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Königsberg
Dom II. p. Epiph.
oder
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am Geburtstage der preussischen Krone, 1778.
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Innigstgeliebter Freund Lavater, Sie beten um Muth, nicht unter der Last
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der Geschäfte zu sinken – und mir vergeht aller Muth, unter der Last
langer
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Weile
. Gleichwohl dient selbige mir zum Schlüssel der heiligen Laune im
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Predigerbuche; mehr Ahndung als Nachwehen.
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Es ist ungefähr ein Jahr, daß ich den einzigen Dienst im Lande, den ich
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mir gewünscht, und auf eine sehr eindrückliche und recht ausgesuchte Art,
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erhalten; aber seitdem bin ich von dem Genusse meines Glücks mehr als
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jemals entfernt gewesen. So ging es den Juden, die Josua zur Ruhe brachte,
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ohne zu wissen,
daß noch eine Ruhe vorhanden ist dem Volke Gottes
.
S. 4
Ich begreife selbst nicht, wie meine Gesundheit bey der sitzenden Lebensart,
2
bey
dem starken Appetit zu essen und zu trinken und zu schlafen, bestehen kann.
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Bey aller dieser Unthätigkeit eines sehr sympathetischen Zuschauers thun mir
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manchen Abend die Knochen so wehe, als irgend einem Ihrer olympischen
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Kämpfer oder unserer circensischen Klopffechter, daß ich manchmal kaum die
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Nachtwächter-Stunde abwarten kann, sondern mich mit vollem Halse in die
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Federn werfe mit einem: O wie gut wird sich’s nach der Arbeit ruhn! wie
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wohl wird’s thun!
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Auch mir ist es bald wie ein Traum, bald ein Geheimniß oder
trait de
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génie,
wodurch ich Ihnen, liebster Lavater,
so offenbar
geworden – und so
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tief verborgen meinen
συμψύχοις
bleibe.
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Ihre
Beylage
oder Denkmal hat mich
stätig
gemacht, weil der
Sporn
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eben so stark als das
Gebiß
gewirkt;
Sporn
, Ihre gute Meynung oder
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Ahndung von mir zu erfüllen;
Furcht
, als ein Sünder gerichtet zu werden,
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gesetzt auch, daß die Wahrheit Gottes dadurch herrlicher würde zu seinem Preise.
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Mir Ignoranten ist, nächst dem Prediger des alten Bundes, der
weiseste
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Schriftsteller und dunkelste Prophet
, der Executor des neuen Testaments,
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Pontius Pilatus. Ihm war
vox populi vox Dei,
ohne sich an die Träume
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seiner Gemahlin zu kehren. Sein güldenes:
Quod scripsi, scripsi
ist das
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Mysterium magnum
meiner epigrammatischen Autorschaft: was ich geschrieben
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habe, das decke zu; was ich noch schreiben soll, regiere du!
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Auf unsern lieben Moses Mephiboseth zu kommen, so ist sein Besuch die
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einzige Freude dieses letzten Sommers für mich gewesen. Ich hatte mir ein
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Gesetz gemacht, ihn alle Tage zu besuchen, und habe mehr als
eine
süße
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Stunde mit ihm zugebracht; auch seine philosophischen Schriften bin ich
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während seines Hierseyns durchgegangen, und mit erneuertem Vergnügen Ihren
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beiderseitigen platonischen Briefwechsel. Es war meiner Neugierde daran
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gelegen, seine Denkungsart gegen Sie auszuholen. Er lobte mir sehr, daß Sie
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sich um ihn durch Ihre Vermittlung für seine Brüderschaft in Ihrer Heimat
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verdient gemacht hätten, vermuthete aber, daß ein leichtsinniger
Einfall
,
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womit er ein gewißes
Gerücht
beantwortet hätte, und der Ihnen vielleicht wieder
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hinterbracht worden, Sie kaltsinnig gemacht haben möchte.
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Da Ihnen meine Bestrafungen nicht unangenehm sind, liebster Lavater, so
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hat der Erfolg gezeigt, daß ein Mann, der Mosen und die Propheten hatte,
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Ihrem Bonnet überlegen seyn mußte; und es war daher ziemlich abzusehen,
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daß Sie aus dem ganzen Handel
nicht so rein abkommen konnten
, als Ihr
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Widersacher.
S. 5
Aber hievon ist nicht die Rede mehr; sondern nur davon, daß dieser Mann
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wirklich ein Salz und Licht unter seinem Geschlecht ist, und all sein Verdienst
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und Würdigkeit verloren haben würde, wenn er
unser einer
geworden wäre
4
wie Adam.
5
Ihr
Durst
ist heute abermals mein Frühstück gewesen.
Erfahrungen
,
6
wie
Einsichten
, sind neue
Prüfungen
, geben zu neuen
Zweifeln Anlaß
.
7
Unsere
Passibilität
steht immer im Verhältniß mit unserer
Actibilität
8
nach der neuesten Theorie über den Menschen –
Εμαθεν ἀφ’ ὧν
ἔμαθε
, Hebr.
V.
