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Kgsbg den 
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Oct.
 777.
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HöchstzuEhrender Herr und Freund! 
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Ich hatte eben den Anfang gestern mit Ihrem Phädon (den ich bisher nicht 
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auftreiben können) auf meiner Loge gemacht, als ich vom HE Isaac David 
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mit einem Gruß von Ihnen und Ihrem guten Reisegefährten überrascht 
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wurde – und diesen Nachmittag saß ich gantz vertieft und unruhig über 
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Kleukers Salomo, als HE Seeligmann u der älteste HE 
Friedlaender
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ausdrücklich mich in meinem 
telonio
 zu beschleichen. Nichts hat einen so 
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außerordentlichen Einfluß auf mein Gemüth und ganzes Nerven System als eine 
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unerwartete Menschen Erscheinung, liebster Mendelssohn! Auch den 23 
pr.
 bin 
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ich mit einem Briefe aus Leipzig u Ihrem Andenken daselbst erfreut worden; 
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so wie den 22 
Sept.
 ich und HänschenMichel mit Ihrem 
Coheleth
 zu seinem 
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Eintritt ins neunte Jahr. Aber leider! mit unserm Studieren geht es nicht 
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von der Stelle. An kein Griechisch noch nicht zu denken, geschweige an das 
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Hebräische; aber mit Gottes Hülfe soll alles ersetzt und eingeholt werden. 
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Tetens, de Broßes von der Sprache, die Berner Beyträge, den Sethos 
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deutsch u fr. habe alle mit Vergnügen durchgelaufen; auch das vom Verf. 
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des Universums mir zugedachte Exemplar ist mir zu Händen gekommen. Aber 
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auf meinen 
Leichdorn
 zu kommen: so ist vorige Woche der Gräuel der 
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Verwüstung am Garten vollzogen worden, wie der Psalmist sagt 
LXXX.
 14. Es 
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haben ihn zerwühlet die wilden Säue und die wilden Thiere haben ihn 
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verderbt. Des Grabens und Ausreißens ist noch kein Ende – An allen diesen 
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Schätzen ist mir im Grunde ganz und gar nichts gelegen; daß ich aber als 
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königl. Freywohner
 dem Unfug so gleichgiltig zusehen muß, kostet mir 
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mehr als das Lumpengeld, das man mir hat erpreßen wollen. „Wolan ich 
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will meinem Lieben ein Lied meines Vettern singen von seinem Weinberg – 
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Salomo hat einen Weinberg zu Baalhamon“ – zu so einem rabbinischen 
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Liedchen wünscht ich mir eben die Ruhe, die Ihr Sokrates im 
Gefängnis
 zu 
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seinem äsopischen Fabelchen und Päan hatte. Einen solchen Feyerabend 
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meines Lebens habe ich mir lange gewünscht – unterdeßen Sie, liebster bester 
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Moses Mephiboseth! wie des lieben Gottes 
Fiscal
 im Buch Hiob, nach 
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Norden und Westen ziehen. 
Provenienz
 Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 62. 
Bisherige Drucke
 Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 252 f.
 ZH III 374 f., Nr. 511.