484
298/29
Kgsberg den 10 März 777.
30
Herzlich geliebtester Gevatter und Freund!
31
Meine
Quartan-Quarantaine
hat 15 runde Wochen vom 4
Sept
bis
32
18
Xbre
gewährt, wo ich den ersten Versuch machte auf die
Direction
zu
33
gehen. Meine Hausmutter hat sich länger und ärger damit gequält und gestern
34
Dom. Laetare
ist das Fieber zum ersten mal ausgeblieben.
S. 299
Den 29
Nov.
erhielt den Julius des t. M. und laß Ihren Hutten mit so
2
viel Begeisterung, daß ich noch denselben Abend an meine Freundin nach
3
Morungen schrieb, und um Einschluß an Ihren HE Bruder erinnerte; den
4
Tag drauf konnte ihn nicht mehr mit demselben Geschmack lesen. Den letzten
5
Tag des vorigen Jahrs erhielt ich endlich den lieben
Joseph Gedeon
, den
6
Sie doch unmögl. verleugnen können.
7
Den 1 Jänner starb Licent Rath Blom, der Batavier, ohne daß ich das
8
geringste von seiner Krankheit gewußt hatte. Sein Dienst war der einzige, den
9
ich mir immer
in petto
gewünscht hatte, der einzige wo nicht im gantzen Lande
10
doch gewiß in meiner Sphäre; aber an des blühenden Mannes Tod zu denken
11
fiel mir eben so wenig ein als selbigen zu wünschen. Ich wurde also den 2 Tag
12
im Jahr von meiner Mutter mit der Nachricht aus dem Schlaf geweckt, ohne
13
daß ich Lust hatte darüber aufzuwachen noch darauf zu
denken
achten.
14
Gleichwol hielt ich es für meine Schuldigkeit dem
Director
als meinem
15
aufgedrungenen Freunde an alles das zu erinnern was zwischen uns mehr
16
wie einmal überlegt worden war. Ich stellte ihm die moralische Unmöglichkeit
17
vor mich selbst zu dem Posten zu melden, da er wüste wie ich es leider mit der
18
Adm.
verdorben hätte; daß ich den Posten selbst nicht kennte, ob ich dazu
19
brauchbar wäre, ohngeachtet mir alle Welt versichert hätte, daß es der leerste
20
an Arbeit sey u diese selbst ein Kinderspiel. Daher ich
ledigl
der
Dir.
es
21
überlaßen müste, ob selbige einen Schritt für mich thun könnte u wollte –
22
Die
Direction
erklärte sich bereits einen andern vorgeschlagen zu haben. Ich
23
war auch nicht faul meine Gegenerklärung zu thun, daß ich keinen Dienst
24
verlangte
à contre coeur
meiner Obern, der
Direction
u des
Licent-Inspectors
25
als meiner ersten
Instanz
– Wenn sich diese allso für einen andern u würdigern
26
erklärt hatten: so wäre mir mager Brodt in Ruhe lieber als ein fetter Bißen
27
mit Zank und Verdruß, dem ich tägl. ausgesetzt seyn könnte. Diese Abrede
28
geschah Mittags – Nachmittags erschien der Brief in dieser Sache zur
29
Expedition,
wo mein Nebenbuler als ein würdiger
Aspirant
allen
Conduiten
30
Listen entgegen, und
Cautions
fähiger Mann vorgeschlagen
ward
; dem
31
langen
Context
aber ein
P. S.
angehängt war, welches sich aller genommenen
32
Abrede zuwider mit den Worten anfieng:
Le S
r
Hamann
sollicite
33
vivement
cette place
und allenfalls oder
eventualiter
meinen Nachfolger
34
vorschlug.
35
Das Unglück fügte es daß ich diesen Brief selbst abschreiben sollte. Der
36
Kampf darüber in meiner gantzen Seele ist leicht zu erachten aber schwer zu
37
malen. Nach 100 Empfindungen u 50 Ueberlegungen schrieb ich meine eigene
S. 300
Schaam und Schande treulich ab, gieng meiner Wege und
digeri
rte
peractos
2
labores.
