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Vermerk von Lavater:
Hamann 14.
IV.
1778.
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Lieber Hamann,
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Hätt’ ich nicht ein allerliebstes Kind, das an den natürlichen Kindsblattern
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hart niederliegt, ich schriebe Dir von
Kaufmanns
glüklich vorbeygegangner
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Hochzeit. Aber izt leid’ ich zu sehr, obgleich der gegenwärtige Augenblik
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wegen einer leichten Nacht, die es gehabt, mir leicht ist. Es ist
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Samstagsmorgen, u. ich muß Dir – ich sehe, Gott weiß, gerade diesen Moment, daß
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ich ohne Wißen u. Widerwillen
Du
u.
Dir
schreibe – in höchsteinfältiger
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Einfalt – also gelte unsers Erzautors Pontius Pilatus
α γεγραφα γεγραφα
.
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– (mich dünkt, auch Er war deßelbigen Jahres Hoherpriester im Namen, nicht
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der 144000, sondern der
Zungen
u.
Völker
,
die niemand zählen kann
)
.
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Es ist Samstagmorgen, sag’ ich, u. ich muß Dir doch auch eine I
dée
von
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meinen Samstagen geben.
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Um 6. Uhr steh’ ich auf, seufze unter der Last, die ich noch nicht trage, u. die
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leichter zu tragen ist, als tragbar zu denken.
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Gewöhnlich bleibt mein Weibchen noch ein Weilchen im Bette. Ein Kind,
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Netteli
, voll Seele u. Liebe in ihren Armen, u. mein
Heinrich
, oder
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Heirli
legt sich langsam an. Ich mache meinen
Tagzettel
, alle Kleinigkeiten,
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die ich zu thun habe; beantworte kurz u. troken ein paar Briefe, trinke 2.
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Taßen C
affée
mit meiner Frau –
corrigire
physiognomischen Text bis
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12 Uhr, unter immerwährenden kleinen Audienzen von der verschiedensten
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Art. Dann kurz
Mittageßen
. Dann an die Sonntagspredigt, die ich ganz
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schreibe. Abends kommt allemal
Pfenninger
noch ein Viertelstündchen, das
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wir selten ruhig haben. Sehr oft gieng ich in ein anders Haus, um
studiren
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zu können,
u.
nicht so sehr unterbrochen zu werden.
S. 9
Abends macht mir mein Weibchen oder eine Magd Papilloten; das einzige
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mal in der Woche – u. mache dabey mein P
romemoria
für die folgende
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Woche.
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Ich lese überm Nachteßen etwa eingegangene Briefe, die schafhauser
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Zeitung u. dann noch die Predigt – gehe nach 10. oder 11. Uhr zu Bette – und
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lege sodann meine Woche mit Todesangst u. Arbeitsruhe zurück.
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Den Augenblik sagt mir Bruder Doktor, daß es mit meinem Kinde so gut
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stehe, wie möglich, obgleich die Blattern so platt seyen, wie möglich.
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Ein seltsamer Tag. Ich lese eben einem Freunde aus deinem Briefe, der
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denn sich unendlich erbaut hat.
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Inzwischen muß ich, Pfarrer auch vom Zuchthause, ein Testimonium an
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meine gnädige Herren einsenden, das einen Züchtling erlösen soll. Denselben
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Moment erhalt ich von der Post ein Paket mit 55. N.
Louisd’or,
wodurch ein
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Sklave aus der
Türkey
erlöset werden soll. Es ist also ein Tag der Freude u.
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Erlösung!
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Heut wird auch noch Pfenninger vom Hegi zurükkommen, u. sich Deines
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Briefes freuen.
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Auch von Baron
Asch
hab’ ich Briefe, die Dr.
Fränkel
, einen jüdischen
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Proselyten, von seiner Beruflosigkeit, u. mich von seinem Aufliegen auf
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mir erlösen. –
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Nun inzwischen an die Physiognomik. Gab wenig aus; Immerfort
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Unterbrechungen; u. unter diesen mit eine wichtige. Die große Gemeine
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der Stadt, St.
Peter
, hat einen
kranken
Pfarrer – u. läßt sich unter
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der Hand bey mir erkundigen, ob ich nicht
Vicarius
werden wolle? Neue
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entsetzliche Last! Noch weiß ich kaum, was ich sagen soll? Doch – „Alle euere
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Sorgen werft auf ihn! Er sorgt für Euch!“ – Von Pfenninger, vom
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Waysenhause getrennt – u. unermäßliche Geschäfte! –
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den 22. Febr. 1778.
