491a
326/31
Darmstadt
den 15
May
Aprill
777.

32
Heute halten wir
Auction
und morgen fahren
wir von hier
nach
Wandsbeck.
/
Den 16.

33
May
Aprill
Die
auction
hat 50 fl.
rendirt.
Wir fahren aber morgen noch nicht.

34
Ihre Gevatterin ist unpäßlich
worden
.

S. 327
Den 21.
Heute um 1 Uhr sind wir abgefahren, ich saß rechter Hand in der

2
Kutsche, Rebecca linker Hand, ihr
gegen
Sie
über
eine Magd aus Schweden, die wir

3
von Wandsbeck mit nach Darmstadt gebracht hatten, mit Ihrer
Gevatterin,
und
gegen

4
mir gegen über
Carolina,
und alle
Nachbaren
und
Gefreundten
kuckten aus den

5
Fenstern und
bedaurten sehr,
daß sie die Ehre nicht länger haben könnten, den Herrn

6
Oberlandcommissarius
bey
sich zu haben. Wir bleiben heut Nacht in
Franckfurth

7
im
rohten
Hause, welches das größte und schönste und bequemste
Wirthshaus

8
in ganz
Europia
ist, es hat 96 Zimmer, großen geräumigen Platz
u.
Garten

9
und ist sehr wohlfeil darin.
/
Den 22.
Heute bleiben wir in Giessen.
HE

10
Professor
Cartheuser
besucht,
und
bey
HE
Professor
Höpfner
zu Abend
geßen
.

11
Die Frau Professorin ist artig.

12
23.
Die Gegend von
Giessen
nach Marburg ist gar schön. Diese Nacht wird

13
durchgefahren, ist heller Mondschein.

14
24.
Morgens 9
Uhr hier
in
Cassel. Wird
gleich nach Winterkasten hinausgekutscht,

15
den Garten, die mächtigen Cascaden am Abhang und den ungeheuren
Hercules

16
oben auf der Spitze des Berges in Augenschein zu nehmen. Lieb Weibel konnte

17
nicht so viele hundert Treppen den Berg hinansteigen, sind als
beym
höllischen

18
Gericht
eine
Grötte
mit mythologischen Figuren und gelblichen
Glasthüren

19
die einen sonderbaren
Effeckt
nach innen und außen machen, wieder umgekehrt.

20
25.
adieu
Cassel
bons
dies
Hannöverisch Minden und die
schöne schöne schöne

21
Gegend
umher. abends
in Göttingen. Hier einen Tag übergelegen, einen

22
Professor und viele Studenten gesehen und gesprochen.

23
27.
in
Eimbeck
geschlafen und Eiermilch und
Schmorlinge
gegessen
bey
einer

24
corpulenten
Wirthsfrau
die ihr Pfeifgen Toback rauchte.

25
d.
28
in
Hannover. Wieder
einen Tag übergelegen,
HE
Zimmermann,

26
Boie, Wehrs
gesehen,
bey
dem Herr
v.
Döhring
gegessen
der eine sehr

27
liebenswürdige Frau hat.

28
NB
immer viel mit Wagenmeister und Postillon
gezankt
, die samt und

29
sonders
ungesittete
Gesellen
und
Kerle
sind.

30
30.
in Zelle geschlafen und über die Heide
nachgedacht
die hinter und vor uns

31
war.

32
d.
1 May
in Lüneburg in ein elendes
Wirthshaus
gerathen
und vom Herrn

33
Wagenmeister
der zu vornehm
war
selbst zu
schmieren
um 4 gr. betrogen

34
worden.
/
den 3ten
(wo der eine Tag hingekommen
ist
weiß ich nicht) auf
dem

35
Hoop an der Elbe angekommen und die Nacht herrlich
geschlafen. Des
Morgens

36
um 4 Uhr an
die
Elbe
promenirt,
Hamburg angesehen und gefrohlockt.

37
d. 4.
gegen
1 Uhr Mittags
über die Elbe
gangen,
und nach einer lustigen

S. 328
Fahrt durch
die schönen 4
Lande,
um 5 Uhr den
lang
Thurm
in Wandsbeck zu
Gesicht und

2
um 6 mit Leib und Seel und Kutsch und Pferden glücklich in Wandsbeck

3
angekommen, zum Erstaunen aller Einwohner, die den Herrn

4
Oberlandcommissarius
mit dem Schnapsack
aufm
Rücken erwarteten, weil er sich in

5
Darmstadt so schlecht
aufgeführt
daß er nicht bleiben können. Und nun, Gott
sey

6
herzlich Dank, daß wir hier sind!!!

7
Wandsbeck
.
d.
5.–30 May
im
Walde
promenirt
, Bett und Tisch und Stuhl

8
und Teller und Salz gekauft und Stuben ausgekehrt und Garten umgekehrt

9
et cet.

10
Wir haben daßelbe kleine
Häußgen
wieder, aus dem wir den
30
Martis
1776

11
nach Darmstadt ausgezogen sind.
ich wollts
am liebsten haben und es traf

12
denn so
daß es gerade feil war.

13
Den
1.
Juny
e
völlig
eingerichtet bis auf Vorhänge und eine Bettstelle, darin

14
Freund Hamann schlafen soll, wenn er, wills Gott, sein
Magazin
so lange verlaßen

15
wird.
/
Nachmittags um 3 Uhr einen
unvermutheten
Besuch von meiner Mutter

16
erhalten, die sich über die gute
Einrichthung
des Herrn Sohns und seinen Tisch

17
und Stuhl und Teller und Salz nicht genug wundern
konnte
.
,
und ihm 20
Rth.