3
Den Tag vorher hatte ich ein sehr freundschaftl. Schreiben von unserm
4
Landsmann dem Kapell Meister
Reichard
erhalten, dem ich in
Penzels
5
Angelegenheit, für den
Bernouilli
einen abermaligen
vergebl
Schritt
in pleno
6
corpore
gethan kurz zuvor geschrieben hatte, weil er mir eine Antwort vor
7
einem halben Jahr beym ersten Versuch schuldig geblieben war und ihn wegen
8
dieser Schuld nachdrücklich gemahnt hatte – Dieser gantze von neuen
entami
rte
9
Briefwechsel war ein sehr weit aussehender Entwurf auf die Zukunft;
Penzel
10
eine
causa occasionalis
– So viel Vergnügen auch mir diese
promte
11
Verbeßerung des ersten Stillschweigens machte, hatte ich doch wenig Lust gleich
12
darauf zu antworten sondern wollte erst die Erfüllung des Worts erwarten,
13
weil es auf nichts als
authentique
Nachrichten des gantzen Vorfalls ankam,
14
um einen beßern
Operationsplan
zu machen. Meine eigene Bedürfnis brachte
15
mich auf den Entschluß den Neujahrsbrief sogl. zu beantworten, ihm meine
16
Lage in Ansehung der
Gen. Adm.
anzuvertrauen, das
sollicite vivement
zu
17
erklären, wenn er zufällig Anlaß dazu fände u ihm zugl. den Todesfall zu
18
melden, da er ein
vertrauter
Freund der Familie hier gewesen ist.
19
Dies war also auf Gerathe wol von mir gethan und bloß als
Mittel
20
meinen Mann zu
sondi
ren und zum künftigen Nothanker mir zu erhalten
21
angewandt. Unterdeßen ich hier ruhig saß, nichts erwartete noch hofte, war
22
das Glück für mich thätiger.
Magnier
hatte dem
Chef
der
Adm.
seinen
23
Beförderer beym König zu stürzen gesucht, und war vielleicht längst ein Dorn
24
in den Augen seiner
Confreres
gewesen. Meine zwo Hirtenbriefe hatten eine
25
gar zu grade Beziehung auf seinen
Charact
er gehabt, daß der Erfolg die
26
Interessenten
an die Stimme des Predigers in der Wüste erinnert haben muß.
27
Dem sey wie ihm wolle so erfreute mich unser Landsmann den 15
Jan.
28
mit der Nachricht, daß den 8
ej. Mr. de Morinval, Regisseur
des ostprß.
29
Departements
eben bey ihm gewesen wäre und ihm die Versicherung gegeben
30
daß Niemand als ich den Posten bekleiden sollte; ungeachtet der
Licent
31
Inspector
für seinen Schwiegervater denselben gesucht hatte und dieser durch des
32
Capell Meisters leibl. Schwager ersetzt werden sollte.
33
Diese Nachricht schmeckte mir wie eine gebratene Himmelstaube einem faulen
34
Wünscher; machte mich aber weder sicher noch ruhig, höchstens gedultiger und
35
ergebener. In dem Tumult antwortete ich unserm Landsmann, unterdrückte
36
aber den Brief – Es waren Exempel, daß Stellen schon besetzt gewesen waren
37
von der
Adm.
und der höchste im Lande
Invaliden
und
Protegés
unmittelbar
S. 301
eingesetzt hatte. Zweitens arbeitete man dran den
Dienst zu schmälern
: Das
2
Adm
Colleg.
wollte 50 rthl vom Gehalt
reclami
ren die der Vorfahre
qua
3
Licent
rath gezogen.
Die Direction
hatte ihren
Candidat
en wegen seines
4
Vermögens empfohlen u wollte eine
Caution
einführen, zu der ich mich
nicht
5
verstehen wollte, weil es eine Neuerung bey einem
alten
Posten ist und alte
6
Posten noch einigermaaßen
privilegi
rt sind.
7
Ich setzte den 16
Jan.
zum andern mal die Feder an meinem Wohlthäter zu
8
danken und auch für die
Bedingungen
zu
interessi
ren als eben Kreutzfeld
9
mit dem
August
des T. M. an mein Fenster klopfte. Ich warf mein
10
Schreibezeug weg, gab alles auf und laß die
Antwort
eines
Ungenannten auf
die
11
Frage des kalten Jänners; habe Morgens u Abends daran gelesen und es den
12
gantzen Tag vor meinen Augen gehabt, nicht geruht biß ich den 20 den
Sept
.
