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Vermerk von Hamann:
Erhalten d 9
Aug.
776.


29
Endlich, lieber H., komme ich wieder. Es war nicht Rache auf Ihr

30
langes Schweigen, daß ich so lang geschwiegen, sondern Windsbraut der

31
Umstände, Faulheit, Vorsatz und Noth. Es sollt erst entschieden seyn, eh ich

32
schriebe.

33
Sie hatten recht. u. unrecht, daß man mich in Göttingen nicht haben wollte:

34
in Göttingen will man mich nicht, aber
für
Göttingen will man mich noch.

35
Das Ministerium ist noch nicht ruhig, und der Minister, der eigentlich die

36
Sache betrieb, HE von
Bremer,
ist noch so voll Leidenschaft dafür, daß ich

37
noch vorige Woche, da ich ihn in Pyrmont
gesprochen,
wahrnahm
ich immer

S. 229
die Fabel von Anfang an hören muste, wenn er mich nur mit dem Aug

2
erwischte. Da sind Briefe, Boten, Unterredungen ohn Ende gewesen; woran es

3
sich aber stieß u. was mich schnell wegwandte, war dies. – Keine

4
Protokathedrie wars eigentlich, die ich je begehrte, sondern die Generalsuperintendentur

5
mit verknüpfter Profeßorstelle, daß ich der Universität seyn könnte, so viel ich

6
wollte, ohne mit
e
Einem Gibeoniten eigentl. wetteifern zu
dörfen,

7
sondern
Neben
ihr zu seyn, ihre Bibliothek, woran ich nur so lang Mangel

8
gelitten
pp
brauchen zu können: das war mein Plan, oder vielmehr der Plan

9
derer, die mich nach Gött. haben
wolten,
wollten schon vor 3. u. mehr

10
Jahren. Nun kam der Generalsuperint. weg: das Haus muste erst
gebart

11
gebaut werden u. die Stelle 3. oder mehr Jahre vakant stehen, um die

12
Einkünfte zum Bau zu verwenden: der
Dokt.
Profeßor der Theol. Zachariä

13
kam auch weg, u. da bekam ich, so unerwartet u. widrig zu dieser Stelle als

14
zum Scharfrichtertode, den Ruf. Ich ließ ihn 14. Tage unbeantwortet, hörte

15
indeß die Umstände, u. daß es nur Sprung zur andern Stelle seyn sollte,

16
wollte gern von
mir
hier weg, that noch harte Bedingungen, die alle erfüllt

17
wurden u. ließ mich bereden, Ja zu sagen. Sobald ichs gesagt, schlug mir

18
das Herz, wie David beim Zipfelschnitte u. ich habe keine Ruh u. Freude

19
gehabt, bis sich die Sache recht wunderbar also wandte. – Das Ministerium ist

20
von jeher gewohnt, zu ruffen u. dem Könige zur Unterschrift vorzulegen u.

21
ist bei Menschendenken kein Schifbruch geschehen, der jetzt geschah. Die Ratten

22
u. Maulwürfe waren unter der See nach
London
gekrochen u. das Minister.

23
erstaunte, da bei ihrem Bericht zur Unterschrift folgende Antwort
stand

24
„wie
Se
Königl. Großbrit
t
ann. Maj. an der Gelehrsamkeit u.

25
Geschicklichkeit des HE. Herders keinen Zweifel trügen, vielmehr
pp
man aber über

26
deßelben Orthodoxie, bei jetzigen Zeiten, noch Rücksicht nehmen müsse.“

27
(Man ist mit diesem allen sehr geheim gewesen u. ich habe es nur durch der

28
Königin Bruder, den Prinzen Karl von Mecklenb. erfahren.) Das Minister.

29
ist auf die Kerle böse: fodert ein Responsum von ihnen, wovon ich auch trotz

30
aller angewandten Mühe nichts habe
erfahr
sehen können; im Ton der

31
Hundsfötter, wie jemand schreibt, ders gesehen, sollen sie gesagt haben, wie

32
sie gegen meine Orthodoxie nichts hätten, „daß sie aber eigentl. meine

33
Schriften nicht verstünden, zumal ich noch nichts eigentl. Dogmatisches

34
geschrieben, außer daß ich die Schöpfung des lieben Gottes allegorisch zu erklären

35
schiene u. den
heil.
Jakob u. Judas nicht für Apostel hielt.“ Das
Minister.

