19
52/5
nicht einmal auf das Land reisen laßen. Da aber meine äußerl. Gesundheit

6
ziemlich wiederhergestellt war v die Neigung meines jungen Herrn so wohl als

7
das gerechte Mitleiden, was ich mit allen seinen Fehlern haben muste mich

8
alles übrige erträglich machten; die Ehre, die man übrigens darinn findt ohne

9
Erkenntlichkeit anderer auch bey der grösten Unbilligkeit ihrer Vernunft v.

10
Aufführung seine Pflichten zu thun, erhielte mich. Die Land Luft v die

11
Bibliothek, die ich jetzt zu brauchen hofte waren auch in meinen Augen Vortheile, die

12
mich zu derjenigen Treue in meinem Amt, die ich mich beständig zu bezeigen

13
befließen habe, aufmunterten.

14
Kegeln
heute Ķieģeļmuiža (Bezirk Kocēnu), Lettland [57° 28’ N, 25° 13’ O]
Wir kamen also nach Kegeln nach einigen Kleinigkeiten, mit denen Sie mich

15
zu demüthigen geglaubt hatte. Sie wollte mich durch einen unvermutheten

16
vgl. auch
Hamann,
Gedanken über meinen Lebenslauf
, LS S. 326/16
Abschied ein rechtes Schrecken einjagen; ich wuste denselben schon v. wollte

17
sie ihre Rolle ausspielen laßen.

18
greg. 25.5.1753
Den 14.
h.
am Freytage, an dem die Frau B. fastet, bekam ich gleich nach

19
dem Eßen folgenden eigenhändigen Brief durch die HausJgfr; nachdem der

20
junge Herr wie eine Leiche eine Viertelstunde vorher herunter gekommen war;

21
ich hatte unten gespeist.


22
Herr Hamann,

23
Condicion
von Stande
Da die Selben sich gahr nicht bey Kinder von
Conducion
zur
information

24
schicken, noch mir die schlechte Briefe gefallen wor in Sie Meinen Sohn so auf

25
eine gemeine und niederträchtige Ahrt abmahlen vielleicht kennen Sie nicht

26
Judiciren
urteilen
Pohtré
Portrait
anders
Judici
ren als nach Ihrem Eugenem
Pohtré,
ich Sehe Ihnen auch nicht

27
anders an als eine Seuhle mit vielen Büchern umbhangen welches noch gahr

28
nicht einen Geschickten HoffMeister aus macht, und mir auch schreiben Ihre

29
Freuheit und GemüthsRuhe zu lieb haben sie auf eine Anzahl von Jahre zu

30
verkauffen, ich will weder Ihre so vermeinte Geschicklichkeit noch Ihre Jahre

31
verkauft in meinem Hause sehen, ich verlange Ihnen gahr nicht bey meinen

32
Kindern machen Sie sich fertig Monntag von hier zu reußen.

33
B H V Budberg.


S. 53
5
Mohnat
sind Sie hier gewest 18 Thl habe an HE.
Pastor Blanck
bezahlt,

2
kommt Ihnen also noch 12 zu so hier beygehen.

3
Ich furchte mich, selbst oben zu gehen; es fiel mir ein diese 12 Thrl. zum

4
Inspector
zu schicken, der auch fortkommt v. ein alter Hoffmann ist, der viel

5
Erfahrung, Verstand v Lebens Art besitzt. Er wog sie ab v ließ mir sagen, daß

6
unwichtig
unterhalb des offiziellen Münzgewichts
3 unwichtig wären, der 1 um 1 Mark, der 2te um 2 der 3te um 3 Mark. Ich

7
schrieb daher nichts als folgende Qvittung.

8
Daß von Ew. Gnaden an Reisekosten von Königsberg nach Riga zu

9
kommen 18; und für einen halbjährigen Unterricht weniger 3 Wochen nebst

10
einigen andern HofDiensten 9 wichtige und 3 unwichtige Thaler erhalten,

11
bescheinige hiemit. Da aber die Reisekosten nicht zum Gehalt gehören und mir

12
80 Thrl. das Jahr ausgemacht sind, so werden mir 40 zukommen. Es thut

13
mir leid in einem so vornehmen Hause eine so….
Generosité
zu finden. Ich

14
bin mit dem schuldigen Dank für das Empfangene und in guter Erwartung

15
desjenigen, was mir noch zukommt Ew. Gnaden

16
gehorsamer Diener.