13
erhielt, denselben Abend noch Lust bekommen die tollsten Grillen unter einen
14
Gesichtspunct zu bringen, 3
Dedication
en zu einem
opusculo
das vielleicht
15
kaum 3 Bogen klein
Octav
ausmachen wird, entworfen, das erste Hauptstück
16
unter dem Titel:
Nachhelf eines Vocativs
, der kein anderer als des
17
Gevatter
Claudius
Nachtwächter ist –
18
Den 24 Jänner
am
Geburtstag des Königs
kam die Nachricht an die
19
Dir.
daß die
Gen. Adm.
mich zum
Garde-Magazin,
einstweiligen
Ober
20
PackHof
Inspector
gegenwärtigen
Packhoff Verwalter
ernannt hätte. Weil
21
dies aber die erste
Vacanz
seit der
Regie
ist forderte man erst einen
Detail
22
meiner Geschäfte um die Bestallung darnach entwerfen zu können. Mein
23
Nebenbuler war der erste
Gratulant,
mein Nachfolger der zweyte und des
24
Director
s Bedienter im Namen der gantzen Familie der dritte. Ich war den
25
andern Tag gesund wenigstens hatte ich nöthig in Person zu erscheinen. Den
26
Tag vorher hatte ich mit genauer Noth folgende Zeilen an die
Gen. Adm.
aber
27
unter
Addresse
des
Regisseurs
vom
Departement
aushecken können, unter
28
Couvert
des Capell
Meisters
29
le 24 Janv. 777
30
Mrs
31
Sous les heureux auspices
d’un jour comme aujourd hui
je viens
32
d’apprendre la faveur signalée, avec laquelle Vous m’avez conferé la vacance
33
de
un
Gardemagazin à la Douane d’ici, et comme j’ai lieu de me flatter,
34
dans
les memes termes
,
dont mon antecesseur a joui. Pour donner des
35
succès à Votre choix, le comble de tous mes voeux j’employerai les derniers
36
efforts de ma vie et distinguerai l’ingenuité de ma reconnaissance et la
S. 302
probité de mon zèle par la soumission la plus respectueuse et parfaite avec
2
laquelle j’ai l’honneur &
3
Damit es dem lieben Jänner an keiner einzigen Freude fehlen sollte; so
4
wurde ich den 29
ej.
mit Antworten u Nachrichten von beyden
respectiven
5
Gevattern in W. u. D. beseeligt. Mein Becher lief über von Lachen und
6
Singen. Einlagen nach Morungen u Riga auf der Stelle besorgt.
7
Den 12
Febr.
am Aschermittwoche kam endl. meine wirkl. Bestallung an,
8
gegen den Mittag zur
Expedition
hervorgelangt; das
Admiralitäts Collegium
9
mit seinen Ansprüchen auf die 50 rthl meines Gehalts nach Recht u Klugheit
10
abgewiesen, ich von der
Caution dispensirt
und
NB
der
Direction
förmlicher
11
als gewöhnlich eingeschärft sich
bey
an allen
Clausuln,
Puncten u
12
Bedingungen genau zu halten –
13
An statt deßen wurde mir zugemuthet, weil bey meinem Posten nichts zu
14
thun wäre, noch die Arbeiten des vorigen beyzubehalten, und unter dem
15
Vorwand, daß ich mich dazu anheischig gemacht hätte – Es fielen Bitterkeiten u
16
Grobheiten u Drohungen von einem Theil vor, und entschloßene Erklärung
17
von meiner Seite. Dies war die letzte
Oelung
meines zehnjährigen
18
Galeerendienstes. Ich kam zum Eßen nach Hause und fühlte es daß ich mich geärgert
19
hatte und etwas das bereits schon in meinen Gliedern ausbrechen würde.
20
Dictum factum.
Zwey Tage drauf Sonnabends den 15
Febr.
bekam das
21
Fieber, quälte mich 8 Tage um die Uebergabe abzuwarten, aber umsonst,
22
muste mich 8 Tage drauf
nolens volens
den 22
e
j. legen und habe mich 10 Tage
23
nicht rühren können. Bin den 6
huj.
zum ersten mal mit vieler Schwachheit
24
aufgestanden, wollte heute den Versuch machen auszugehen, bin ich aber noch
25
zu ohnmächtig und nicht gnug hergestellt. Gott gebe daß ich übermorgen dazu
26
im stande seyn werde. –
27
Diesen Augenblick erhalte die ersten Zeilen von Hartknoch. Eine kleine Einl.