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Es ist lange, daß ich diesen Brief liegen ließ. Seit der Zeit hatt’ ich viel zu
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negoziren des Berufes wegen, der an mich kommen sollte – nämlich, bloß in
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ansehung der Geschäfte, u. weil ich Pfarrer am Waysenhaus bleiben mögte.
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den 15.
März.
1778
.
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Sonntags nach der Morgenpredigt. Die vorige Woche vollendet’ ich den
IV.
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Band der Physiognomik. Da ist mir nun eine große Last ab, wofür ich Gott
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danke. Der Witzler
Lichtenberg
steht zwar schon wie ein Drache bereit einen
S. 10
Strom Waßers zugießen gegen das Kindlein – oder wie er sagt, zu stürzen das
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vierte Stockwerk meines babylonischen Thurmes.
Adieu.
Wieder einmal.
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den 2. Aprill. 1778.
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So lange, lieber Hamann, hab’ ich in meinem Leben noch an keinem Briefe
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geschrieben. Izt Donnerstag Abends, oder vielmehr Mitternachts, zu
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Oberried, in Zürichs Gosen, durchgeh’ ich 3. Theke voll unbeantworteter Briefe,
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u. finde dieß angefangene öde Blat. Also wieder ein paar Zeilen.
8
Kaufmann
u.
seine 2. Brüder und Ehrmann helfen mir nun bald 14. Tage
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aufräumen, u. sind noch nicht am Ende. Sie verdienen Gottes lohn bey der
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Sklavenarbeit, u. was sie thun, thun sie gern u. ganz.
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Weiter, mein lieber, eine wichtige Woche: Gestern begrub man den kranken
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Pfarrer der großen Gemeine.
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den 14. Aprill. 1778.
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Und ich bin Diakon zu St. Peter geworden, den 7. Aprill, ohne eine Hand,
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oder einen Fuß darnach zuregen, mit
557.
Stimmen; denn die Gemeine wählt.
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Nun – der Wille des Herrn geschehe! Ich bin Gottlob viel ruhiger, als ich
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mir vorstellte, es seyn zukönnen. – Nach Pfingsten gleich trett’ ich mein Amt an,
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das alle Wochen 4. öffentliche Aktionen erheischt. Ich mag nicht aufdenken, bin
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aber doch ruhig, u. kann’s nicht begreifen, daß ich’s bin.
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Hier einige Kleinigkeiten, die ich eben an der Hand hatte. Ich hab’ in
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Gottes Namen nicht Zeit, mehr zusammen zusuchen. Verzeihe doch.
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Ich schreibe dieß in der Karwoche, wo ich 8. mal predigen, u. 6. Predigten
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ganz schreiben muß. Noch Eins. Unser liebe Pfenninger ist an meiner Statt
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Pfarrer am Waysenhaus geworden. Und nun noch Eins. Der Mordgeist unsers
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Nachtmalvergifters hat sich durch eine neue an die Waisenhaus-Kirche
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angestekte Pasquill wider mich – gereget. Wenn doch der Bösewicht, diese Schande
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der Menschheit, noch 10. Pasquillen wider mich machte – um endlich entdekt
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zuwerden!
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Lebe wol u. liebe mich, guter Hamann, u. sey meiner vor dem Herrn
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eingedenk.
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Dienstags um 3. Uhr
J. C. L.
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abends.
Provenienz
Eine Abschrift vmtl. von einem Sekretär Johann Caspar Lavaters; aufbewahrt in: Zürich, Zentralbibliothek, Signatur FA Lav Ms 563.59. Original verschollen. Letzter Aufbewahrungsort unbekannt.
Bisherige Drucke
Heinrich Funck: Briefwechsel zwischen Hamann und Lavater. In: Altpreußische Monatsschrift 31 (1894), 106–110.
ZH IV 8–10, Nr. 524.
Zusätze fremder Hand
8/9 |
Johann Caspar Lavater |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Kaufmanns ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Kaufmanns |
8/19 |
) |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ) |
8/33 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
9/32 |
März. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: März |
10/8 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
10/15 |
557. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: 557 |