinen
Caffé
kaum
The
auf ihre

14
eigene Hand trinkt, sich nicht von der Schwelle rührt – Trotz allem dem hab

15
ich z. E. voriges Jahr, das noch leidlich gegen die vorigen gewesen ist gegen

16
1900 fl.
ausgegeben
und 1765 fl.
eingenommen
.

17
Diese
Schaam und Schande
nicht auszukommen, wenn ich andere gegen

18
mich halte,
drückte
mich wie ein enger Schuh den Leichdorn. Wie machens

19
andere bey der Hälfte von deinen Einkünften? Ich kann auf den
Grund

20
des Uebels
nicht kommen und weiß nichts als mein
Coffe
kännchen
, mein

21
Bier
, das ich nur des Abends trinke, denn Mittags Waßer,

22
Schnupftoback
, (denn ich rauche nur 3 Pfeiffen ordentl. des Tags) zu
reform
iren.

23
Auch hiezu bin ich mehr als einmal entschlüßig gewesen. Hiezu kommt noch

24
die
Ungedult auf einen reinen
Etat
meines
Finanz
-Wesens zu kommen.

25
Je mehr ich darnach ringe, je weiter komm ich vom Ziel. Die Hälfte von

26
meines seel. Bruders Vermögen hab ich auf sichere Wechsel gebracht; mit

27
den übrigen 5000 fl. hang ich mit einem Hause, bey dem es allem Ansehen

28
nach zum
Concurs
kommen wird. Da sitz ich wider wie ein
piscator ictus

29
ohne zu wißen wie viel ich an Zinsen, Capital u Proceßkosten verlieren werde:

30
so wie der Rest von meinem väterl. Vermögen auf eine
Ingrosation
von

31
2100 fl. auf einem andern mir durch den
Concurs
zugefallenen Hause zu

32
0 schmilzt, zu dem ich
à tout prix
keinen Käufer finden kann. Bey allen diesen

33
Verwickelungen u Unordnungen, in die ich ohne meine Schuld Gottlob

34
gerathen bin, ist nichts als
Gedult
nöthig und
Zeit
. Ich sollte also ein Mann

35
von wenigstens 12000 fl. seyn und kaum die Hälfte dieser Einkünfte sind

36
liquid
und ich weiß nicht wie viel es mir noch kosten wird die größere Hälfte

37
liquid
zu machen. An Verstand und Erfahrung in dergl. Geschäften fehlt es

S. 53
mir gar, und ich thue nichts ohne anderer Rath; dem ohngeachtet komm ich

2
nicht von der Stelle.

3
Meine
Wirthschaft
fieng ich außer einem Gehalt (das von 16 zu 30 rthl

4
gestiegen u sich seitdem auf 25
fixirt
) mit einem
fonds
von 15000 fl. an, wovon

5
1
/
3
das meinige
u
2
/
3
des Bruders waren. Das Geschleppe der Bücher und der

6
Zustand meines Cretinen riethen mir zum Ankauf eines Hauses. Meine

7
Rechnung dabey war falsch, indem ich durch ein Eigenthum an Miethe zu

8
gewinnen glaubte. Ich wurde beym
Ankauf
u
Bau
betrogen – und büßte

9
freywillig
beym
Widerverkauf
ein. Ich sah meiner Armuth mit

10
Zufriedenheit und Freuden
entgegen. –
Nun schweb ich als ein unglückliches
Amphibion

11
zwischen Furcht und Hofnung – hab den
Schein des Geitzes
von außen und

12
den
Wurm der Verschwendung
von innen, ohn daß ich mich gegen die

13
Scylla
u
Charybdis
zu retten weiß als durch Gedult, und Vertrauen auf eine

14
höhere Kraft meine Denkungsart oder mein Schicksal zu
corrigi
ren. Alle

15
meine Unordnungen fließen zum Teil aus einem
Ideal von Ordnung
, das

16
ich niemals erreichen können und doch nicht aufgeben kann – aus der

17
verderbten
Maxime
die in meinen Fibern liegt:
Lieber nichts als halb
. Ohne einige

18
Ahndungen einer beßern Zukunft würden mir die natürliche Schlüße aus den

19
Phoenomen
en des Gegenwärtigen völlig unterdrücken. Ich hoffe daß diese

20
wenige
Data
ohne nähere Beläge meine Verlegenheit entschuldigen werden,

21
und daß Sie mich keiner Verstellung und Pinseley wegen in Verdacht haben

22
können. Zu dem Entschluß mich ins Reine zu bringen und keinen Verlust zu

23
achten bin ich von selbst geneigt gnug; aber das Ganze
läst
sich nicht

24
erzwingen und ich habe für diese Versuche auch bereits bluten müßen. Vor einigen

25
Jahren erlaubte ich mir einen kleinen Wucher auf polnische
Reverse;
ich wurde

26
des Dings überdrüßig und weil ich 1000 rthl auf diese Art beym seel.
Comm.