28
an Penzel, denkt an die meinige von Ihnen, aber an keine
Antwort
„Mit
29
seiner Gesundheit sieht es so so aus. So lange die Wunde offen ist, läßt sich
30
an keine dauerhafte Gesundheit denken.“
31
Er hat mir ein Exemplar von dem 2ten Theil der Urkunde zugeschickt, das
32
ich dem Kreutzfeld in
Ihrem Namen
geschenkt
, weil ich eins von Hintz
33
erhalten und daher den
Pendant zum ersten Theil
auf Royalpapier foderte.
34
Er schreibt mir aber daß dies nicht im Vermögen des Verlegers sondern blos
35
des Autors stünde. Wenigstens ist Kreutzfeld
nach Ihrer Absicht
befriedigt,
36
und
wenn ich
es
werden
kann
, würde es mir auch lieb seyn.
37
Da haben Sie eine lange
Relation
meines Zeit- und Glückwechsels, wünschte
S. 303
daß selbige Ihnen so angenehm wäre, als mir die Ihrige gewesen, nach der ich
2
lange gnug geschmachtet. Das
Recidiv
vom Gallen-Flußfieber ist ein neuer
3
DEVS ex machina,
der mich sehr beunruhigt u schwermüthig gemacht – Die
4
Uebergabe ist noch nicht geschehen. Meinen Mann kenne ich gegenwärtig zu
5
genau als daß ich jemals sein Freund werden noch ihn für meinen halten
6
sollte; aber ärgern wird er mich, so Gott will, nicht mehr können und
die
7
Ehre werd ich ihm nicht mehr anthun. Der
Licent Inspector
wird mir eben
8
so wenig vergeben können, daß ich ihm die Nachbarschaft
p
seiner
9
Schwiegereltern entzogen, ohnedem ist mein Dienst
ein
kleiner Ast des seinigen u beyde
10
vorher vereinigt und durch Nebengefälle äußerst einträglich gewesen.
11
Mein Gehalt ist mit dem vorigen Posten daßelbe = 300 rthl; aber freye
12
Wohnung und Garten die Hauptsache. Wenigstens wird mein Antheil an
13
den sogenannten
Licent Voye
-geldern über 100 rthl seyn, und damit denk ich
14
zufrieden und
glücklich
gewesen
zu seyn, wenn der Neid des Satans nicht die köstl.
15
Salbe der Zufriedenheit verdirbt, und die
Otia
meiner Lage
verhuntzt.
16
Den 11 März Vormittags 10–11 Uhr
17
Eben jetzt ist meine jüngste Tochter des
Claudius
Pathin am linken Arm
18
inoculi
rt worden. Gott gebe Seegen und Gedeyen! Die Zubereitung hat wider
19
Absicht über 14 Tage gewährt, weil sich Würmer und Schnuppen eingestellt
20
haben und noch währen. Es ist immer ein Vortheil, diese Arbeit an der Mutter
21
Brust zu übernehmen.
22
Ich denke
täglich
an meinen lieben kleinen Pathen und das Paarchen, das
23
mir Gott gegeben hat. Gott laße uns unsern Geburtstag sämtlich mit mehr
24
Seelenruhe und Hertzensfreude feyern, als voriges Jahr wo es ein wahrer
25
Monat des Kummers und Grams und Wirrwarrs für mich gewesen und
26
wahrscheinlich auch für Sie. Schonen u sparen Sie Ihre Geisteskräfte u
27
wachen über Ihre Gesundheit
obstando principiis
.
28
Ihrer lieben Gemalin meiner verehrungswürdigen Frau Gevatterin werde
29
ich wohl nicht eher als aus der Laube meines Gartens mein Hertz ausschütten
30
können. Gott seegne Ihre Probstey und bevölkere Selbige wie die Gezelte der
31
Erzväter. „
Dein Weib
wird seyn wie ein fruchtbarer Weinstock um Dein Haus
32
herum,
Deine Kinder
wie die Oelzweige um Deinen Tisch her! Siehe also
33
wird geseegnet der Mann, der den HErrn fürchtet. Der HErr wird Dich
34
seegnen aus Zion, daß Du sehest das Glück Jerusalem
s
Dein Leben lang, und
35
sehest Deiner Kinder Kinder Friede über Israel.
ψ
CXXVIII.
