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S. 282
Kgsberg den 3 Jänner 777.
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Geliebtester Freund,
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Viel Glück zum Neujahr! Mein langer Bericht ist also
velut aegri somnia
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Ihnen vorgekommen. Das ist der Dank für meine Mühe u Sorgfalt u
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Antheil. Gleichwol glaubte ich den abwesenden Erben meines seel. Freundes eine
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umständl. Erzählung schuldig zu seyn – und giebt Freundschaft nicht auch ein
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Interesse
den gleichgiltigsten Dingen. Wie wenig Menschen zählt man heute
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zu Tage, denen 100 oder 50 fl. + oder — einerley sind und seyn können. Wir
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wollen aber lieber mündl. darüber zanken.
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Ihre Anfrage wegen des
Catholicon
wird schon aufgelöst seyn durch
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meinen jüngern Brief deßen Beantwortung ich bisher umsonst erwartet. Den
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1
Dec
u
Advent
erhielt ich abermal ein Mahnschreiben vom
Commissaire en
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Chef,
das ich hätte zerreißen u. verwünschen mögen. Das gantze u gebundene
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Exemplar
von A bis
E
gehört dem seel. Freunde u ist noch nicht bezahlt. Ich
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wünschte aber liebster Freund! wenn es Ihnen gefällig wäre
valutam à
5 #
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so bald wie mögl. zu übermachen um mein
Quartam
von 3 und eben so viel
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des andern
Praenumerant
en übermachen u dem HE
Autor
das Maul stopfen
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zu können. Die beyden zuerst angekommene Buchstaben
A et E
sind
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überflüßig mitgekommen, müßen entweder zurück – Können Sie selbige dort
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anbringen u auch behalten; so wäre es mir sehr gedient. Ich verlang keine
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Fortsetzung und Verdruß mehr. Wollen Sie so melden Sie es bey
Assignation
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des Geldes um dies melden zu können dem Verfaßer, dies
opus
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supererogationis
wäre mir lieb um meine
Mercurialien
die ich ihm zugedacht, dafür
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verstärken zu können.
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Wegen der
Bibliotheca Graeca
erwarte auch Ihre Erklärung ohne Sie dazu
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anzurathen, weil ich nicht einmal weiß, ob das
Exemplar
gantz und es nicht
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eine neuere u. beßere
Edition
dieses Hauptbuchs giebt. Ihren Willen hab ich
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erfüllt
; nun laßen Sie mich nicht zu lange auf Ihre Erklärung warten.
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Nach einer
Quarantaine
von 15 Wochen bin den 18
pr.
zum erstenmal
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ausgegangen, aber außer der Kirche nur erst 2mal in der Stadt gewesen; ohne an
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meine nöthige Geschäfte daselbst denken zu können. Die Frau
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Consistorialräthin und Ihre liebe
Niece
hab ich noch gar nicht gesehen. –
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Wir haben hier abermals eine der ansehnlichsten
Auction
en gehabt, des
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Geh.
Trib.
Rath
Ohlius
seine, wo die besten Bücher noch schlechter gehen
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sollen; gleichwol fehlt es auch hier nicht an Ausnahmen, deren Grund sich öfters
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nicht absehen läßt.
S. 283
Da Sie meinen
Candidat
en verschmähen: so will ich gern ihn für mein
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Vaterland noch behalten. Das schlimmste ist, daß wir uns wie Feuer und
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Waßer für einander fürchten, und nicht einander zu sehen bekommen, so
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nöthig wir uns gleich zu sprechen hätten.
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HE
Nicolai
hat mir ein angenehmes Geschenk mit seinem kleinen feynen
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Almanach gemacht. Vorsteht gedruckt im Namen Daniel Säuberlich, daß er
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„tut diesen Almanach uberreichen undt wil sich hymit Dero Gunsten
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gehorsamlichen eyngelobt und angedyngt haben“
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Den letzten Tag des alten Jahrs erhielt durch einen hiesigen jungen
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Kaufmann der von sr. Reise zurück gekommen einen freundschaftl. Gruß von HE
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Klopstock. Heute habe mit Vergnügen das Werther Fieber gelesen und am
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Neujahrstage
Grays Gedichte
von Mason mit seinem Leben herausgegeben,
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die Ihre Neugierde auch befriedigen werden.
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Was macht unser liebe Hofrath nebst Familie. Ersetzen Sie mein
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Stillschweigen. Mein liebes Hausmutterchen hat noch das Fieber, scheint aber sich
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ein wenig zu erholen. Ihre Gesundheit hat doch nicht Gefahr gelitten, daß ich
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noch keine Antwort erhalten. Gott schenke Ihnen zum Neuen Jahre alles
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Gute und erfülle unsere besten Wünsche. Entschuldigen Sie meine Eil; helfen
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Sie mir so geschwind wie mögl. aus der vermaledeiten Verlegenheit wegen
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des
Catholicon.
Ich umarme Sie als Ihr alter treu ergebener Freund
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J. G. Hamann.
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Adresse mit rotem Lacksiegelrest (Kopf des Sokrates nach links) und
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Postvermerken:
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à Monsieur / Monsieur Lindner / homme de lettres / à /
Rossitten
/ par
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Memel. /
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 204.
ZH III 282 f., Nr. 478.