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Kgsberg den 8 Jun 84.

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HöchstzuEhrender Herr und Freund,

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Ihre Einlage nach Graventihn welche ich den 2ten d erhielt, ist noch denselben

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Abend abgegangen, und heute HE Kriegsrath Hippel mit seinem Raphael

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abgereist, beyde erwarte ich morgen, höchstens übermorgen mit meinem Michael,

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den ich einige Tage festhalten will.

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Diesen Morgen war
bey
HE Stadtrath Wirth, deßen Eifer wegen der

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Eichhornschen Pfarre fruchtlos gewesen. Er versprach mir die erhaltenen Bücher zu

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übersenden. Sie erhalten dafür den dritten und vierten Theil von Nicolai

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Reisen, die seiner gedruckten Vorschrift zu folge nicht verabfolgt werden sollen

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ohne die Pränumeration eines halben # auf den 5 u 6ten Theil. Ich erhalte

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also nebst 18 gl. für die Fracht zusammen 5 fl. 3 gl.

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Mein Freund Kraus scheint auch die abgesetzten Bücher nicht eher in Empfang

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nehmen zu wollen, biß er das Geld dafür baar abliefern kann. Unterdeßen ist

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die Sache abgemacht, und das Geld Ihnen auch sicher, und ich bin auch

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überzeugt, daß er der Sache ein Ende machen wird; weil die Schuld vornehmlich an

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D.
Buck dem OberBibliothekar liegt. Er kommt fast nicht aus dem Hause, und ist

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jetzt beschäftigt den Nachlaß des seel. Kreutzfeld über die Preuß. Geschichte in

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Ordnung zu bringen. Biß zu Dengels Ankunft, für den der Posten bestimmt ist,

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werde Gedult haben müßen – aber alsdann exekutorisch zu Werk gehen.

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Hintz, der sich zu Hasenpoth als
Advocat
angesetzt, hat sich hier über 14 Tage

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aufgehalten; er thut eine Reise nach Deutschland, wahrscheinl. bis nach Wien,

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wohin ich den Gruß an den
guten Jungen mit den tiefen Augen
ihm

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mitgegeben. Beykommendes Päckchen ist von ihm eigenhändig an Sie ausgefertigt

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worden, mit der Bitte, sich seiner
dabey
zu erinnern bey Eröfnung deßelben.

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Er thut diese Reise als Gesellschafter eines Herrn von Firks, deßen

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Hofmeister er gewesen, und hat 1000 Alb Thl dafür zu erwarten; unterdeßen seine

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praxin
ein Amtsgehülfe versieht, daß dieses Grundstück auch für ihn nicht ganz

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steril
bleibt.

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Freund Herder hat mir den ersten Theil seiner
Ideen zur Philosophie der

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Geschichte der Menschheit
in 4
o
überschickt, dem noch drey folgen werden.

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Sobald ich selbiges entbehren kann, werd ich nicht ermangeln es Ihnen

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mitzutheilen. Der Plan ist aus dem ersten Viertel noch nicht zu übersehen.

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Vorige Woche besuchte mich ein Prof. Werther oder Werthes in Gesellschaft

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unsers Mangelsdorf und Mohr. – Er kam von Petersburg und geht nach Wien.

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Er brachte mir die unangenehme Nachricht mit, daß Hartknoch über Lübeck zur

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See gegangen seyn sollte; welches ich mir noch nicht vorstellen kann. Seine

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Begleitung und andere Umstände machten mich in Ansehung seiner verlegen und

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mistrauisch. Gegen Kant soll er gesagt haben bey Wieland im Hause gelebt zu

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haben – und mir versicherte er Herder noch zu Bückeburg gut gekannt zu haben.

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Nunmehr sagt man, daß es der Uebersetzer des Ariost p seyn soll.

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Aus Weimar habe wider einen Einschluß erhalten der auf Hartknoch wartet.

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Das Neueste was ich mit Zufriedenheit gelesen ist
Burigny
Erasmus Leben

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von Burigny in 2 Theilen durch Pr. Henke in Helmstädt verkürzt, erläutert und

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berichtigt, aber von einem Landprediger Reich im Braunschweigschen übersetzt.

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Ein Buch, welches auch in Ihre Bibliothek gehört, wenn es nicht schon da ist.

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Mon bonnet de nuit
von Mercier in 2 Bänden habe auch durchgelaufen.

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Eine Sammlung seiner
Opuscules
unter diesem
titre phantasque.
Den Artikel

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über den Tacitus habe mir gantz ausgeschrieben und unter einer Menge von

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Tiraden auch einige starke und glückliche Stellen gefunden.

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Hartung hat eine kleine
brochure
mitgebracht:
Le petit fils d’Hercule
1701.

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Es ist eine gantz neue Schrift und die Jahrzahl ein Betrug. Die Kayserinn von

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Rußl. kommt am Ende darinn vor, der Verf. wird Vizekönig von Orel und

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macht durch seine Plane zum Besten der
Bevölkerung
sich so verdient, wie er

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allenthalben in Paris und auf seiner gantzen Reise durch Proben seiner

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Ausschweifungen u Stärke darinn berühmt geworden. Es ist ein Meisterstück von

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Brutalität.

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Eine ähnliche Schrift, die vor einigen Jahren unter dem Titel
Erroticon

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rerum amatoriarum Liber
(sollte heißen
Eroticon Biblion
)
herausgekommen,

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muste einem andern zu Gefallen ansehen,
von einem ähnlichen Inhalt
; nur

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daß Bibel und priapeische Gelehrsamkeit hier mehr gemisbraucht wird, und in

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jener Witz u Schreibart französischer ist.

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Noch liegen vor mir
Meditations philosophiques sur l’origine de la Justice

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par le Chancelier d’Aguesseau
in 4 Theilen, die Hintz mir zu Gefallen kaufen

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muste und von denen ich mir viel verspreche. Wenn meine Ahndung eintrifft;

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so werde nicht ermangeln Ihnen das Werk mitzutheilen, weil es bis zu seiner

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Widerkunft bey mir aufgehoben bleibt.

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Ich habe die Ehre nach ergebenster Empfehlung an die Frau Gemalin mit

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unveränderter Hochachtung zu seyn

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Ew Wolgeboren

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verpflichteter Freund und

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Diener Joh. Ge. Hamann.


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Bitte mir die
Qvecken
aufzuheben, die mir von allen Seiten versprochen

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worden ohne noch etwas erhalten zu haben, als den kleinen Ertrag meines

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wilden Gartens, mit dem es nicht der Mühe lohnt eine Cur anzufangen, die mir

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so nöthig ist als das liebe Brot.


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Adresse mit Siegelrest:

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An / HErrn Kriegsrath Scheffner / Erbherrn von und / zu /
Sprintlacken
/

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Nebst dem dritten und vierten Theil von Nicolai’s Reisen.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

ZH V 158–160, Nr. 744.