“
36
Es ist heute mein schlimmer Tag; ich lebe aber der guten Hofnung, daß
S. 304
meine
Quartane
ausbleiben wird zum 11
ten
mal wie sich der vorige Sonntag
2
Laetare
um meine arme Hausmutter verdient u merkwürdig gemacht. Dieser
3
DEvs ex machina
hat mir den Wink gegeben
piano
zu gehen, wozu sich der
4
alte Schleicher noch nicht gewöhnen kann. Die Uebergabe des
Depots
ist noch
5
nicht an mich geschehen und ich soll meinen Dienst so lau als mögl. anfangen,
6
ohngeachtet aller meiner
Praedilection
für denselben, und der Gährung aller
7
meiner Säfte durch den 10jährigen Galeerendienst.
8
Mit der
Adm.
bin ich nun völlig ausgesöhnt; sie hat mir Erstattung
9
gethan und wird ihr Wort wie ich hoffe, halten. Ich verlange nichts mehr als
10
die Erfüllung
,
in den Gränzen meines
alten verjährten
Postens erhalten zu
11
werden. Dies soll der letzte Hafen meines Lebens seyn und meine letzte
12
zeitliche Bestimmung. Mein Geschmack an Unschuld und Mittelmäßigkeit wird
13
zunehmen und an kluger Wirthschaft und an Gründlichkeit des Genußes
14
ohne Eitelkeit und Geitz.
Keine Schulden
; aber ein guter Name und
15
tüchtige Erziehung werden meinen Kindern gnug seyn und beßer thun als
16
Capitalien
–
17
Bey aller Verlegenheit und Furcht auszukommen, hat Gott mir Gnade
18
gegeben, ich weiß nicht wie, auszukommen und das güldene Unterpfand liegt
19
noch in seinem Netze – ist 3mal in Gefahr gewesen gantz oder halb für Freunde
20
aufgeopfert zu werden, aber bis auf den heutigen Tag verschont geblieben. –
21
Werde zu seiner Zeit mehr melden.
22
Ich hange jetzt mit 2 Häusern, meinem eignen u einem durch den
Concours
23
meinem unmündigem Bruder zugefallnen Hause, das mir 100 Verdruß
24
gekostet
Ungeachtet mir ersters über 6000 fl. kostet: so darf ich kaum erwarten
25
4500 fl. zu bekommen, in welchem Fall ich mit allem
ins reine kommen
26
und von
vorn anfangen
würde, aber in einer beßern Lage als beym ersten
27
Anfange und mit mehr Erfahrung
u
Vorsicht.
28
Kreutzfeld hat schon Verdruß mit der Regierung wegen seines ersten
29
Gedichts gehabt, worinn er von Friedr Wilhelm sagt: Der nie zur Rettung
30
langsam, nie zur Rache träge
31
Sarmatien und Suecien
betrog
. Das letzte Wort soll zu hart gewesen seyn.
32
Er hat in der letzten Woche des Febr. seine beyden
Disputationes pro gradu
33
et loco de fictionum principiis generalioribus
aber nichts zur Sache meines
34
Erachtens und eben so wenig nach meinem Sinn gesagt.
Kra
use unter ihm
35
beyde mal
respondir
t. Dieser wird vielleicht Magister
ziehen
werden und
36
den ersten Sommer in mein Haus ziehen, zu unserer beyder Frommen oder –
37
Er soll mir
Silhouetten
von allen Gelegenheiten meiner
königl
Hütte, von
S. 305
allen Bäumen des Gartens und allen Menschengesichtern innerhalb seiner
2
4 Pfäle machen.
3
Nun liebster Gevatter und Freund Herder! Halten Sie es auch mit Ihrem
4
General-Superintendent
en wie ich mit meinem
Packhoff Verwalter
. Gehen
5
Sie fein
piano
zu Werk und schonen Sie Ihre Kräfte und den Widerstand
6
Ihrer Sphäre mit
oeconomi
scher Selbstgnügsamkeit. Das beste Wirken ist
7
Leiden und ein gedultiger ist beßer dann ein starker.
8
Ob Ihr Urtheil in Ansehung des W. richtig ist weis der Himmel; aber
9
heilsam für beide. Ist Göthe gantz todt für den T. M. und Parnaß? Was macht
10
der
Fant
St. Veit mit meinem Bilde? Hat ihm der Layenbruder seinen
11
Magum verkauft oder abgetreten?