27
R.
Hoyer
liegen hatte die fällig waren: so gieng ich zu dem Mann hin um die

28
Verlängerung des Wechsels zu bitten und ihm zugl. die übrigen 4000 rthl

29
à
6
p
% anzubieten um aller Mühe überhoben zu seyn. Der Mann begegnete

30
mir so kalt und war so schwierig das Geld zu behalten daß ich mit meinem

31
Anerbieten des Ganzen nicht herausrücken dorfte. Ich war in Verlegenheit

32
die 1000 rthl anzubringen u war beschämt es als eine Gefälligkeit

33
anzunehmen daß er den einen Wechsel noch verlängerte. Kaum ein Vierteljahr

34
nachher verlor der Mann alle seine Speicher im Feuer und ich muste einige Jahre

35
mit der Hälfte fürlieb nehmen der Zinsen und muste Gott danken, daß ich nicht

36
alles hingegeben hatte. So viel ein für allemal von dem eigentl. Sitz meiner

37
Verlegenheit, die nicht Geitz oder
Einbildung
sondern eine
würkliche

S. 54
Unordnung
ist
der ich nicht abzuhelfen weiß als durch Zeit und Gedult. Weil es mir

2
in dergl. Angelegenheiten gänzl. an Weisheit und Klugheit fehlt und ich durch

3
allen Rath nicht weiterkomme: so muß ich auf Zeichen und Wunder der

4
Vorsehung in Leibl. Dingen Rücksicht nehmen. Im Schatzkästlein ist ein

5
ὑστερον προτερον
eingeschlichen.
Saltz
und
Friede
ist auch mein
Motto.

6
Daß alles bey mir leerer Gedankenplan bleibt, ist all mein
Heil und Thun

7
nach den letzten Worten Davids 2
Sam XXIII.
Sorgen Sie doch für die

8
enfans perdus
Ihres Geistes wie ich für die meiner
Lenden

9
Von dem armen
Benzler
hat mich ich weiß nicht warum ein Brief länger

10
als 8 Tage beschäftigt, den er an Kanter geschrieben u ihn um eine

11
Uebersetzungsarbeit gebeten; aber hier geht alles zu Grunde, und man vermuthet

12
sich alle Tage den Einfall des Himmels. Die Lotterie wird aufgehoben – und

13
Sie sollten das Schloß von Papiermühle in
Trutenau
nebst der daselbst

14
angelegten Schriftgießerey sehen! Daß er eine Buchdruckerey in Westpreußen

15
angelegt hat ist etwas altes und dörfte wol seinem zeitigen
Factor

16
anheimfallen.

17
Ungeachtet der König Selbst
per fas et nefas
das Saturgische
Comptoir

18
zu stüzen gesucht; so wird der
Commerc.
Rath einmal nach dem andern aber

19
umsonst aus Warschau
citi
rt – und mit
Melchior Kade
ist es aus, rein aus.

20
Et ego homunculus
– oder wie es bey
Cicero
heißt. Unterdeßen geht das

21
Gerüchte daß hier Zimmer für die verw. Königin von Schweden fertiggemacht

22
werden, weil
Jupiter
diese
Juno
in Berl. nicht leiden will. Der Prinz von

23
Hollstein wird auch mit seiner Gemalin der Gräfin von Sacken erwartet.

24
Semler soll hier an einen Minister geschrieben
haben
daß er das physische

25
factum
der Auferstehung
dahin gestellt seyn ließe. Mir fiel von ohngefehr

26
Steinbarts Phil. des
Χ
stentums in die Hände. Ich überlief die
Dedication

27
u Vorrede und legt es nieder um eben den Brief an Lavater zu schließen, und

28
denk ihn an dies neue
Monstrum
aus
Africa
.
Indem mir dieser Ausdruck

29
entfährt,
schlägt mir das Herz über mein vorläufiges Urtheil
ohne das

30
geringste von dem Werk selbst gelesen noch gehört zu haben als alles Gute im

31
allgemeinen. Stellen Sie sich mein Vergnügen vor, wie ich so viel vom

32
afrikanischen System
u Lavater selbst darinn angefochten fand. Das war

33
mir
lupus in fabula.

