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Mein lieber Baron,

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Apollo aurem vellit
dt.: Apoll zupft den Dichter am Ohr,
Verg.
ecl.
6,3f.
Apollo aurem vellit,
sagt ein römischer Dichter. Das heißt nicht: Apollo

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kratzt sich hinter den Ohren. Solche Sitten laßen sich an einen ehrlichen Bauren,

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einen kranken Briefsteller, oder unachtsamen Schüler übersehen; schicken sich

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aber für keinen Apoll.
Apollo aurem vellit,
heißt: Der Apoll zupft den

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Dichter beym Ohr. Ist denn dies artiger? werden Sie sagen. Sie haben freylich

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nicht gantz unrecht. Ist aber Apoll allein zu tadeln, wenn es der Poet darnach

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macht. Diese Leute, ich meyne, die Poeten haben bey ihren großen Gaben auch

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ihre lieben Mängel. Sie sind zerstreut, gutherzig in ihren Versprechungen,

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aber auch vergeßam sie zu erfüllen – – können Sie es nun dem Apoll

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verargen, wenn er ein wenig vertraut mit seinen Freunden umgehen muß?

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Wollen Sie so gut seyn und im Namen des Apollo, aber auf eine

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liebreichere Art Ihren Herrn Bruder fragen; warum er mir mit dieser

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Gelegenheit nicht den Topf mit Honig geschickt, zu dem er mir den Mund in Grünhoff

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wäßericht gemacht hat? Apoll wird sich rächen und ihm seine Eingebung zu

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den Briefen versagen, die er mir schuldig ist. Apoll wird ihn durch mich

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züchtigen, und mir an statt Süßigkeiten, herbe und bittere Worte einflüstern. Ich

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werde ihm wieder meinen Willen gehorchen müßen, und Ihr Herr Bruder

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wird sehen, mit wem er es zu thun hat. Apoll möge sich selbst für Ihre gute

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Unterhandlung in dieser Sache, mein lieber Baron, gegen Sie erkenntlich

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und gefälliger bezeigen! Die Bildsäule der schönen Künste v Wißenschafften

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führt seinen Namen.

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Vermelden Sie meinen unterthänigen
Respect
an der Hochgebornen Frau

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ReichsGräfin und des HErrn
Generalen Excellence Excellence,
und

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erkennen mich als Dero aufrichtig ergebensten Diener.

4
Riga. den
4.
Octobr.
Hamann.

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1758.


6
Adresse mit rotem Lacksiegelrest:

7
à Monsieur / Monsieur Joseph le Baron / de Witten / à /
Grunhoff
.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 39.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 308–310.

ZH I 262 f., Nr. 121.