17
Man hatte den jungen Baron sogleich oben ruffen laßen, als ich meinen

18
Lauff Zedul bekam. Die Frau Baronin war in die Badstube den Abend

19
gegangen; ich wuste nicht, warum mein junger Herr nicht unten kam. Ich lies

20
ihn daher, als sie sich badete, herunter ruffen. Er kam mit weinenden Augen

21
zu mir, und entschuldigte sich, daß er nicht schuld wäre, er hätte einige mal die

22
Frau Baronin gebeten ihn unten zu laßen; sie hätte es ihm aber verboten

23
mich ferner zu sehen. Ich hatte ihm deswegen noch nicht einmal zu Rede

24
gestellt. Er fiel mich mit Thränen um Hals, v seine Treuherzigkeit machte mich

25
Parentation
Ermahnung
auch weich. Ich hielte ihm ungefehr folgende
Parentation:
So sehr ich Ihnen,

26
lieber Baron, für die Zärtlichkeit danke, die Sie über meinen Abschied

27
bezeigen; so wenig kann ich Ihnen die gar zu viele Thränen übersehen. Sie scheinen

28
damit ihrer gnädigen Mutter einen Vorwurf zu machen, der mit derjenigen

29
Achtsamkeit nicht bestehen kann, die Sie für selbige haben müßen. Ich habe

30
Ihnen noch heute die Verbindlichkeit des vierten Gebots erklärt. (Ich hatte

31
mir, ich weiß nicht aus welcher Ahndung, die Zeit genommen eine

32
Wiederholung der gantzen
χ
stl. Glaubens- v. Sittenlehre nach der letzten Abtheilung

33
in Saurins Catechismus mit ihm vorzunehmen; weil er überdem eine Stunde

34
früher wie sonst aufgestanden war. Ich war im stande diese Wiederholung

35
mehrentheils selbst auf eine Art zu thun, die seine Aufmerksamkeit auf selbige

36
zu ziehen schien.) Die Frau Baronin hat den Rath vernünftiger Leute gefolgt,

S. 54
wie ich gehört habe. Sie hat Ihre Entschlüßung an einem Tage ausgeführt, der

2
ihr und dem lieben Gott heilig seyn soll (Sie fastet alle Freytage). Sie wird die

3
Pflichten der Eltern aus dem Catechismus wißen, v Liebe genung für ihre

4
Kinder haben über jede Ungerechtigkeit zu zittern, die Sie ihrem Nächsten

5
thut. Ich habe Ihnen noch heute Gott als einen starken v. eifrigen Gott aus

6
den zehn Geboten kennen lehren, der die Mißethaten der Eltern an den

7
Kindern heimsuchet; v Ihnen zugleich aus dieser Drohung es als eine

8
Schuldigkeit hergeleitet für
unsere
ihre Eltern zu beten, daß sie sich an Gott nicht

9
versündigen sollen, daß unsere Eltern nicht in Versuchung mögen geführet

10
werden, daß Gott Ihnen Ihre Vergehungen erkennen v. bereuen laßen wolle.

11
Wenn Sie je glauben, daß die Fr. Baronin mir zu viel thut, wenn sie nach

12
ihrer Einsicht dies dafür halten; so danken Sie Gott, daß es nicht einem

13
andern widerfahren ist, der von allen Freunden v. Hülfs Mitteln entblößt wäre.

14
Sie würde sich sonst ungleich mehr versündigt haben. Laßen Sie sich, liebster

15
Baron, nicht mit meiner Person zugleich alles dasjenige Gute verdächtig

16
machen, was ich Ihnen gesagt habe pp. Ich wendete diese Viertelstunde so gut

17
mit ihm an als ich konnte v. lies ihm noch alle die Zärtlichkeit v. Redlichkeit

18
sehen, die ich für seine Erziehung gehabt hatte. Er drückte mich mit den

19
häufigsten Thränen aufs stärkste an sich. Die Frau B. die in der Badstube war, die

20
gerade über meine Schule ist, bekam zu hören, daß ihr Sohn bey mir wäre.

