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S. 79
Grünhof, den
29 August. 1754.
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Was machen Sie liebster Freund, wie leben Sie mit Ihrem Marianchen?
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Die Liebe, oder an deren Stelle die Freundschaft wird Sie für alle die Streiche
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fest machen, die Ihnen das Glück leiden laßen kann. Ich wünschte die
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Gemüthsverfaßung zu wißen, in der Sie jetzt stehen, da Sie vielleicht alle
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Augenblicke ein kleines Geschöpf erwarten, das Sie für Ihre Mühe liebkosen wird.
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Da ich nur für 2 Tage mein Geburtsfest gefeyret habe; so sind mir noch die
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Empfindungen im frischen Andenken, die ich über das Glück gehabt, von ehrl.
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von rechtschaffenen Eltern geboren zu seyn. Ungeachtet der kleinen
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Grausamkeit, mit der mich die meinigen lieben, ungeachtet der erschreckl.
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Demüthigungen, die mir Ihre herzliche Neigung gegen mich kostet; so werde ich doch
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Ihre Erhaltung v Ihre Zufriedenheit als das gröste Gut, das mir die Vorsehung
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in meinem Leben genüßen laßen kann, jederzeit ansehen. Ich bin in der
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äußersten Unruhe mein Liebster Lindner, über Ihr langes Stillschweigen; Gott
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gebe, daß
an dem
daßelbe
n
nichts anders als eine Strafe für meine
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letzten Briefe, die man vielleicht nicht oder unrecht verstanden, v für die darinn
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enthaltene Nachricht v. Betrachtungen, seyn möge. So schwer auch diese Strafe
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ist v so wenig ich mich überführen kann diesen Unwillen jetzt verdient zu
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haben; so gern will ich mir doch selbige gefallen laßen. Wenn ich diesen Bann,
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in den mich meine nächsten Freunde zu legen scheinen, durch meinen
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Gehorsam lösen kann: so werden Sie mich auch hiezu willig finden, so sehr ich auch
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darunter leide. Ich unterstehe mich fast nicht zu Hause zu schreiben; weil ich
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noch keine Antwort auf meine letztern Briefe habe v mich von denen
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Gesinnungen mr. lieben Eltern keinen Begrief machen kann. Ich bin in
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Ansehung Ihrer vielleicht in eben dem Irrthum als Sie in Ansehung meiner.
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Ich stelle mich Selbige vielleicht mehr aufgebracht gegen mich vor,
als
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v. Sie machen sich von mir v. meinen Umständen weit schlechtere
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Vorstellungen
machen
, wie wir beyde
s
es nöthig haben. Die Briefe meines Vaters
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sind seit einiger Zeit so vorsichtig, so gleichgiltig, so unbestimmt gewesen, daß
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ich
er beynahe vermuthen muß, daß se. Gedanken oder se. Briefe mit mir
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nicht sicher genung sind. Die Post ist hier sicher v nicht wie weiter hinauf. Im
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Johann Christoph Berens
oder dessen Vater
letzten bezieht er sich auf HE. Berens, dem er sich entdeckt hätte; durch den ich
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aber noch nichts erfahren können. Ich wende mich also an Sie, mein lieber
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Lindner; melden Sie mir doch, was man von mir denkt v. worann es liegt,
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daß ich so ganz vergeßen werde. Sollten Klatschereyen, sollten
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Verläumdungen… doch ich weiß nicht wie v. nicht durch wen?… oder sollten Krankheiten.
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Gott behüte dafür! Mein Bruder kommt mir in meinen Augen ohne
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Entschuldigung vor. Kein einziger meiner Freunde begegnet mich mit der
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Kaltsinnigkeit v Nachläßigkeit, die er mir bezeigt. Nimmt er nicht meine Parthey
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oder wenn er
S
sie nicht nehmen kann ist es ihm so gleichgiltig mich leiden
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zu sehen, daß er sich nicht
alle
einmal die Mühe nimmt mich darum zu Rede
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zu setzen oder zu erinnern. Ich traue mir nicht zu ohne einige Bitterkeit ihm
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diese Verweise selbst zu geben. Geben Sie ihm doch wenigstens etwas zu
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verstehen.
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Verdient meine Neugierde die Welt zu sehen den Haß meiner Eltern v ist
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dieser Endzweck lasterhaft. Gesetzt daß mir die Mittel dazu was kosten, daß
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mir die Wege meine Absicht zu erreichen sauer gemacht
zu
werden. Wenn
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ich damit zufrieden bin; so könnte meine Beständigkeit vielleicht mehr ihren
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Beyfall als das Gegentheil verdienen. Um mich bey ihnen aber aus allem
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Verdacht zu befreyen, daß meine Aufführung ungeschickt oder ärgerl.