12
Starkens Stelle soll durch Rambach ersetzt werden? Ersterer geht diese
13
Woche nach Curl. ab und die ganze schöne Welt mit seiner Abschiedspredigt
14
gerührt. Er hat sich gerühmt daß er eben wo er sein Jawort dem Herzog
15
gegeben einen Ruff nach Weimar erhalten hätte. Ist das wahr oder Wind?
16
Näheren Gerüchten zufolge soll er sich an Ihren Hof
addressirt
haben.
17
(Noch eins liebster Herder! mit meinem französischen Briefwechsel gehen
18
Sie so
discret
als mögl. um den ich Ihnen mitgetheilt habe.)
19
Meine Absicht Sie mit dem ersten Abdruckbogen zu erschrecken, oder zu
20
verwirren oder zu erfreuen ist mir nicht gelungen. Von der Probe sollte die
21
Ausarbeitung der 2 übrigen Hauptstücke abhängen, deren Aufschrift:
Capuciner
22
Charfreytagsbuße
und 3)
Brücke ohne Lehnen
seyn sollte. Einen Wink in
23
Ansehung des letzteren wünscht ich mir, weil ich Ihren Sinn weder faßen noch
24
ergründen
kann
25
Ueberhaupt wünschte ich mir, daß Sie sich soviel Sie können, über die
26
Genesin
und den
Gesichtspunct
Ihrer Auflösung ausließen, weil ich nichts
27
mit soviel gewaltigen Eindrücken unter allen Ihren Arbeiten gelesen und
28
unermüdet zehnmal gelesen habe
29
Das Ideal meines Embryons, wenn er noch zur Welt kommt, wird das
30
unvermeidl. Urtheil nach sich ziehen:
Er hat
einen unsaubern Geist
.
31
Der Nov des t. M. liegt seit einigen Tagen vor mir. Ich habe Ihre
32
Beyträge mehr als einmal gelesen; nichts will aber so anschlagen als des
33
Ungenannten Auflösung, die ich ehsten Tags wider vorzunehmen gedenke.
34
Octob. Xbre
ist mir noch nicht zu
Gesicht
gekommen.
35
Vergeßen Sie die Fortsetzung u Vollendung Ihrer Urkunde nicht in
Ihrem
36
Pulte
. Sie sind selbige dem Verleger, Sich selbst, mir und dem Publico
37
schuldig.
S. 306
Werden Sie Ihr
Mansct
zur neuen Theorie des Empfindens u Denkens
2
nicht herausgeben, die ein wahres
Opiat
für mich gewesen? – oder mir eine
3
Quintessenz
einmal davon mittheilen können. Ich fieng mit
Krause
einen
4
Briefwechsel darüber an, den das
Problem
beynahe närrisch gemacht hatte,
5
wenn er nicht krank geworden wäre. Ist
aber
bald unterbrochen worden,
6
aber noch nicht aufgegeben, sondern nur ins Stecken gerathen. Weder Er noch
7
sein Minister sind imstande gewesen mir das geringste behülflich zu seyn.
8
Gott hat mich geholfen und ich freue mich der Schuldner eines Landsmanns
9
zu seyn.
εχω που στω
– So glücklich wurd nicht
Archimedes,
deßen Hebel ich
10
mir wünschte zu neuen Experimenten.
11
Ich sehe mir nach dem Schweitzer den mir auch Claudius anmeldet, die
12
Augen aus dem Gesicht. Nur wünschte ich daß er solange bliebe, biß mein
13
kleines
inoculi
rtes Mädchen Fleisch u Fisch miteßen könnte, das wir
14
gegenwärtig verstohlen u mit Salsen eßen müßen.
15
Außer meinen 10 Licentträgern hatte sehr gesehen auch
Binnen-Lootsen-
16
Commandeur
geworden zu seyn, um Sr. Kgl. Maj. zu Land und zu Waßer
17
dienen und Ehre machen zu können. Der
Castor
oder
Pollux
Kopf zum
18
Licentboote steht noch zum Andenken in meiner
Loge, –
nicht mehr
Bureau
!
aber
19
die
Binnen-Lootsen
wollen mich nicht für ihren
Commandeur
erkennen wie
20
die
Licent
Träger 2 ansehnl.
Deputirt
en den 27 Jänner frühe an mich
21
anschickten, wofür ich mich den 15
Febr.
kurz vor glücklicher Ankunft meines
22
zeitigen Gastes mit 5 fl. zu einer halben Tonne Bier u eben so viel zu einem
23
Rinderbraten feyerlichst bedankte.