21
Sie ließ ihn daher so gleich zu sich ruffen. Sie hatte ihn von neuem verboten

22
mich zu sehen. Er kam durch den Garten unvermuthet an das Fenster, klopfte

23
an v. wünschte mir mit einer Wehmut die ich für aufrichtig halten kann, eine

24
gute Nacht. Den Sonntag war er im Garten, da ich von dem Herrn Pastor

25
kam; die Gegenwart der beyden Fräulein v. einige Auftritte, die ein neuer

26
rußischer Bediente mit der Fr. B. Kammermädchen angab, erlaubten mir nicht

27
mit ihm sonderlich ernsthaft zu reden. Den Sonnabend vorher hatte er mir

28
ein paar Briefe aus seinem Gefängniße geschrieben, davon ich den einen

29
beantwortete. Monntags sollte ich abreisen; ich schickte meinen vorigen

30
Bedienten oben um mich bey der Fr. B. zum Abschied anzumelden, gieng ihm aber

31
auf dem Fuße nach, weil ich noch meinen Baron zu sprechen hoffte. Ich kam

32
in das Vorhaus, wo sich ein musikalischer Landläufer mit Fingern v. dem

33
Munde in Gegenwart der Fräulein v. Hoff Mägde hören lies; der Bediente

34
brachte mir die Antwort, daß sich die Fr. B. Geschäfte wegen entschuldigen v.

35
mir alles Gute anwünschen ließ. Ich machte der Fr. meinen Bückling v. gab

36
dem B. einen Wink, der oben in der Stube stand; er kam zu mir gelauffen v

37
ich umarmte ihn. Wie ich schon im Wagen saß, oder in derjenigen Halb
Chaise,

S. 55
in der ich war ausgehohlt worden, kam er noch zu mir gelauffen v fiel mir

2
einige mal um den Hals.

3
Herr Pastor hat mir sein Wagenhaus zum Auffenthalt angebothen; ich bin

4
ihm einige Achtsamkeiten schuldig. Er hat mir die Anerbiethung gethan mich

5
mit seinen Wagen v. Pferden herausholen zu laßen, wenn es mir in Riga

6
nicht gefiel. Herr Belger ist so gut gewesen mich aufzunehmen. Seine

7
Prophezeyung, die er mir gleich bey meiner Ankunft that, der kleine Verweis, den er

8
dem HE. Pastor Blank gegeben, da er ihm erzählte, daß er mich für die Fr. B.

9
geworben habe, sind theils erfüllt, theils gerechtfertigt worden.

10
Ich bin bey dem HE. Regierungs Rath von Kampenhausen gewesen; ich

11
habe ihm meine Noth geklagt. Er ist erstaunt über einige Stückchen die ich ihm

12
von der Erziehung der Kinder v. der Fr. B. Aufführung gegen dieselbe erzählt

13
habe. Sie hat einen rußischen Bedienten angenommen der seinen Dienst bey

14
vornehmen Leuten vollkommen versteht, aber weder für der Fr. B. Haus noch

15
für den jungen B. ist. Seine Gegenwart würde mir unzählichen Verdrus

16
gemacht haben, wenn ich länger geblieben wäre. Dieser Kerl, der die besten Tage

17
von der Welt bey uns hat, hat sich schon einige mal die Haare ausgerauft, weil

18
er nicht dasjenige hier zu thun bekommt, was er bey andern vornehmen

19
Herrschaften zu thun gehabt hat. Es ist ein Kerl, dem man seine gantze Wirthschaft

20
anvertrauen kann, der die Stelle einer Haushälterin bey einem vornehmen

21
Herrn zu vertreten im stande ist, der über andere Bedienten Zucht zu halten

22
weiß, der seinen Herrn durch Einfälle aufzuwecken weis, wenn er verdrüßlich

23
ist, v der zu Schelmstücken v. ernsthaften Geschäften Verstand und Erfahrung

24
besitzt. Er versteht kein deutsch; er hat mir in 8 Tagen eine Hand schreiben

25
gelernt, über die man erstaunen mus, v ich hätte mir seine Dienstfertigkeit mir

26
rußisch zu lernen zu Nutz gemacht, wenn ich länger da geblieben wäre. In

27
dieser Absicht für den jungen Herrn ist er auch von der Fr. B. angenommen

28
worden. Bey dem Alter deßelben v. bey den Diensten
ist es der
die er dem

29
Baron thun kann, ist er
ist
ihm mehr nachtheilich als vortheilhaft. Den letzten

30
Sonntag grief er die Kammermagd der Fr. B. in Gegenwart der beiden

31
Fräulein oben v. unten; v. ich habe Ursache für die älteste ein Ärgernis der Welt zu

32
versprechen. Deßelben Abends badet er sich in Gegenwart der Fr. Baronin v

33
ihrer gantzen Familie mit allen Vortheilen dieser Kunst, auf dem Bauch v dem

34
Rücken. Dergl. Sitten sind nicht vornehm v. was will ich von der Aufführung

35
in diesem Hause sagen. Ich habe zu thun genung gehabt meinen jungen

36
Baron ein wenig artiger bey fremden Leuten, insbesondere gegen seine

37
Geschwister v bisweilen auch gegen seine Mutter selbst zu machen. Hundert Dinge

S. 56
könnte ich Ihnen erzählen v Sie haben Ursache für mein jetziges Schicksal

2
Gott zu danken. Kurz die Frau Baronin scheint in einem Hofmeister die

3
Eigenschaften eines Kammerdieners v Hoffnarren gesucht zu haben.

4
Der Herr von Kampenhausen steht mit ihr nicht gar zu gut, ein Herr der

5
ihr unendlich zu schmeicheln weiß um sie in einigen Stücken gelehrig

6
vernünftig pp zu machen. Er hält es für sie am besten, gar keinen Hofmeister zu halten