34
An Leßings
ontologi
sche Gespräche hab ich mich nicht satt lesen können;

35
auf seinen Nathan freue ich mich, ohne darauf
praenum
erirt zu haben,

36
welches ich auf Reiskens schwerl. versäumen möchte, habe den ersten Wink in

37
Ihrem Briefe erhalten. Alle beyde Auflagen über die Ehe nebst den

S. 55
Lebensläufen habe neuerdings gelesen. Wenn ich auch wegen des letztern

2
Gewißheit
hätte, äußerl. u innerl. so ist der Verf. in Ansehung des Autorwesens

3
ein Original, der es als einen Hochverrath ansieht ihn in Verdacht zu haben,

4
daß er
Autor
ist oder darauf Ansprüche macht. Wegen der Lebensläufe bin

5
beynahe
apodict
isch überzeugt, daß mein Freund der Verf. davon ist. Es sind

6
manche Familienscherze, Idiotismen
p p
auf die ich alle nicht trauen würde,

7
wenn nicht der Copist von einem Freunde betroffen wäre, dem er beynahe zu

8
Fuß gefallen, weil er augenblickl. sein Brodt verlieren würde. Ich bitte Sie

9
also dies Geheimnis vor sich zu behalten. Als ein
Product
des Vaterlandes

10
verdient es immer
Schutz
– und ist immer viel bey seinen Geschäften

11
u Zerstreuungen. Daß
Grecourt
aber an der Ehe mehr Antheil haben

12
muß, muthmaße ich aus dem
curiös
Bachant
sch
en Ton. Ein rechter

13
betäubender geiler Witz
. Kant, den ich wider zu besuchen anfange findt in den

14
Lebensläufen hundert Winke aus seinen Vorlesungen: Man muß das Ende

15
abwarten. Die
Liederkenntnis
u Brocken aus ihrer Geschichte – die kurschen

16
Anecdoten welche aus Ziegenhorn genommen zu seyn scheinen, sind auch

17
indicia:
aber obgedachtes
factum
ist die Hauptsache. Er scheint es ohnedas

18
noch nicht verschmerzt zu haben, daß Sie eine Jugendschrift so bitter

19
mitgenommen in einer Stelle die mir nicht einmal bekannt ist – und wie es heist

20
Kanter einmal aufgetragen haben diesen Stich noch tiefer zu machen.
Sal et

21
pax
,
Herzens Gevatter! und nichts gegen unsern Freund und Verleger, noch

22
zu öffentl. Gebrauch, biß die Sache zu Ende ist und für sich selbst redt.

