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S. 115
Königsb den 12/1 Jänner 84.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Ihre gütige Zuschrift habe mit dem vortrefl. Tonnchen
Caviar
am mittelsten
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Weynachtsfeyertage den 26
pr.
erhalten, da ich eben das Vergnügen hatte in
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dem Fragment eines alten
Mst.
von
Cicero de officiis
eine Stelle zu entdecken,
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die noch in keinem geschriebnen u gedruckten Exemplar gefunden worden, und
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noch oben ein in einer
Definition
von der
Billigkeit
besteht, die ich auch
8
einmal
definirt
in den Schärflein und dabey an meinen seel. Vater dachte der
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immer zu sagen pflegte, wenn er ein Gelehrter geworden wäre, so hätte er ein
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Buch über die Billigkeit geschrieben. Bey den Scherflein dachte ich – Hier ist
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wenigstens Stoff gnug zu einem Büchlein; und nun muß ich noch oben ein so
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glücklich seyn eine Erklärung des
Cicero
von dieser Tugend zu finden. Anlaß
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dazu hat gegeben die Garvsche Uebersetzung u die
Heusingersche Ausgabe
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welche ich für meinen Hans Michel gekauft, und
daß
er den 7
Xbr.
81. die
15
Handschrift auf der Christianischen
Auction
erstanden
hinter einem alten
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Horatz
Locheri
gebunden. Das
Mst.
hält nur das erste Buch u. vom 2ten Buch
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bis zu Anfang des 12 Kap. Noch enthält dieser Band einen sehr alten Abdruck
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des
Somnium Scipionis
ohne Ort noch Jahr und eine Handschrift über die Kunst
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Briefe zu schreiben, deßen Verfaßer sich
Wilhelmus Sophonensis
nennt u zuletzt
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einen
Juvenal
in Lipzk 497 gedruckt. Dieser Band ist aus
Strimesii
Bibliothek.
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Ich bin erst den 7
huj.
zum ersten mal in diesem Jahre ausgegangen wegen
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allerhand Flüße u Kränklichkeiten.
Erhielt den 9 Nov. einen dicken Brief
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aus Weimar, da ich eben an der Gicht
laborirte u die Einl. besorgte den
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Tag drauf HE Friedrich nach Memel durch HE. Albrecht u
Munisa
an den HE
25
P.
Secr.
Schultz. Ich hoffe daß alles gut angekommen ist, denn keinen
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ausdrückl. Wink davon finde in Ihrem Briefe. Diesen beantworte ich später als
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gewöhnlich, weil ich jeden Tag auf meinen Sohn gewartet und an statt seiner vor
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einer Stunde einen Brief erhalte aus dem sich seine Ankunft noch nicht absehen
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läßt. Er begreift ebenso wenig als ich, wie der Irrthum in Ansehung der Preise
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möglich ist. Seine eigene Worte:
„
Daß die Preise fehlen ist mir unbegreiflich,
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da wir sie alleine wol 6 bis 7 mal durchgegangen u zum 8ten mal mit HE Cr. R.
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Lilienthal selbst, in deßen Buch sie gantz gewiß gestanden. Soviel als ich mich
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noch zu erinnern weiß, hat
Corderius
9 fl.
Wilsius
3 fl.
gekostet
obschon ich es
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nicht gantz gewiß weiß
. Haben Sie noch die Commißionszedel von HE
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Hartknoch da werden Sie wenn sie nachsehen gantz gewiß die Preise der Bücher
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finden – Das ist wahr daß er nur den 1 Theil vom
Mall. Malef.
erhalten aber es
S. 116
war nur der eine da, und ich glaubte gewiß daß es nicht weiter fortgesetzt sey,
2
und nichts als der erste Theil da wäre, u ich glaubte ebendaßelbe aus ihrem
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eigenen Munde gehört zu haben (davon weiß ich nichts, kenne auch das Buch
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nicht). Ich habe es nicht gekauft
für
HE Hill u wenn dem HE. H. soviel am
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2ten Theil gelegen ist, so kann man bey
Monti
oder
Pilkowsky
nachfragen –
“
6
Ihre Commißionszedel würden die Sache gl. entscheiden, weil ich bey jedem
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Buch die
Differentz
ihres
Commissions
mit dem
Auctions
Preise
not
irt; aber
8
diese Zedel sind schon
reponi
rt u ich kann in meinen Briefschaften ohne meinen
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Sohn nichts auffinden.
10
Wie es auf der
Auction
zugegangen u von den Diebstälen die dabey
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vorgefallen habe Ihnen gemeldt – also müßen Sie schon damit zufrieden seyn, wenn
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alles nur
ziemlich richtig
ist. Ich schreibe vielleicht mit nächster Post an HE
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Kriegsrath Deutsch um die Ankunft meines Sohns zu befördern. Da soll kein
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Augenblick versäumt werden, Ihre aufgegebene Puncte zu beantworten.