7
v. giebt ihre Kinder für verloren aus. Auf meinen jungen Herren will er selbst

8
mehr Verdacht werfen, als ich mit guten Gewißen gegen ihn haben kann.

9
Wenn er boshaft wenn er gegen mich hätte niederträchtig seyn wollen, warum

10
hat er nichts über die Ohrfeigen geklagt, warum ist ihm mein Abschied so nahe

11
gegangen? Alle seine Fehler sind durch seine Liebe zu mich erträglich für mich

12
geworden. Alle seine Fehler sind mehr Absichten v Folgen einer unverantwortl.

13
Erziehung, in der er aufgewachsen ist pp.

14
Ohne demjenigen, was sie mir an Geld entzogen hat, bin ich
von
in den

15
vornehmsten Häusern von ihr verläumdet worden. Warum hat sie niemals

16
das Herz gehabt mir ins Gesicht Vorwürfe deswegen zu machen? Sie hat sich

17
der Angeber, sie hat sich derjenigen Leute selbst geschämt, die sie sich auf die

18
niederträchtigste Art zu Ohrenbläsern v Zeitungsträgern v Aufsehern gehalten

19
hat. Ein Junge der mit der Fr. Baronin Undankbarkeit seine eigene zu

20
beschönigen gedenkt, eine Magd oder HausJgfr pp.

21
Der Herr v. K. ihr eigener Schwager hat mir gleichsam die Erlaubnis

22
vgl. auch
Hamann,
Gedanken über meinen Lebenslauf
, LS S. 326/32
gegeben sie zu verklagen v zu einer andern
Condition
Hoffnung gemacht; es ist

23
mir noch eine vorgeschlagen worden; v in der Angst habe ich an HE. Lindner

24
Mietau
heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
in Mietau geschrieben um auch für mich zu sorgen. Es fehlt hier an

25
Gelegenheiten nicht wieder besetzt zu werden; v Sie können deshalb unbekümmert

26
seyn. Eine kleine Unordnung in meiner Wirthschaft ist zu vermuthen, da ich

27
anstatt 40 nur 12 Thrl. bekommen habe die leicht wieder ersetzt werden

28
können.

29
Eben jetzt, da ich mein Hexen Mährchen von 2 Bogen zu Ende gebracht habe,

30
komt der liebe Herr Karstens, ich fuhr fort v habe ihm einen halben Bogen

31
gegeben an seinen Herrn Bruder zu schreiben. Er hat einen etwas ähnlichen

32
Zufall mit seinem HErrn gehabt. Herr Karstens will mich zu sich nehmen. Ich

33
will daher nichts mehr thun als meinen lieben Vater v meine liebe Mutter

34
aufs herzlichste, aufs kindlichste, aufs nachdrücklichste aufs allerbeste zu bitten

35
sich über dieser Kleinigkeit kein grau Haar wachsen zu laßen. Sie verdienet

36
nicht die geringste Sorgen; es thut mir um alle die ernsthaften Betrachtungen

37
nicht leid, die ich über diesen Zufall gemacht habe. Meine liebe Eltern werden

S. 57
aber dieselbe füglich ersparen können. Wer weiß die Wege Gottes wenn ihn

2
Moses nur von hinten zu sehen bekomt, wozu wollen wir seiner Vorsehung

3
ins Gesicht sehen. Ich habe mich von allen übrigen Personen bey meinem

4
Posten so weit als möglich zurückzuziehen gesucht; v alle Pflichten nach

5
meinen Kräften, alle meine Lebens Geister auf meinen lieben Baron insonderheit

6
angestrengt. Wenn ich mir das geringste vorzuwerfen hätte; würde ich das

7
Herz gehabt haben von der Frau B. Abschied zu nehmen? Wozu hat sie sich

8
deßelben geschämt. Ihr Gewißen giebt ihr zum Trotz Einsichten und

9
Empfindungen, mit denen ihr aber nicht gedient ist.


10
In der Neuauflage von
Gellert,
Fabeln und Erzählungen
von 1749: 2. Tl, S. 22, Wortlaut: „Wiewohl ein Mann, der sich zu keiner Pflicht – – Als für das Geld versteht, der schämt sich ewig nicht.“
Ein Mensch, das sich zu keiner Pflicht als zu dem Geld versteht