18
brachte.

19
Den
3ten morgends
brachten ich und Rebecca die Mutter wieder zu Wagen und fuhren

20
1½ Meilen mit
ihr. pipten
und stöhnten brav auf der Rückreise und den ganzen Tag

21
und die ganze Nacht und den folgenden
Morgen um 2 Uhr
       
und
um 3½ wars Kind da, das

22
ein Junge
seyn
sollte
aber ein Mädchen ist, wenigstens
menschlichem Ansehen

23
nach.

24
5
ten
nach Hamburg gegangen und alle Menschen, die mir begegneten

25
zu Gevatter gebeten, auch Wein und Aepfel gekauft.

26
Den
6ten
Tauftag.
Nach
vielem
Streiten und
Debattiren
waren endlich die

27
Gevattern, Frau
Doctorin Mumsen,
Frau
Capitain v. Schönemarck,
und Herr

28
Licentiat Bokelmann,
und wir andern standen umher als ein
Corps
de reserve.

29
Nach dem
Acte
ward
Coffée
und Toback gegeben und im Garten geraucht und

30
getrunken. weiter
kam
Confekt
1
#
,
rouen
sche
Aepfel 1
Duzend
, Rheinwein

31
4 Bouteillen, und ward fleißig
umpresentirt
und
getrunken,
und lieb Weibel

32
lachte aus dem Bette drein wie ein Engel.

33
Den
7–16
sollte immer nach Königsberg geschrieben werden und ward

34
nicht geschrieben. Das Befinden mit Mutter und Mädchen übrigens ungemein

35
wohl.
/
Den
17
ward endlich geschrieben, es ist aber so warm, daß mir der Schweiß

36
wie
Thautropfen
auf der Nase steht.

37
Der
Capèllmeister
Reichard ist seit 14 Tagen in Hamburg und bleibt noch

38
14
da. Seine Frau ist sehr schwächlich und mit Krampf und Gicht beladen

39
und daher etwas pipig, sonst aber ein sehr natürliches gutes Ding, das auch

S. 329
brav singen kann.
von
Kaufmann
weis
ich nichts weiter, als daß er
2
mahl
nach

2
Darmstadt
kam,
und allerhand närrisch Zeug
that
und
sagte,
und dann wieder

3
von Darmstadt
abgieng,
und zwar
einmahl
zu
Pferde
wie er gekommen war,

4
und das
andermahl
in einer
Kutsche
die ihm der Herzog von
Weimar
geschenkt

5
hatte.
/
Sie wollten mir noch
Collecteurs
nennen, warum
thun
Sie’s
dann nicht.

6
Ihre
Gevatterin Pathe
, die in Darmstadt sterben wollte, ist
itzo
gar frisch und

7
freundlich, läßt Sie grüßen; so wie ihre Mutter und ihr Vater auch
tausendmahl thun
.

8
Grüßts Pätchen.

9
Matthias Claudius


10
Friederica, Petrina.
Denkt,
um des Himmels willen,

11
die eine Frau Gevatterin hieß
Prina,
was war zu machen.
Prina
konnte mein

12
Kind doch nicht getauft werden.
Wir
dachten also
in corpore
dem Dinge
nach,

13
und
Doctor Mumsen,
sonst auch
oncle Toby
genannt, brachte endlich heraus,

14
daß
Prina
contract
und
corrupt
sey
und eigentlich
Petrina
heißen
sollte,
und so

15
kam
ich
endl
aus
der
Noht
und mein Kind auch.

16
Hinz
hat 4
Ducaten
ans
IntelligenzComtoir
von
Ihrentwegen
bezahlt,
und

17
das
Intelligenzcomtoir
hat sie an das
Adreßcomtois
in Hamburg
tracirt

18
und so sind sie richtig an mich gekommen. Dank dafür, weil Ihrs nicht anders

19
wollt.
/
Herder
hat die Gelbsucht gehabt, ist aber wieder hergestellt.
/
Ihr habt

20
wohl
recht
, daß es beßer
sey
,
bey
gesunden Tagen an die Frau zu
denken,
als

21
auf dem
Todtbette
, aber der Vorwurf trifft mich nicht, Freund Hamann, es ist

22
meine Schuld
nicht gar
, daß ich sie noch in keine
Witwencaße
eingekauft habe,

23
sonst wäre ich
nicht gar
ungeneigt dazu.
/
Schönborn,
den Ihr vielleicht kennt,

24
wenigstens kennen
müßet
denn er ist ein fester Kerl, geht von
Algier,
wo er

25
bisher
Dänischer
Consulatssecretair
gewesen ist, als
Legationssecretair
nach

26
London,
und wird
vermuhtlich
über Wandsbeck
gehen.

27
Rebecca grüßt Euch noch
einmahl
. Sie sitzt schon wieder neben mir.
/
Sagt

28
Kaufmann
doch, wenn er zurückkommt, daß er auch über Wandsbeck gehe

29
u.
kommt
mit ihm.

Provenienz

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, NMC : 9 : 4.

Bisherige Drucke

Hans Jessen (Hg.): Matthias Claudius, Briefe, 2 Bde, I: Briefe an Freunde, Berlin 1938, 223–227.

ZH III 326–329, Nr. 491a.