36
schickt dies Responsum als eine offenbare
Sottise
nach London: der

37
außerordentl. schwache, furchtsame u. religiöse König schreibt aber nochmals –

S. 230
nimmt nehml. ein dem Minister. entfallenes Wort „daß über solche Sachen

2
sie sich ja leicht einverständigen würden,
sobald sie sich sprächen
auf,
u.

3
schreibt „es wäre doch gut, wenn dies
Colloq.
voraus gehalten würde.“ Da

4
kommt nun das Minister. (denn von dem Gebot des Königs war nicht zu

5
weichen) mit
Pes
Persuaso
rien von oben bis unten, daß ich das
Colloq.

6
halten möchte, das ich aber sogleich u. völlig von mir warf. „Kein
Colloq.
mit

7
Seinesgleichen, wo niemand entscheiden könnte! Kein
Colloq.
mit

8
Anklägern, die
hiedurch
Richter würden. Ueberdem sei dies ein völlig unerlaubter

9
Schritt für mich, da ich noch keinen
Ruf
habe, also auch keinen Befehl des

10
Kön. von Großbritt. befolgen dörfe u. könne, zumal ich selbst als Super.

11
über die Geistlichkeit eines Landes nach eben den Symbolen gesetzt sei, die

12
dort gelten – Symbole seyn in unserer Lutherschen Kirche
tesserae;
aber

13
keine
Colloquia pp
u. Gött. sei kein Rom
p
Endlich wer was gegen mich zu

14
sagen habe, solle öffentl. kommen, man solle mir Anklage, Einwendung,

15
Responsum deßen, der mich nicht orthodox halte, mittheilen u. ich wolle

16
öffentl. antworten, seis König oder Fakultät u. f.“ Darauf
fand ich
lies

17
sich aber niemand ein, da fand ich taube Ohren, da sprach man von

18
Doktorpromotion, damit die Reise bedeckt werden könnte, von Kosten, die sie sogar

19
dazu vorschiessen wollten
etc. etc.
kurz ich habe die Ehre, die der Arminianer

20
Vorstius
hatte, daß ein König von Engl. als
defensor fidei orthodoxae
gegen

21
mich eingewandt hat, u. kein Maulwurf seinen Kopf vorrecken will u. sagen:

22
ich bins. Das Minister. ist in so elendem Zustande, daß es dem Könige keine

23
Repräsentationen machen darf oder zu machen wagt, u. so hat mich Gott aus

24
der Mördergrube erlöset. Meine Frau, eine Träumerin, trotz Joseph, hat mir

25
die Sache allemal in schönen Bildern u. Emblemen voraus erzählt u.

26
wahrlich es ist Gottes Werk, daß es hin ist. – Das ist der ganze Kram von Anfang

27
zu End.

28
Nun gehts nach Weimar. Eben des Tags, da die gnädige Einladung zum

29
Colloq.
kam, kam unerwartet wie ein Strei
f
ch vom Himmel die Einladung,

30
die Einladung
zur General Sup. in Weimar, wo denn kein Augenblick

31
Wahl blieb. Im Januar empfing ich durch den Präsid. von Lynker die

32
Anfrage
nebst beigelegter ununterschriebner Vokation, Amtsgeschäften u.

33
Einkünften, als
Oberhofpred
.,
Oberkonsist
. u
Kirchenrath
,

34
Generalsuperint
.
u.
Past. prim.
zu Weimar
, die ich auch annahm. Der Ruf hat sich

35
aber durch sonderbare Unterhandlungen, daß erst eine
Gastpredigt
zu halten

36
sei u. dgl. so verzögert, daß ich noch hier sitze u. nun erst die Niederkunft

37
meiner Frauen, die wir Anfang August hoffen, abwarten muß. Alsdann gehts

S. 231
schnell u. stracks hin, u. wir ziehen gerne. Hier ist alles vorbei, u. unsre einzige

2
u. liebste Freundin, die regier. Gräfin, von der ich Ihnen gleich Anfangs so

3
viel geschrieben u. die hier in Allem mein Schutzengel war, ist den 16 Jun.