11
Das schämt sich ewig nicht.


12
Dies ist das Ende vom Lied. Ich danke Ihnen 1000 mal für überschickte

13
Sachen. Das ein
cassir
te Geld, wenn des Herrn Pastors dazu kommen wird,

14
ist Ihnen gewiß. Der letztere verlangt Gellerts schwedische Gräfin v die

15
Philosophische Gedanken mit der Beyschrift: Dieser Fisch ist nicht für alle in blau

16
planiert
geheftet
Pap. planiert noch dazu. Das erste könnte ein frantzoisch Bändchen nach HE.

17
Pastors Art kriegen; wenn man Pygmalion v Elise oder nach des HE. M.

18
Geschmack etwas dazu nähme.

19
Wie habe ich meiner Freunde Briefe gelesen, da ich nach Riga kam? Ich

20
werde selbige mit nächsten beantworten. Danken Sie Ihnen doch, lieber Papa,

21
für den guten
Credit,
in dem ich bey Ihnen noch stehe. Den HE. M. thut es

22
mir leid mit meinem unzeitigen Vorschlag Materie zu denken gegeben zu

23
haben. Ein anderer Hofmeister ist wieder Vermuthen unterwegens. Ich will

24
ihm selbst ehstens schreiben.

25
Meine liebe Mutter wird hunderterley Verdacht wieder mich schöpfen; laß

26
Sie sich doch begnügen mit der Ehre einen ziemlich ehrl. Sohn zu haben, um

27
viel zu lernen um in der Welt weiter als andere zu kommen, um beßer als

28
andere zu seyn, muß man sich viel gefallen laßen. Herr Pastor Blank wird

29
ehstens schreiben. Ich empfehle Sie herzlich Geliebteste Eltern, dem lieben

30
Gott v mich Ihrem herzlichen Gebet. Ich bin gut aufgehoben, habe mich

31
ziemlich wieder getröstet, verspreche mir gerechtfertigt zu werden pp. Grüßen Sie

32
aufs Beste alle gute Freunde v. Freundinnen. Mein Nachfolger heist

33
Sehrwold
nicht ermittelt
Sehrwold, ist ein Thüringer oder was mehr Ehre macht, ein Sachse. Ein

34
Philosoph, und wie er selbst sagt, ein Epikuräer; gegen 40 Jahre. Wir gefielen uns

35
in der ersten Viertelstunde, da wir uns einander sahen. Ich gieng ihn besuchen

36
um ihn bloß kennen zu lernen. Ich hatte mir vorgenommen mich gar nicht

37
auszulaßen sondern ihm meinen Baron zu empfehlen. Mein Anschlag

S. 58
scheiterte, weil ich einen sehr gesetzten Menschen an ihn fand, v der nach meinem

2
Geschmack war. Er ist auf einer eben so grausamen Art aus seiner
Condition

3
gekommen; besitzt im frantzoischen viele Stärke, einige Ähnligkeit vom Herrn

4
Link in seinem äußerl. v auch Umgange, nur daß seine Züge im ersten Stück

5
Link
nicht ermittelt
nicht so stark sind, Herr Link ist mit mehr Fleiß v. Kunst ausgearbeitet. Im

6
Umgange mehr Freundlichkeit v. einen nicht so fließenden Vortrag. Leben Sie

7
wohl. Ich werde vielleicht einen Hirten Brief für die meinigen, mit denen ich

8
mich gegen die Fr. B. versündigt habe, zu erwarten haben. Nicht zu viel

9
Mistrauen, auch wenn ich bitten darf, nicht gar zu viel Antheil; Sie müßen mich

10
jetzt schon dem lieben Gott v mir selbst überlaßen. Der erste wird ihre Stelle

11
vertreten, und ich will der Ueberlegung v. dem Gewißen folgen. Ich küße Ihnen

12
1000 mal die Hände v bin Ihr Zeitlebens gehorsamer Sohn.

13
Hamann.


14
Meinen Bruder v. HE. M. grüßen Sie aufs zärtlichste von mir. Herrn

15
Lauson danke für seine Gedichte.

Provenienz

Unvollständig überliefert. Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (7).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 254–257.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 46–49.

ZH I 52–58, Nr. 19.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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Conducion
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
Condicion