24
Ich wills aber dem
Admiralität
s
Collegio
schon denken, daß es 50 thl von
25
meinem Gehalt unchristl. begehrt und mich der Ehre beraubt; mich als Ober
26
Packhoff Verwalter und Binnen Lootsen
Commandeur
der Teutschen
27
gelehrten Republik zu empfehlen, und dem Ober Land
Commissarius
in D. den
28
Daumen aufs Auge halten zu können, der die Grille hat seine alte Streiche
29
wider von vorn anzuspielen und das Land wie ein wantschapicher hinkender
30
Bote durchzutrödeln, unterdeßen er mit sein
s
Bauer
Mädchen mit einer vier
31
oder lieber sechsspännigen Kutsche Abisags von Sunem für Se Durchl.
32
auftreiben und ausspioniren sollte – wenn nicht Hopfen und Maltz an dem
33
Gebräusel des gantzen
Compere
verloren wäre.
34
Ob unser
Triumvirat
noch leiblich sich einander genießen wird? – Diese
35
Hofnung ist vielleicht in uns allen gleich lebhaftig, aber die Möglichkeit und
36
Art der Ausführung noch ein ziemliches Rätzel. Heute ist mir wohl; ich habe
37
während meiner kleinen u leichten Krankheit keine Freude am Leben finden
S. 307
können u in allen Winkeln darnach gesucht. Ein rechter Winter in meiner
2
Seele ist dieser Paroxysmus meines Fiebers gewesen. Habe statt zu eßen meine
3
Portion Caffé
mit 2 Zwieback zu mir genommen. Fühle noch nichts von jener
4
heterogen
en Schweere – auch das Gemüth ist wie neugeboren. Lieber Lenz,
5
grüne und reife zum Sommer! Versetz mich bald in jene dunkle kühle
Laube,
6
wo ich mit der bestgestimmten Schäferin und dem gutgesinnten Bauermädchen
7
meinem einzigen und liebsten Freunde u. Gevatter
correspondi
ren, an dem
8
Dixi
und
Vixi
eines würdigen Preuß. Packhof Verwalters nachsinnen und
9
dichten, über das fehlgeschlagene Binnenlootsen
Commando
herzlich
10
schmuntzeln will.
11
Gott erhalt mein kleines Fischchen und laße die Einp
f
ropfung gut gerathen.
12
Hat vorige Woche auf einmal so ehrlich zu stammern angefangen daß sie es
13
ihrem Vater u dem
Major Domus,
Priester Johannes ausstechen wird. Trotz
14
aller Mängel und Gebrechen bleibt sie ein liebes Kind – ohne Nachtheil
15
meines Gleichgewichts in der väterlichen Liebe und christl. Erkenntlichkeit gegen
16
Gaben und Geschenke des Himmels – Morgen so Gott will mehr! Noch ist
17
alles gut und nach Herzenswunsch.
18
Den 12 März.
19
Gestern besuchte mich noch mein alter Freund Kr. Hennings. Heute ist der
20
spanischen Fliegen der Pockenfaden eingelegt worden. Ungeachtet mein Fieber
21
Gottlob! ausgeblieben und ich fest entschloßen war bey aller meiner
22
Ohnmacht auszugehen, war es mir doch recht lieb, zu Hause bleiben zu können,
23
weil mich Buchhalter
Pinnow,
deßen Loge nur eine bretterne Wand scheidet
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und von deßen Ausfertigungen die meinige abhängen, durch einen Boten
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abrathen ließ bey der starken Kälte um so weniger auszugehen, da meine
Loge
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zu außerordentlichen Arbeiten besetzt wäre.
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Also werde diese Woche wol noch so wegschlentern, ohne
Appetit
zu lesen –
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aus dem sich auf das übrige schließen läßt. Vor Ungedult hab ich heute den
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Iuuenalem
angefangen, und zum ersten mal in meinem Leben mit
vielem
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Geschmack
, den ich mir sonst niemals recht geben können. Von so viel
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Zufälligkeiten hängt unser Urtheil ab. Mit meinem kleinen Johannes heute zum
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2ten mal Schröckhs Universal Historie angefangen, mit der wir vorige Woche
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fertig wurden seit
October.