9
4
. gehört zur Nachfolge, die Kinder von Bastarden unterscheidet. Wenn dem
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Satan daran gelegen ist, unsern Glauben zu sichten, wie den Weizen, so ist es
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unseres Hohenpriesters Sache, für uns zu bitten, und durch unsere
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Vollendung die
Brüder
zu stärken.
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Der Unglaub’ ist nur nicht zufrieden,
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Der Eigenwill’ sieht sauer aus,
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Gott halte, wie er wolle, Haus –
16
„Bis zur Lästerung, Bedürfniß –
Etwas
, das alle
Zweifelwelten
aufwiegt.“
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Iß dein Brod mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Muth, denn dein
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Werk gefällt Gott. Brauche des Lebens mit deinem Weibe, das du lieb hast,
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so lange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat,
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so lange dein eitel Leben währt.
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Alle Ihre
Zweifelwelten
sind eben so vergängliche Phänomene, wie
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unser System von Himmel und Erde, alle leidige Copir- und Rechnungs-
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Maschinen mit eingeschlossen.
Sein Wort
währt. Sie haben Recht, liebster
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Lavater, es für ein
festes,
prophetisches
Wort zu bekennen, und thun wohl
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daran, auf dieses scheinende Licht in der Dunkelheit zu achten, bis der Tag
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anbreche. Eher ist an keine Gewißheit oder Autopsie zu denken; und Gewißheit
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hebt den Glauben, wie Gesetz Gnade auf.
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Sie
wissen
, was die
Erfahrung
, nach der Sie schmachten,
hindert
. Haben
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Sie das Herz oder Vertrauen, mir mitzutheilen, was Sie wissen. Gesetzt, daß
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diese Hindernisse wirkliche Berge währen, so halte ich diese Berge für den
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rechten Ort
des wunderthätigen Glaubens, den jeder an sich selbst zu
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erfahren im Stande ist. Denn das Himmelreich, gleich Ihrem
innern
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Menschen
, verabscheut alles, was
Aufsehen
macht, was nicht
hilft
; ist nichts als
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Geist und Wahrheit
–
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Was Moses am brennenden Busche sah, der brannte ohne zu verbrennen,
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das ist für uns das
Judenthum
und
Christenthum
, und der Stifter beider
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ist nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen.
S. 6
Wenn Sie in Ihrem Glauben
gegründet
worden, warum sollte es Ihnen
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leid thun,
geredet
oder
geschrieben
zu haben? Wird die Welt mich gleich
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vernichten, will mich auch selbst Zion richten, – singen alle unsere Glaubensbrüder.
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Ihnen von Grund meiner Seele zu sagen, ist mein ganzes Christenthum,
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(ich mag zu den fetten oder magern Kühen Pharaons gehören) ein Geschmack
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an
Zeichen
, und an den Elementen des Wassers, des Brods, des Weins.
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Hier ist Fülle für Hunger und Durst – eine Fülle, die nicht bloß, wie das
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Gesetz, einen Schatten der
zukünftigen
Güter hat, sondern
αὐτὴν τὴν εἰκόνα
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τῶν πραγμάτων,
in so fern selbige, durch einen Spiegel im Räthsel dargestellt,
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gegenwärtig und anschaulich gemacht werden können; denn das
τέλειον
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liegt jenseits. Unsere Ein- und Aussichten hier sind Fragmente, Trümmer,
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Stück- und Flickwerk –
τότε δὲ πρόσωπον προς
πρότωπον
, τότε δὲ
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ἐπιγνώσομαι καθὼς καὶ ἐπεγνώσθην
.
14
Sehen Sie meine Luftstreiche, die ich thue, für ein Selbstgespräch an.
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Ungeachtet ich aus Haß und Liebe zusammengesetzt bin, sind doch Freunde und
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Feinde in meinen Augen nichts als
ein
Kuchen; denn kein Mensch kennt
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weder die Liebe noch den Haß irgend eines, den er vor sich hat.
18
Verzeihen Sie es mir, liebster Lavater, wenn es mir vorkommt, daß Sie
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Ihren Freunden sowohl als Feinden zu viel Ehre erweisen, und dadurch gegen
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sich selbst ungerecht werden. Selbsterkenntniß und Selbstliebe ist das wahre
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Maß unserer Menschenkenntniß und Menschenliebe. Aber Gott ist größer denn
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unser Herz, und erkennt alle Dinge, auch die Gedanken, die sich unter einander
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verklagen oder entschuldigen.
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Was Sie in
Tauben-Einfalt
gethan, sey immer Schlangenlist für ihren
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Samen – wir sind Gott ein guter Geruch Christi; ein Geruch des Todes zum
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Tode, und ein Geruch des Lebens zum Leben. Er ist nicht
ungerecht
, daß er
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vergesse unseres Werks und Arbeit der Liebe für seinen Namen, und den
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Dienst der Heiligen. Dieser sichere und feste Anker unserer Seele geht hinein
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in das Inwendige des Vorhangs.
30
Ihr Wink vom Inhalte des
Fingerzeiges
ist genug für mich, um alles
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anzuwenden, daß ich ein Exemplar auftreibe. Bücherglück hat mir selten
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gefehlt.