23
Winkelmanns Briefe habe mir zu verschaffen gewust nebst Gadebusch, den ich mich

24
besinne als einen Freund des Kr. R. Lilienthals gekannt zu haben. Wir

25
konnten uns aber niemals, wie es schien, einander ausstehen. Auch Lindners

26
Manes
hat er nicht beßer behandelt. Aber
sein eigener
Lebenslauf ist ein

27
Meisterstück, das alles entschuldigt, was er von andern sagt, weil er es aus

28
Mangel des Geschmacks u Urtheils thut. Ich weiß also nicht ob es der Mühe lohnen

29
sollte seine Klatschereyen wichtiger zu machen als sie in jedes vernünftigen

30
Lesers Augen von selbst seyn werden. Auch Lavaters Correspondenz mit

31
Stender gehört hieher.

32
Dachs Werke sind hier auch selten und wir haben nur einen
Antiquarium

33
der ein unwißender Esel ist. Lauson war so gut u schenkte mir ein
Duplum
aus

34
seiner Bibliothek von Alberti Liedern für Sie (Er hat mich längst um ein

35
Exemplar Ihres Gebets zu Bückeburg bey der Leiche
ersucht)
ich fand aber

36
den
Defect
eines Blatts; und zum Glück war hier die
Auction
des alten

37
Candid. Tschepius
wo Alb. Lieder einigemal vorkamen, aber mehrentheils

S. 56
auch
defect
weil man selten alle Theile zusammen findt. †feld bot mir auch

2
sein
Exempl.
an, aber blos als ein Darlehn;
aber
ohngeachtet es einen

3
ehrl. Band hatte, enthielt es bloß den ersten Theil gantz und das übrige waren

4
Fragmente
der 3
ersten
folgenden Theile. Also war ich recht erfreut, da

5
ich krank war, daß ich ein sehr vollständiges Exemplar durch meinen Freund

6
Brahl habe erstehen können, das noch die Kürbshütte des Alberti
p
enthält.

7
Habe mit genauer Noth nur die
alte
Ausgabe der Gedichte auftreiben

8
können; die vorigen Montag den 15 abgegangen seyn sollen nach Berl. durch

9
einen
Candidaten Jordan,
der daselbst einen HE von
Kalnein
abholen soll,

10
den
Zitterland
hier auf der Academie u auf Reisen führen wird. Ich habe

11
den Mann nicht kennen gelernt, weil seine Abreise übereilt u ich bettlägericht

12
war. Er hat mir heilig versprechen laßen beyde Stücke sogl. bey seiner

13
Ankunft in Berl. auf die Post zu geben. Mehrerer Sicherheit wegen hab ich an

14
Kraus geschrieben um mit dafür zu
sorgen
wie wol der zu
Commission
en

15
wie der Bock zum Gärtner taugt. †feld hat mir einen ganzen Stoß
Hochzeit

16
Glückwunsch-
vorneml. Leichengedichte des Dachs mitgetheilt, worunter ich

17
beyl.
ausdrückl. Sterblieder
gefunden. Ich wünschte daß Sie alles zu

18
rechter Zeit noch erhielten u was drunter brauchbar wäre. Ich vermuthe daß

19
Ihnen, bester H. hauptsächl. um die
Lieder
zu thun ist; für die
neueste
u

20
stärkere Samml. der Gedichte
werde hier sorgen, sobald sie vorkommen,

21
oder ich sie aus einem Winkel auftreiben kann,
wenn Ihnen was daran

22
gelegen seyn sollte
.