Mein gröster Trost und Endzweck bey meiner
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Veränderung ist der, etwas mehr zur Erziehung meiner armen Kinder
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anwenden zu können – wozu es mir bisher an allem mögl. gefehlt und was das
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ärgste zu meiner
unbegreifl. Schande
.
S. 308
Vom Michaelis Gut habe fast nichts gesehen weil der Kantersche Buchladen
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keine Meße gemacht und er mit dem Bau seiner Papiermühle zu
Trutenau
so
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vertieft ist, daß ich ihn fast nicht mehr zu sehen bekomme. Penzel steht der
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Handlung und besonders den Zeitungen vor und ist das
Fac totum
der
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Himmel weiß wie lange. Unsere Freundschaft geht ihren Gang wie das Wetter u
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die Jahreszeiten es mit sich bringen. Sein Kopf und Herz
interessir
en meine
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Neugierde u Geschmack, ungeachtet aller
Contraste.
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Kreutzfeld ist mein fleißigster Besucher und beynahe Lindner für mich.
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Krause ein wahres
Problem
– an dem ich
Buchholtzens Physiognomie
oft
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im Geist so lebend vor mir sehe, daß ich mich wie vor einem Gespenst zu
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fürchten anfange. Er war Krausens Mutterbruder. Und in diesem
Circul
bestehen
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hier alle meine Leiden und Freuden.
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Gott beschere Ihnen der erstern weniger und der letztern mehr und erfülle
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alle Wünsche Ihrer lieben Schwester bey Ihrer Veränderung.
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So bald ich
gesunder
und
ruhiger
seyn werde, liebster Seelenfreund,
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Landsmann und Gevatter! sollen Sie mehr von mir hören. Ich weiß nicht,
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welcher Schlaff und Traum und Nebel mich umgiebt. Sey’s Philosophie oder
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Schwärmerey, Hypochondrie oder Ahndung: so will ich die
honneurs
eines
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Wirts beyden Schwestern machen, und ihren Besuch so viel ich kann, zu
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Nutz –
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Gott sey Ihnen freundlich, liebster H. und seegne Sie und Ihr gantzes
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Haus reichlich mit himmlischen u irrdischen Gütern – Die Paßionszeit ist
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mir kein Jahr so feyerlich gewesen als dieses – Fröhliche Ostern uns sämtlich
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und sonders! Ihrer besten Hälfte meiner würdigsten Gevatterin den
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ehrerbietigsten Handkuß. Ich umarme mit väterl. Zärtlichkeit meinen kleinen
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lieben Pathen u seinen Bruder. Auch Ihrem Johann Christ. einen Gruß von
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seinem Freund Johannes. Ersterbe Ihr alter ehrlicher verpflichteter Freund
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Hamann, leidiger Packhoff-Verwalter.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 148–151.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 212–220.
ZH III 298–308, Nr. 484.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
299/13 |
achten. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: achten |
299/20 |
ledigl ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: ledigl. |
300/5 |
vergebl ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: vergebl. |
301/2 |
Adm |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Adm. |
301/9 |
August |
Geändert nach der Handschrift; ZH: August |
301/10 |
eines |
Geändert nach der Handschrift; ZH: eines |
301/12 |
Sept . ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Sept. |
301/18 |
am |
Geändert nach der Handschrift; ZH: am |
301/28 |
Meisters ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Meisters. |
301/34 |
les memes termes , |
Geändert nach der Handschrift; ZH: les memes termes, |
302/28 |
Antwort ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Antwort. |
302/32 |
geschenkt |
Geändert nach der Handschrift; ZH: geschenkt |
302/35 |
nach Ihrer Absicht |
Geändert nach der Handschrift; ZH: nach Ihrer Absicht |
302/36 |
kann |
Geändert nach der Handschrift; ZH: kann |
303/6 |
die |
Geändert nach der Handschrift; ZH: die |
303/14 |
glücklich gewesen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: glücklich |
303/35 |
ψ CXXVIII. “ |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ψ CXXVIII. “ |
304/24 |
gekostet ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gekostet. |
304/27 |
u ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: u. |
304/37 |
königl ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: königl. |
305/10 |
Fant ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Fant |
305/24 |
kann ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: kann. |
305/26 |
Genesin |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Genesin |
305/30 |
Er hat |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Er hat |
305/34 |
Gesicht ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gesichte |
306/1 |
Mansct |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mspt |
306/30 |
s Bauer ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bauer |
307/5 |
Laube, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Laube; |