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gewesen; so kann ich Sie nicht beßer überführen, als wenn ich die wiederholten
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Anerbietungen dieses Hauses annehme. Ich bin zu diesem Opfer halb
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entschloßen; kein anderer Bewegungsgrund dringt mich dazu, als der meine
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Eltern zufrieden zu stellen. Man hat die halbe Hofnung die ich hier dazu
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gemacht mit so einer Art aufgenommen daß die Erkenntlichkeit allein mich dazu
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verbinden wird selbige ganz zu erfüllen. Melden Sie also meinen Eltern (ich
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hoffe, daß Sie unser Haus bisweilen noch besuchen v mit eben dem Vergnügen
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v Zärtlichkeit oder wenigstens aufrichtiger Gutherzigkeit als sonst darinn
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gesehen werden) als eine eigenhändige Nachricht von mir oder als eine Zeitung
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des HE.
Doctors,
daß ich hier bleiben werde um die Aufnahme dieses
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Antrages zu erfahren. Antworten Sie mir doch, wie dieses aufgenommen
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werden wird mit erster Post. Geschieht hiedurch meinen Eltern Genüge; so
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entschlüße mich dazu um Sie auf alle andern Fälle zufrieden zu sprechen v Sie
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von meiner Aufrichtigkeit in meinen Briefen zu überführen, die ich ins
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künftige werde einschränken müßen. So schwer es mir auch wird gegen Freunde
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vorsichtig zu schreiben v mit Zurückhaltung. Ich danke denen die an meine
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Umstände Antheil nehmen. Ich verlange aber im Glück nicht solche als
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Schmäuchler sind v. in wiederwärtigen Fällen nicht solche, die mir durch
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unzeitige Verweise v. übertriebne Klagen noch
mehr
unglücklicher beynahe
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Thrl.
Reichstaler, eine im ganzen dt-sprachigen Raum übliche Silbermünze, entspricht 24 Groschen (Groschen: Silbermünze [ca. 24. Teil eines Talers] oder Kupfermünze [ca. 90. Teil eines Talers]; in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch)
machen. 120 Thrl. Man hat mich umarmt v auf die tiefste Art
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Frau Gr.
Apollonia Baronin v. Witten
℔
Pfund
heruntergelaßen. Die Frau Gr. machte mir heute 4 ℔
Coffée
pp. Ich habe eine neue
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Stube v gewiß ein Haus das Vorzüge hat; es würde aber vor jeden andern
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beßer als für mich seyn weil ich meinen Endzweck hier nicht erreichen kann.
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Wenn ich mich ja entschlüße; so soll es nicht länger als auf ½ Jahr seyn, v
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damit, mein lieber HE. Magister‥ Gott befohlen. Eigennützige Anträge
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machen mich nicht gefälliger; v selbst die Noth würde mich eher stolzer als
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niederträchtig machen.
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Ich würde Sie mit einem Briefe, der ganz aus dem Gleise geht, nicht
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beschwert haben, wenn ich mich anders zu helfen wüste v wenn ich nicht das
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gute Vertrauen behalte Sie so wenig verändert in Ihrer alten Neigung als
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mich selbst zu wißen. Mit nächstem will ich Ihnen v. Ihrer liebenswürdigen …
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ich wollte Hälfte schreiben; v. besann mich nicht daß
S
sie gegen Ihren
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armen Mann jetzt ⅔ ist. Umarmen Sie doch mein liebes Mütterchen, danken
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Sie Ihrem guten Herzen gegen ihren Sohn, der sein künfftiges Geschwister
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schon im Geist biß auf ein Dutzend bewillkommt. … Verzeyhen Sie meinen
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Scherz; Gott gebe‥ Ich wollte Sie so glückl. daß Sie auch keine Wünsche mehr
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bedürftig wären. Der HE.
D.
Ihr Bruder wird diesen Brief vielleicht mit
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er. Nachricht seiner eigenen Umstände begleiten, die ich nebst vielen ehrl.
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Leuten ihm beständiger v glücklicher gegönnt hätten. Schreiben Sie mir bester
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Freund, v grüßen Sie meine übrigen. Ihrem Schatz küße die Hände.
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Hamann.
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Oben auf der ersten Seite:
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Mit nächster Post liebster Freund Antwort; haben meine Eltern das
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türkische Mssc. erhalten v schon Anstalt zu Übersetzung deßelben gemacht.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (5).
Bisherige Drucke
Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 16–19.
ZH I 79–81, Nr. 30.