727
S. 115
Königsb den 12/1 Jänner 84.

2
Herzlich geliebtester Freund,

3
Ihre gütige Zuschrift habe mit dem vortrefl. Tonnchen
Caviar
am mittelsten

4
Weynachtsfeyertage den 26
pr.
erhalten, da ich eben das Vergnügen hatte in

5
dem Fragment eines alten
Mst.
von
Cicero de officiis
eine Stelle zu entdecken,

6
die noch in keinem geschriebnen u gedruckten Exemplar gefunden worden, und

7
noch oben ein in einer
Definition
von der
Billigkeit
besteht, die ich auch

8
einmal
definirt
in den Schärflein und dabey an meinen seel. Vater dachte der

9
immer zu sagen pflegte, wenn er ein Gelehrter geworden wäre, so hätte er ein

10
Buch über die Billigkeit geschrieben. Bey den Scherflein dachte ich – Hier ist

11
wenigstens Stoff gnug zu einem Büchlein; und nun muß ich noch oben ein so

12
glücklich seyn eine Erklärung des
Cicero
von dieser Tugend zu finden. Anlaß

13
dazu hat gegeben die Garvsche Uebersetzung u die
Heusingersche Ausgabe

14
welche ich für meinen Hans Michel gekauft, und
daß
er den 7
Xbr.
81. die

15
Handschrift auf der Christianischen
Auction
erstanden
hinter einem alten

16
Horatz
Locheri
gebunden. Das
Mst.
hält nur das erste Buch u. vom 2ten Buch

17
bis zu Anfang des 12 Kap. Noch enthält dieser Band einen sehr alten Abdruck

18
des
Somnium Scipionis
ohne Ort noch Jahr und eine Handschrift über die Kunst

19
Briefe zu schreiben, deßen Verfaßer sich
Wilhelmus Sophonensis
nennt u zuletzt

20
einen
Juvenal
in Lipzk 497 gedruckt. Dieser Band ist aus
Strimesii
Bibliothek.

21
Ich bin erst den 7
huj.
zum ersten mal in diesem Jahre ausgegangen wegen

22
allerhand Flüße u Kränklichkeiten.
Erhielt den 9 Nov. einen dicken Brief

23
aus Weimar, da ich eben an der Gicht
laborirte u die Einl. besorgte den

24
Tag drauf HE Friedrich nach Memel durch HE. Albrecht u
Munisa
an den HE

25
P.
Secr.
Schultz. Ich hoffe daß alles gut angekommen ist, denn keinen

26
ausdrückl. Wink davon finde in Ihrem Briefe. Diesen beantworte ich später als

27
gewöhnlich, weil ich jeden Tag auf meinen Sohn gewartet und an statt seiner vor

28
einer Stunde einen Brief erhalte aus dem sich seine Ankunft noch nicht absehen

29
läßt. Er begreift ebenso wenig als ich, wie der Irrthum in Ansehung der Preise

30
möglich ist. Seine eigene Worte:
Daß die Preise fehlen ist mir unbegreiflich,

31
da wir sie alleine wol 6 bis 7 mal durchgegangen u zum 8ten mal mit HE Cr. R.

32
Lilienthal selbst, in deßen Buch sie gantz gewiß gestanden. Soviel als ich mich

33
noch zu erinnern weiß, hat
Corderius
9 fl.
Wilsius
3 fl.
gekostet
obschon ich es

34
nicht gantz gewiß weiß
. Haben Sie noch die Commißionszedel von HE

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Hartknoch da werden Sie wenn sie nachsehen gantz gewiß die Preise der Bücher

36
finden – Das ist wahr daß er nur den 1 Theil vom
Mall. Malef.
erhalten aber es

S. 116
war nur der eine da, und ich glaubte gewiß daß es nicht weiter fortgesetzt sey,

2
und nichts als der erste Theil da wäre, u ich glaubte ebendaßelbe aus ihrem

3
eigenen Munde gehört zu haben (davon weiß ich nichts, kenne auch das Buch

4
nicht). Ich habe es nicht gekauft
für
HE Hill u wenn dem HE. H. soviel am

5
2ten Theil gelegen ist, so kann man bey
Monti
oder
Pilkowsky
nachfragen –

6
Ihre Commißionszedel würden die Sache gl. entscheiden, weil ich bey jedem

7
Buch die
Differentz
ihres
Commissions
mit dem
Auctions
Preise
not
irt; aber

8
diese Zedel sind schon
reponi
rt u ich kann in meinen Briefschaften ohne meinen