4
an ihrem Geburtstage auch gestorben. Das war das letzte Signal zu unsrer

5
Reise: 2 Tage vorm Tode bekam ich den eigentl. Ruf, u. meine Frau konnts

6
ihr noch sagen, da sie uns denn mit gebrochnen Augen Segen auf den Weg

7
wünschte, den wir auch hoffen u. erwarten. Es ist viel Geschwätz von der

8
neuen Regier. in Weimar, das aber theils nicht wahr seyn soll, theils
mich

9
nicht angeht u. ich gar nicht bemerke. Ich habe
meine weite
u.
enge
Bahn

10
vor mir, zu der ich gehe u. auf der ich mich halte, um Alles andre

11
unbekümmert. Ich bin ordentlich Lutherischer Bischof des Landes, meine

12
Verrichtungen sind alle sehr gewählt u. edel, alle nach alter Lutherscher Art. Der

13
unglückl. Joh. Friedr. liegt in meiner Kirche begraben u. liegt auf dem

14
Altarblatt kniend: Luther von Kranach 3.mal gemahlt in der Sakristei: er hat

15
bekanntermaassen oft in Weimar gepredigt: u. der trefl. Friedr.
Myconius

16
da die Reform. gestiftet. Ich hoffe also noch viel altes Luthertum da zu

17
treffen, wenigstens in Ruinen u. freue mich darauf, wie ein Kind. – Meines

18
Lebens hier bin ich, nochmals gesagt, satt u. müde: einsam, ohne Bücher u.

19
Umgang, im verdorbensten Kirchen- u. Landeszustande unter einem wahren

20
Don
Quixot des 18. Jahrh., der gegen mich den tiefsten Portugisischen Haß

21
nähret. Ich habe die Gräfin z. E. in ihrer ganzen Krankheit nicht sprechen

22
können,
u. vorigen
Jahrs
hab’ ich in Amtsgeschäften einen Wirbelwind mit

23
ihm gehabt, der mir einige Haare meines Kopfs gekostet, mir aber seitdem

24
völlig Ruhe gemacht hat. Moser sagt: Lieben Leute, wer zur See will, gehe

25
auf ein großes Schiff u. nicht auf einen durchlöcherten Kahn: goldne

26
Wahrheit für unsre kleine Protest. Länder in Deutschland, wo jeder Ameisenkönig

27
Friedrich der Unsterbliche! der Reformator! der Ausreuter aller alten

28
Vorurtheile zur neuen Philosophie „unsrer
erkennenden Urkraft
, die vom

29
Göttlichen
Selbst
zur Führerin unsres
Daseyns
bestimmt ist“ wie die

30
herrl. Grabschrift der Gräfin lautet, u. wo gefragt ist, auf welchen Kanzeln

31
man so was höre? – seyn will. – Nun lieber H., ein Ende des Zeuges:

32
ich fange ein ander Blatt an.
Wünsch
t
en
Sie einem armen gejagten Hirsch

33
Ruhe u. segnen mir nach, oder vielmehr ja noch voraus zu, solang ich hier

34
walle
!

35
Jetzt auf Sie: denn es heißt doch nur, Du sollt Deinen Nächsten lieben,

36
wie
Dich
selbst
! – Mit Ihrem letzten Briefe empfing ich einige Beilagen zur

37
Zeitung, wo mich insonderheit die Rec. über den
Bon-Sens
u. die Republick

S. 232
sehr behagte. Hinz hat mir von der Meße mit Anschrift Ihrer Hand,

2
„Bückeburg“ als ob mein Name eine Sünde wäre, die
Zweifel u. Einfälle

3
zugeschickt, die ich aus einer Irranzeige seines Briefes schon unter dem Titel

4
„Feigen“ gesucht hatte, aber wie leicht zu denken, vergebens. D
as
ie zweite

5
Hälfte derselben hat mich ebenfalls sehr erbauet;
ob mir gleich
in der ersten

6
erscheint mir Ham. nur im Rauch oder läßigen Spiele, vermuthlich, weil ich

7
die Rec. in der Bibl. zu lange schon gelesen u. jetzt nicht
les
wieder lesen

8
mag, bis ich wieder zu Kräften komme. Dagegen hab’ ich Hinz gebeten, Ihnen

9
Urk. Th. 4. ohne meine Anschrift mitzunehmen u. wünsche beste Verdauung.

10
Ich habe noch kein Urtheil drüber, als von Moser, Claudius u. einem mir

11
ganz unbekannten würkl. Geheimen Rath aus Deßau HE. von Harling, von

12
dem ich vorigen Posttag einen Brief über dieselben empfangen. Die seel.

13
Gräfin, die das Mscr. gelesen u. meine wahre Muse war, u. meine Frau, die Sie

14
so feierlich zu meiner Muse ernannt haben, nicht mitgerechnet. Auf der Meße

15
sind die Exempl. noch nicht vertheilt u. also wenig herum: mir desto lieber!