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Meinem Gevatter Herder habe ich, unter vielen, auch die Empfehlung
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Ihrer ersten Autorschaft zu verdanken. Die beiden ersten Theile Ihrer
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Aussichten
las ich gleich bey der ersten Erscheinung. Die neueste Ausgabe und der
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dritte Theil ist mir nie meines Wissens vor Augen gekommen, und ich warte
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gern das Ende des Werks ab, weil ich gern das Ganze übersehen mag. So ein
S. 7
großer Bücherwurm ich auch bin, so hängt doch meine Lesesucht von Umständen
2
ab, und seit langer Zeit genieße ich einen Schriftsteller bloß, so lange ich das
3
Buch in der Hand habe. Sobald ich es zumache, fließt alles in meiner Seele
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zusammen, als wenn mein Gedächtnis Löschpapier wäre. Ungeachtet ich von
5
Jugend auf nicht habe Wörter behalten können, so habe ich mich doch ziemlich
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spät auf todte Sprachen gelegt, und ließ mich dünken, den Jordan mit meinem
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Munde auszuschöpfen. Ein Collectaneen-Mann bin ich auch nicht. Ich liebe
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mir die Titel von Büchern, die ich gelesen habe, oder noch zu lesen wünsche,
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aufzuschreiben, und mehrentheils auf verlornen Blättern. Was Montagne
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als ein
vir beatae memoriae
von sich selbst sagt, ist in meinen Augen kein
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Widerspruch, sondern beynahe mein eigener Fall. Ihre
Volkslieder
habe ich
12
auch gelesen, auch manche Ihrer
vermischten Aufsätze
. Ihr
Hirtenbrief
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an Freunde, nebst Pfenningers Apologie hat mir innig gefallen, und ersterer
14
ganz. Von Ihren Predigten noch keine Sylbe, so lüstern ich selbst durch die
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Recensionen Ihrer Widersacher darnach geworden bin. Ich warte bloß auf
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das Ende über meinen Leib-Propheten Jonas. Weder Ihr
Drama
noch die
17
Parodie
desselben habe ich zu sehen bekommen können, ungeachtet ich
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jedermann seit einem Vierteljahre und länger darum gegeilt habe.
19
Wenn Sie mich also, liebster Lavater, mit einer Autorgabe erfreuen wollen,
20
so sey es nichts Großes, nichts Edles, nichts Gesuchtes, nichts Kostbares,
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damit Sie weder meine Eifersucht als Schriftsteller, noch meine
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Unvermögenheit, erkenntlich zu seyn, oder, deutscher zu reden, meinen Bettlerstolz
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beunruhigen. Ich freue mich auf den letzten Theil Ihrer Physiognomik. Jeder
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Band ist ein Fest für mich gewesen, und der 14te Julius 1776 einer der
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merkwürdigsten meines Lebens, weil ich mich den Tag vorher für einen
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verlornen
Menschen hielt, der keines gesunden Begriffes mehr fähig wäre – ein
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Wurm und kein Mensch.
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Stilling’s Jugend habe ich zum zweitenmale gelesen, mit mehr Rührung
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als das erste mal; ich sehe aber, daß es wenigen schmeckt; zum Glück sind diese
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wenigen meine Allerliebsten hier; für mich ist er ein
Ecce homo!
Die Welt
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mag sich ärgern und bersten und platzen! Bey aller Ihrer
Angst
seyen Sie
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getrost, liebster Lavater! Wie der ehrliche Mohr Ebedmelech unter den alten
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Lumpen wühlte, hätte ich meine Hausbibel zerreißen mögen, um Ihnen ein
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Seil des Trostes zuzuwerfen.
35
Gott, der einen Backenzahn in jenem Eselskinnbacken spaltete, daß Wasser
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herausging für den
Durst
seines Verlobten, wird alle unsere Bedürfnisse
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(Genes.
XXI.
19.) und Lüsternheit (2. Sam.
XXIII.
15.) stillen.
S. 8
Grüßen Sie Ihre liebe, würdige Frau und Kinder. Mehr Diät in der
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Arbeit, mehr Umgang mit Fressern und Weinsäufern – und noch ein Kuß auf
3
Mund und Stirn von Ihrem Freund und Bruder
4
J. G. Hamann.
5
Ein für allemal keine Gesetze für unseren Briefwechsel – Jeder nach seines
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Herzens Lust, und
à la fortune du pot.
Provenienz
Druck ZH nach Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 273–282. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort unbekannt.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 273–282.
ZH IV 3–8, Nr. 523.
Digitalisat
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
4/2 |
bey ]
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Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: bei |
5/7 |
Actibilität |
Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: Actibilit ät |
5/7 |
Passibilität |
Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: Passibilit ät |
5/8 |
ἔμαθε ]
|
Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: ἔπαθε |
5/9 |
4 ]
|
Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: 8 |
5/24 |
festes, |
Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: festes |
6/12 |
πρότωπον ]
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Geändert nach dem Druck bei Roth; ZH: πρόσωπον |