23
Eben erhalte einen Brief vom jüngsten Lindner, der mit Macht in Berl.

24
die
Medicin
studiret und mir statt des Verfaßers der physiognomischen

25
Reisen, den ich zu wißen neugierig war, meldet, daß ein gewißer
von Jung

26
die Lebensläufe
geschrieben. Das ist der berühmte Danziger Resident, den

27
ein altes Gerüchte auch zum Verf. der Ehe gemacht. In Ansehung der

28
Hauptsache können Sie sich auf meine Nachricht verlaßen, die sich auf ein
factum

29
und keine Muthmaßungen gründet, gegen die ich gantz mistrauisch geworden

30
bin. Die
Genesin
der Lebensläufe kann ich mir wol erklären, aber in

31
Ansehung der Ehe glaub ich daß
Grecourt
mehr Antheil hat –

32
Wie können Sie mich zur Schriftstellerey aufmuntern – und Selbst über

33
Nachwehen klagen! Nächste Woche beschließ ich mit meinem Sohn das N. T.

34
und fange das siebente Buch des
Aeliani Historiae variae
an. Im Latein bin

35
ich in Miller Chrestomathie die ich erst jetzt habe kennen gelernt und denke

36
auch die
Historias selectas
auch
dies Jahr zu
absolui
ren, daß ich
Ernesti

37
Initia
u
Archaeologia
und das
Hebraische
mit ihm anfangen kann; denn

S. 57
die Anfangsgründe dieser drey Kreutzsprachen hab ich ihm zugedacht, wenn

2
Gott Leben und Gesundheit schenkt. Bleibt mir der einzige Sontag übrig,

3
Besuche anzunehmen und zu geben. Ueberhaupt scheint
von außen
noch alles

4
so unreif zu seyn als in
meinem Innern
. Was geht mich das Publicum an,

5
wenn ich mein eigen Haus
nicht
mein
Haus
,
oder meine
Cameram obscuram,

6
nach der ich das
Uniuersum
auffangen muß, nicht ins Geschick und zur

7
Festigkeit bringen kann.
Ich beschwör euch, Töchter Jerusalem, weckt sie

8
nicht!
Regt
sie nicht! bis sie selbst erwacht
. Wie freu ich mich auf Ihre

9
Spätlinge
, auf Ihre Apokalypse! Vergeßen Sie nicht mir alles mit der

10
Meße –
Lieder der Liebe und der Gemeine
– Achten Sie nicht den Verlust

11
Ihrer Gaben – Meine Gedult wird Frucht bringen und meine Hoffnung gleich

12
dem Stabe Mosis u Aarons ausschlagen –

13
Daß
Ihre Ruhe Ehre sey
, vergeßen Sie nicht die
Urkunde
, sollte es auch

14
blos im
Entwurf
seyn, zu endigen. Im Banier fand neulich, daß Jupiter

15
1780
a. C. n.
gestorben; eine ähnliche
Epoque
läßt sich
p. C. n.
erwarten. Die

16
philosophische Schulfüchserey geht zu B. so weit als mögl.
D. Herz,
Kants

17
beschnittener Zuhörer, hat eine philosophische Bude aufgeschlagen die tägl.

18
zunehmen soll und worunter der
Maecen
d
ies
er
Wittwen u Waysen (Acad.

19
u. Schulen) unsers Landes auch gehört, dem Steinbart sein System

20
dedici
rt hat.

21
Die Leiden u Ana sind ein
Scherz
der sich von meinem
Catalog
herrührt.

22
Wenn so etwas da wäre; wie sollte ich Ihnen, HerzensHerder, ein Geheimniß

23
daraus machen! Meine Absicht war in der
Apologie meines Cretinen
(ein

24
Denkmal auf meinen seel. Bruder) den Theil meines Lebenslaufs und jenen

25
Stoff einzuarbeiten – und zugl. dem Apologisten der Heiden durch einige

26
argumenta ad hominem
etwas zu rathen zu geben. Es ist aber alles Kitzel,

27
Anwandelung, leerer Spuk
gewesen –
Was hat der Dichter mehr nöthig

28
gehabt als eine
paginam
zum Titel zu
fingi
ren.

29
Heute ist Sonnabend; ich habe die ganze Woche an diesem Briefe

30
zugebracht und denke morgen meinen Kirchengang zu halten nach einem

31
Stillstand von 3 Wochen. Vielleicht haben Sie Mühe mein Geschmier zu lesen.

32
So bald ich Anlaß habe Sie, bester H. mit etwas beßern als meinen Grillen

33
zu unterhalten, hoffe ich verjüngt da zu seyn. Jetzt ist mir wie einem

34
Schweitzer unter seinem Heimweh zu Muthe. Weder
ημεραι
noch
εργα
Gantz

35
gewiß alles ein Plan einer höheren Hand, der ich meine ganze Erziehung zu

36
verdanken habe, und die meinen Beruff, ohne ihn selbst zu kennen, entwickeln

37
wird. –
εμαθε
αφ’ ων
επαθε
– Er wolle uns beyde zum reinen
Pfeil machen

S. 58
und in
Seinen Köcher stecken
! Auch Er dachte,
ich arbeitete vergeblich

2
und brächte meine Kraft umsonst und unnützlich zu
. Jes.
XLIX.

3
Klopstocks Orthographie habe mit Ihren Empfindungen gelesen. Mir kam

4
Lausons Päan und Bibliothek im Sinn – wenn ich davon reden müste – und das

5
principium
seiner Reformation ist eben so falsch als der Nicolaiten.

6
Tellow’s erstes Fragment ist für mich sehr
interessant
gewesen – das letzte
erst

7
in meiner Unpäßlichkeit auf Ihren Wink kennen gelernt. Ich denke daß Sie

8
sich weniger zu beklagen hätten als Nachbarn gute Freunde u desgl. Selbst

9
das Lächerl. im Enthusiasmo der Freundschaft hat etwas heiliges für mich –

10
und der Schlüßel zu Klopstocks Werken ist ganz nach meinem
Geschmack

11
Wunsch. Ist Ihnen auch der Verf. der physiognomischen Reisen nicht

12
bekannt? Es wird dabey nicht bleiben und werden wol noch mehr auftreten.

13
Mercurs verdienstl. Werk um den
Buncle
wird auch wol nicht unvergolten

14
bleiben.
Dante
habe in Frankf. am Mayn ohne Wörterbuch gelesen; so sehr

15
hielte das wenige, was ich verstand, mich für das übrige schadlos.