16
so brausen die Urtheile allmälich ab u. kommen nicht auf einmal, wie wohl ich

17
hier gar keine höre. – Ihnen indeß, lieber H., nimmt der Priester von

18
Anathoth Anlaß zu sagen, daß seine Zumuthungen an die Rechabiten mit diesem

19
Theile aus sind, u. daß der Verfolg, wenn er
wird
, die trockensten

20
Sänftenträger und die nüchternsten Johannesjünger der Kritik, durch That u.

21
Beispiel zu beschämen vorhat. Wir kommen jetzt vom Himmel auf die Erde, u.

22
Schriftsteller u. Leser wird hoffentlich dabei wohl seyn! – Die beiden

23
Titelblätter, die von Band 1. u. 2. reden, reißen Sie weg: es ist Buchdruckereinfall,

24
mir ganz zuwider.

25
Klaudius ist hier gewesen, die Karwoche bis Ostern hinaus. Ein lieber

26
Mensch u. guter Geselle, mit dem ich leben möchte. Er hat sich sehr über mich

27
gewundert, wie
geändert
ich
sey u. ich bin würklich sehr alt geworden; ich

28
hoffe aber noch Verjüngung wie ein Adler. –
Sch
Sonst steckt in ihm noch

29
seine ganze Erbsünde, Läßigkeit u. Faulheit, u. Moser hat schon sehr über ihn

30
geklaget. Laßen Sie ihm aber nichts merken; ich muß sacht mit dem Knaben

31
gehn, sonst verderbe ich das ganze Spiel. Daß mir bei der Nachricht nicht

32
wohl war, können Sie denken. – Moser ist ein edler, wackrer Mann, den ich

33
von Tag zu Tag lieber gewinne. – Eine gute Organistenstelle wird für

34
Klaudius endl. das beste seyn, wornach er
nach,
auch, wie nach einem Ruhebette

35
strebt; frühe aber muß sie ihm durchaus nicht werden.

36
Mein Bube ist frisch u. gesund. Vorigen Früling sind ihm die Blattern

37
inokulirt, u. er ist, blos dadurch, errettet. Er hatte 300. auf dem Gesichte, eine

S. 233
üble Art dazu, dabei er kaum durchgekommen wäre. Nach der Zeit ist alles

2
Handvollweise bei ihm geschossen. Er schwatzt schon viel, läuft tapfer, u. jagt

3
Schmetterlinge, kennt den gemahlten Buffon, soviel Deutsch heraus ist, u.

4
vieles in Johnson, wo er jedes Thiers Männchen sehr treu nachahmt, u.

5
kennet schon das lateinische
A. O.
u. das
I.
mit dem
Püttel
. Er trinkt jetzt

6
mit mir Pyrmonter, d. i. schlurft die Neigetropfen jedes Glases u. versichert

7
allemal, daß es
aus
, ein
bischen
u.
gut
sei: das letzte mit verzogenem

8
Munde. Tagtägl. erscheinen mir die sonderbarsten Erfahrungen über die

9
Bildung
der
Sprache
nach Bildern, Ableitungen u. den
Sprachwerkzeugen,

10
die mein wohlseliges, gekröntes Schausystem in den Grund reißen – – welche

11
neue Welt wirds geben, wenn der Zweite erscheint. Ich bitte Sie, lieber Alter,

12
zum Voraus feierlich zu Gevatter, ob Sie mich gleich noch nicht gebeten. Der

13
Jakob sei auch vor Esau in Ihrem Segen.

14
Es thut mir leid, daß ich Kreuzfeld mit der Urk. vergeßen: ich hole
es
nach
bei

15
Gelegenheit noch nach
. Wie hat sich sein Freund
Reichard
in Potsdam? Und was

16
macht dort Ihre gesammte Altvettel
Albertine
? Weder die
2te
Ausgabe

17
von Hephäst. noch die
Carm. Davidis
habe ich ansehn mögen.

18
Ihrem Schwiegersohn
Penzel
traue ich nicht recht. Zu eben der Zeit, da er

19
an mich unersucht, ich weiß nicht wie ergeben schreibt, hat er mich in der Lemg.