9
Sohn nichts auffinden.

10
Wie es auf der
Auction
zugegangen u von den Diebstälen die dabey

11
vorgefallen habe Ihnen gemeldt – also müßen Sie schon damit zufrieden seyn, wenn

12
alles nur
ziemlich richtig
ist. Ich schreibe vielleicht mit nächster Post an HE

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Kriegsrath Deutsch um die Ankunft meines Sohns zu befördern. Da soll kein

14
Augenblick versäumt werden, Ihre aufgegebene Puncte zu beantworten.

15
Befriedigen Sie mich auch in Ansehung der Einl. von Weimar im Nov. weil

16
ich keine Zeile dazu schreiben können als ein paar Worte an HE p Schultz, wißen

17
Sie vielleicht nicht einmal den
Canal
oder rührt das
NB
wegen meiner Gicht

18
von ihm. Mein herzliches Beyleid an unsern Freund in St Petersb. Ich bin ihm

19
längst wenigstens ein Merkmal meines Lebens u Genußes von seinem Empfang

20
schuldig. Was kann ich ihm schreiben bey solchen Umständen, was der Mühe

21
lohnt. Vielleicht liegt hier auch der Knoten, daß ich von 83 nur den 1 Band

22
erhalten. Ist das ganze Werk etwa gar ins Stecken gerathen. HE von Auerswald

23
hat sn Abschied vom Regiment erhalten. Ist doch nicht ein Misverständnis, daß

24
Sie mir die Vogelhistorie von
Buffon
zuzuschicken versprechen oder sind Theile

25
nachher ausgekommen, die noch zu den vorigen gehören, welche er erhalten.

26
Wißen Sie davon mehr wie ich. Gut! Wo nicht, so hüten Sie sich vor Irrungen

27
u
Remisen.
Die Metallgeschichte hätte sehr gern gehabt für ihn; er ist aber des

28
Buchs
Buffons
überdrüßig, weil er einen Theil ausgeliehen und nicht

29
widerbekommen kann. Was Sie einen Aufsatz in den Zeitungen nennen ist nichts wie

30
eine Ankündigung des Todes und besteht nur aus einigen Zeilen, also des

31
Porto
s nicht wert. Hab auch kein Exemplar selbst. In den Kgsb. Beyl. ist es um

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eine Zeile vermehrt aber auch mit Druckfehlern. Bey Ihrer Gott gebe glückl.

33
Ankunft soll eins fertig liegen, denn bestellt ist es schon, aber noch nicht erhalten.

34
Gott erfreue Sie bald mit guten Nachrichten von Ihres lieben Sohns guter

35
Beßerung. In Ansehung der Engbrüstigkeit ist es doch wol nichts von Ihnen

36
geerbtes. Sie schreiben mir wol von seinem Studieren; ist er aber nicht bereits

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bey HE Steiner. Mein Sohn hat auch lang einen schlimmen Fuß gehabt der

S. 117
mich vor einem faulen Schaden besorgt gemacht hat. Ich kann meiner

2
Geschwüre und Flechten auch nicht los werden. Das linke Ohr fault noch immer weg;

3
und die bittersüße Stengel oder
Dulcis-amara
Cur hatte mir eigentl. die Gicht

4
zugezogen –

5
In Ansehung der noch fehlenden Preise können Sie versichert seyn, daß Sie

6
selbige sobald mein Sohn kommt erhalten werden. Wenn ich einen
Catalogum

7
hätte; so könnte ich leicht herauskommen. Der ist aber währender
Auction

8
zerrißen und nachher verschmißen worden.


9
Ἑυρηκα! Ἑυρηκα!
p.
190 ist erstanden
Cranzii Saxonia
15 gl. anstatt 4 fl.

10
p.
62.
Corderius
= 9 fl. statt 8.