16
Friede, Friede! Gott gebe, daß es wahr
sey.
und laße auch einen guten Stern

17
an Ihrem Horizont aufgehen. Tausend Seegen überschütte Sie und alle die

18
Ihrigen. Ich bleibe Ihnen gantz verpfändet ohne daß ich absehen kann, wie ich

19
für Ihre Wohlthaten erkenntlich seyn werde. Die Zeit wird den Rath der

20
Herzen offenbaren und das Verborgene ans Licht bringen, unterdeßen jetzt

21
alles gleich der Saat zu verwesen scheint. Ich umarme Sie im Gefolge aller

22
der Meinigen, die Ihnen die Hände küßen und ersterbe Ihr treuer

23
Jonathan Hamann.


24
Dom. Reminiscere.

25
Ich habe bis auf den heutigen Sonntag gewartet, bin in der Kirchen, und

26
bey unserm
Oberhofprediger,
der auch wie sein Vorgänger über

27
Verdruß klagt – und erschöpft und beladener zu Hause
gekommen daß
ich

28
Zeit gehabt habe mich erholen zu können. Muß aber demohngeachtet zu Ihrer

29
bischöflichen Fürbitte meine Zuflucht nehmen, daß ich noch ungeschickter als

30
das kleine Gotteskind bin den einfältigsten Dank Ihrer besten Hälfte, meiner

31
verehrungswürdigsten Frau Gevatterin abzustatten. Ich glaube daß diesem

32
ganzen Briefe meine Unvermögenheit anzusehen seyn wird. Beunruhigen

33
Sie sich
deshalb
nicht –
Eben platzten meine 3 Kinder herein mit einem

34
Gefolg einer kleinen bunten Gesellschaft die eine gewiße
Mad
lle
Stoltz anführet,

35
durch
mit welcher ich durch Hintz, der sie ins Land gebracht, bekannt gemacht

36
worden bin, die eine vertraute Freundin einer Cammerherrin von der Reck

S. 59
ist, welche mit unserm Lavater in
Correspond
entz steht – Und so hänget alles

2
auf der Welt zusammen an Fäden, die sich nicht zerreißen laßen ohne uns u

3
andern Wehe zu thun. Meine alte würdigste Freundin, die Baroneße v
Bondeli,

4
ist auch in die äußerste Armuth versetzt u im Begriff
Pensionairs

5
anzunehmen, die sie schwerlich erhalten wird ohngeachtet aller ihrer Talente zu einer

6
Beaumont.
Sie wißen vermuthlich daß Sie meine einzige
u.
beste Schülerin

7
im Engl. gewesen und ich habe wie ein Kind in ihres Vaters Hause gelebt.

8
Wäre mein eigen Schicksal auch noch so
vortheilhaft
, so könnte ich selbiges

9
nicht recht genießen oder würde auch
Experimente
machen um anderer zu

10
verbeßern, welches doch blos ein
Praerogativ
der Vorsehung ist. Bey allen

11
solchen Verbindungen fühlt man das Sprichwort lebhafter:
Artzt hilf dir

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selber!


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Den 1 März.

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Heute in den Zeitungen die Ankunft Ihrer Prinzeßin gelesen. Beynahe ein

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Kalbsviertel vor Freuden verzehrt
ad imitationem
des
ArchiHypochondristen

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Herkules, deßen Geschichte ich im Banier gelesen und mit diesem Buche auch

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zu Ende eile, ohne viel Trost darinn gefunden zu haben. Glaubte daß ich es

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lesen müste ehe ich an die Geheimniße gienge. Werde in Mitfasten den letzten

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Versuch
machen,
ob ich im stande seyn werde meine Gedanken drüber

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auszudrücken. Geht es nicht; so ist nichts dran gelegen. Will desto fleißiger mit

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meinem Sohn seyn, den Sommer genießen und mein Stuffenjahr leer und ruhig

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beschließen. Bey der ersten Veranlaßung die der Mühe lohnt werde wider

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schreiben. Gott seegne Sie, liebster bester Herder und alle die lieben Ihrigen.

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Ihr kleiner Stammbaum hat mir recht wohl gethan. Gute Nacht, Pathchen!


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Cetera desunt.