20
Bibl.
bei der fremdesten, gesuchtesten Gelegenheit als den geringsten

21
Pöbelbuben behandelt. Für seine Gelehrsamkeit hab’ ich viel Hochachtung, da

22
übertrift er mich weit u. soll mich übertreffen! – Sagen Sie ihm also auch

23
nichts oder sehr Gleichgültiges von mir: über die Katastrophe seines

24
Schicksals hab’ ich mich aufrichtig gefreuet.

25
Kennen Sie das Niedersächsische Wörterbuch? Ein treflich Werk,

26
insonderheit
da
für uns hier, in deren Gegenden die Sprache noch lebt.
Fuldas

27
neues Buch kenne ich noch nicht: seine erste Preisschrift hat
mir
nicht (2. oder

28
3. Winke ausgenommen) geschmecket.

29
In Berlin habe ich (
sub Rosa!
) zum 3ten mal die Krone erlangen wollen,

30
aber nicht erlangt, vermuthl. weil ich Sulzer zu gerade widersprochen u. es

31
müde ward, mit den Luftblasen der Akad. mehr zu spielen. Fast war ich eitel

32
gnug zu glauben, daß meinethalb der Preis 1. Jahr aufgeschoben ward,

33
damit sie nicht das Unglück hätten, 2. Schriften in 2. Klassen von
mir
!!! auf

34
Einmal zu krönen. Da ist nun Eberhard aufgestellt! Ich habe meine Schrift

35
zurückgefodert u. will sie
publiciren
; noch aber sie nicht erhalten. (
Sub

36
Rosa!
)

37
Daß Sie im 2ten Th. von Lavaters Phys. zu einer Klasse gerechnet sind, die

S. 234
mit den Affen
Ahnlichkeit
haben soll, hat mich herzl. gefreuet. Sie haben

2
Popens Einfall auf Newton so oft retorquirt, daß Ihnen diese

3
Wiedervergeltung recht gut thut. Mit ihrem Bilde können Sie zufrieden
seyn
: eine, ich

4
weiß nicht
wo,
erhaschte Silhouette von mir S. 102. ist zehnmal ärger. Und meine

5
Frau, die das Glück hat, 3mal verhunzt zu seyn u. sich so gern herauswünschte,

6
als ich oder Sie, hat Ursache sich noch mehr zu ärgern. So trösten wir uns

7
einander. Das Werk indeßen steigt
herrlich.

8
Nun weiß ich auch in der That nichts mehr zu schreiben, als daß ich Sie in

9
Ihrem
ganzen Cirkel grüße u. bald, bald, (noch ja hier u. eh Sie mein Herr

10
Gevatter werden) etwas von Ihnen zu lesen wünsche. Es käme mir zum Ende

11
meiner Brunnenkur, die ich einsam trinke, wie ein Käuzlein in verstörten

12
Stä
d
tten
, wie der letzte Trunk zu Cana in Galiläa. Mich lüstets sehr, Sie als

13
Hausvater zu sehen; vielleicht besuchen Sie mich, da ich
Ihnen
jetzt so näher

14
rücke, oder vielleicht gelingts gar, daß ich Sie besuche. Auf der Welt wird ja

15
Alles möglich. Ich denke so oft an Sie und wünsche Ihnen sanftes

16
Kopfküßen und eine gemächliche Hausvatermütze, daß ich noch immer glaube, wir

17
sind einander näher zu seyn bestimmt. Darüber Gott walte! – Also mein

18
lieber HE. Gevatter in meinem u. meiner Männin Namen zum Voraus, viel

19
Glück u. Heil!
Bückeb. den 20. Jul. 776.

20
Herder


21
Hartknoch ist doch beßer! Ich erschrack, da ich von Lindners Tode las, u.

22
ihn so lange vernachläßigt. Ich war ihm recht
gut
u. wünsch’ ihm Ruhe im

23
Grabe. – Herz hat mir durch Hinz seine Abhandl. vom Geschmack
geschickt

24
was macht Kant? –

25
Klaudius hat mir einen alten Prof.
emeritus
Tönnies
sehr gerühmt.

26
Sehen Sie doch seine Schriften an. In seiner Offenbahr. Joh., die übrigens

27
den gemeinen Weg schlentert, sind Stellen ernst, keck u. bider. – Ein

28
hingefallnes Wort von Leßing hinter Jerusalems Philos. Aufsätzen vom Urspr.

29
der Sprache wird Ihnen nicht gleichgültig seyn, ob ichs gleich nicht bei
ihm

30
für Ernst halte.

31
Arbeitet Penzel an seiner
Kunst zu sehen
, an die Sie dachten? Adieu.

Provenienz

Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 1886. 53, Nr. 14).

Bisherige Drucke

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 110–116.

ZH III 228–234, Nr. 466.

Zusätze fremder Hand

228/28
Johann Georg Hamann