11
  
Radzivil
   1:15: –   
d
o

12
p.
165.
Wilsii
3 fl.
p.
124.
Fridlibii
2 fl.
p.
127.
Cherbury
3 fl. Diese 3 sind =

13
Ihren
Commissions
preisen. Erklären Sie mir aber doch, wenn so viel Preise

14
ausgelaßen, wie die Summen stimmen können. Meine Ängstlichkeit in Zählen

15
und Rechnen und Geldsachen ist Ihnen bekannt. Daß ich alle Posten mit HE

16
Criminalrath Lilienthal auf seiner Rechnung
mit ihm
nach meinem
Extract

17
verglichen, weil ich über 100 fl. theils für mich theils für die Stadtbibliothek

18
von der
General
rechnung ausziehen muste, ist der Auszug aus meines Sohns

19
Briefe ein Beweis. Wie ist es aber möglich, daß die Rechnungen damals haben

20
stimmen können, wenn die Preise von so viel Büchern bey Ihnen fehlen, versteh

21
ich ebenso wenig. Erklären Sie mir doch diesen Widerspruch. Sie schreiben, daß

22
die Preise der erstandenen Bücher von
p.
190 bis Ende fehlen, dies versteh ich

23
bis
zu Ende der Seite
; denn wenn sie bis zu Ende des
Catalogi
fehlten: so

24
wäre Ihre Rechnung unmögl. gantz hingekommen, weil Ihre
Commission
en

25
bis
p.
250 gehen. Nun weiß ich nicht mehr, ob die Rechnung, wie ich vermuthe

26
an
HE
Toussaint extradirt
oder in den Bücherkasten gelegt worden?

27
Die Entdeckung, welche ich in meinem
Mst
des
Cicero
gemacht, gehört zum

28
Ende des
IX
Cap. des
I.
Buchs
de officiis,
welcher Abschnitt sich bey mir also

29
schliest:
dubitatio
autem
cogitationem significat iniuriae.
Aequitas est

30
rerum conuenientia
,
quae in paribus causis paria iura desiderat
.

31
Die strittige Stelle im
XIII.
Kapitel fehlt auch in meiner Handschrift und es sind

32
noch ein paar merkwürdige Lesarten, von denen sonst keine Spuren sind, welche

33
auch Aufmerksamkeit verdienen. Dies ist die erste alte Handschrift die ich in

34
meinem Leben unter Händen gehabt; ich wag es also nicht ihr Alter zu

35
bestimmen. Die Anfangsbuchstaben fehlen bey jedem Abschnitt und ein leerer Raum

36
ist für alle griechische Wörter gelaßen worden, eine einzige Stelle

S. 118
ausgenommen, wo ein griechisches Wort wie mit dem Pinsel eingezeichnet, aber ohne alle

2
Orthographie, daß des Abschreibers Unwißenheit daraus zu ersehen. Der alte

3
Jacobi
in Hannover hat ein allerliebstes Buch über Mendelsohns Jerusalem

4
geschrieben. – Ich thue keine andere als Nothgänge, worunter auch vorzügl. die

5
Besuche gehören bey unserm sterbenden Freunde Kreutzfeld. Kapellmeister

6
Reichardt hat den 14
Xbr.
am
III
Adventssonntage seinen Hochzeittag gefeyert

7
mit der Fr
D.
Hänsler.

8
Nun Gott schenke Ihnen 1000 Gutes zum Neuen Jahr, Gesundheit, Leben u

9
Seegen – und gute Nachrichten aus der Schweitz. Der liebe Pf. hat mir se

10
Silhouette
und Meßiade geschickt.
Ach daß Hänschen hier wäre
! – schrien

11
meine 3 Mädchen beym
Caviar,
und
der
ich brummte –
damit der alte

12
Vater nichts übrig behielte
! Nun Gott schenke auch Ihnen u Ihrem

13
ganzen Hause Erquickung und Freude! Ich umarme Sie und ersterbe Ihr alter

14
Landsmann und Freund
au revoir.
Joh Georg Hamann


15
Vermerk von Hartknoch:

16
Empf
d
13
Febr
784

17
beantw
d
17 –

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

ZH V 115–118, Nr. 727.

Zusätze fremder Hand

118/16
–17
Johann Friedrich Hartknoch

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
115/24
Munisa
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Munisa
116/4
für
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
sdn
117/26
an
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
von