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Befriedigen Sie mich auch in Ansehung der Einl. von Weimar im Nov. weil
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ich keine Zeile dazu schreiben können als ein paar Worte an HE p Schultz, wißen
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Sie vielleicht nicht einmal den
Canal
oder rührt das
NB
wegen meiner Gicht
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von ihm. Mein herzliches Beyleid an unsern Freund in St Petersb. Ich bin ihm
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längst wenigstens ein Merkmal meines Lebens u Genußes von seinem Empfang
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schuldig. Was kann ich ihm schreiben bey solchen Umständen, was der Mühe
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lohnt. Vielleicht liegt hier auch der Knoten, daß ich von 83 nur den 1 Band
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erhalten. Ist das ganze Werk etwa gar ins Stecken gerathen. HE von Auerswald
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hat sn Abschied vom Regiment erhalten. Ist doch nicht ein Misverständnis, daß
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Sie mir die Vogelhistorie von
Buffon
zuzuschicken versprechen oder sind Theile
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nachher ausgekommen, die noch zu den vorigen gehören, welche er erhalten.
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Wißen Sie davon mehr wie ich. Gut! Wo nicht, so hüten Sie sich vor Irrungen
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u
Remisen.
Die Metallgeschichte hätte sehr gern gehabt für ihn; er ist aber des
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Buchs
Buffons
überdrüßig, weil er einen Theil ausgeliehen und nicht
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widerbekommen kann. Was Sie einen Aufsatz in den Zeitungen nennen ist nichts wie
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eine Ankündigung des Todes und besteht nur aus einigen Zeilen, also des
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Porto
s nicht wert. Hab auch kein Exemplar selbst. In den Kgsb. Beyl. ist es um
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eine Zeile vermehrt aber auch mit Druckfehlern. Bey Ihrer Gott gebe glückl.
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Ankunft soll eins fertig liegen, denn bestellt ist es schon, aber noch nicht erhalten.
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Gott erfreue Sie bald mit guten Nachrichten von Ihres lieben Sohns guter
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Beßerung. In Ansehung der Engbrüstigkeit ist es doch wol nichts von Ihnen
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geerbtes. Sie schreiben mir wol von seinem Studieren; ist er aber nicht bereits
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bey HE Steiner. Mein Sohn hat auch lang einen schlimmen Fuß gehabt der
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mich vor einem faulen Schaden besorgt gemacht hat. Ich kann meiner
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Geschwüre und Flechten auch nicht los werden. Das linke Ohr fault noch immer weg;
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und die bittersüße Stengel oder
Dulcis-amara
Cur hatte mir eigentl. die Gicht
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zugezogen –
5
In Ansehung der noch fehlenden Preise können Sie versichert seyn, daß Sie
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selbige sobald mein Sohn kommt erhalten werden. Wenn ich einen
Catalogum
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hätte; so könnte ich leicht herauskommen. Der ist aber währender
Auction
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zerrißen und nachher verschmißen worden.
9
Ἑυρηκα! Ἑυρηκα!
p.
190 ist erstanden
Cranzii Saxonia
15 gl. anstatt 4 fl.
10
p.
62.
Corderius
= 9 fl. statt 8.
11
Radzivil
1:15: –
d
o
12
p.
165.
Wilsii
3 fl.
p.
124.
Fridlibii
2 fl.
p.
127.
Cherbury
3 fl. Diese 3 sind =
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Ihren
Commissions
preisen. Erklären Sie mir aber doch, wenn so viel Preise
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ausgelaßen, wie die Summen stimmen können. Meine Ängstlichkeit in Zählen
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und Rechnen und Geldsachen ist Ihnen bekannt. Daß ich alle Posten mit HE
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Criminalrath Lilienthal auf seiner Rechnung
mit ihm
nach meinem
Extract
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verglichen, weil ich über 100 fl. theils für mich theils für die Stadtbibliothek
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von der
General
rechnung ausziehen muste, ist der Auszug aus meines Sohns
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Briefe ein Beweis. Wie ist es aber möglich, daß die Rechnungen damals haben
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stimmen können, wenn die Preise von so viel Büchern bey Ihnen fehlen, versteh
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ich ebenso wenig. Erklären Sie mir doch diesen Widerspruch. Sie schreiben, daß
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die Preise der erstandenen Bücher von
p.
190 bis Ende fehlen, dies versteh ich
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bis
zu Ende der Seite
; denn wenn sie bis zu Ende des
Catalogi
fehlten: so
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wäre Ihre Rechnung unmögl. gantz hingekommen, weil Ihre
Commission
en
25
bis
p.
250 gehen. Nun weiß ich nicht mehr, ob die Rechnung, wie ich vermuthe
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an
HE
Toussaint extradirt
oder in den Bücherkasten gelegt worden?
27
Die Entdeckung, welche ich in meinem
Mst
des
Cicero
gemacht, gehört zum
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Ende des
IX
Cap. des
I.
Buchs
de officiis,
welcher Abschnitt sich bey mir also
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schliest:
dubitatio
autem
cogitationem significat iniuriae.
Aequitas est
30
rerum conuenientia
,
quae in paribus causis paria iura desiderat
.
31
Die strittige Stelle im
XIII.
Kapitel fehlt auch in meiner Handschrift und es sind
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noch ein paar merkwürdige Lesarten, von denen sonst keine Spuren sind, welche
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auch Aufmerksamkeit verdienen. Dies ist die erste alte Handschrift die ich in
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meinem Leben unter Händen gehabt; ich wag es also nicht ihr Alter zu
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bestimmen. Die Anfangsbuchstaben fehlen bey jedem Abschnitt und ein leerer Raum
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ist für alle griechische Wörter gelaßen worden, eine einzige Stelle
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ausgenommen, wo ein griechisches Wort wie mit dem Pinsel eingezeichnet, aber ohne alle
2
Orthographie, daß des Abschreibers Unwißenheit daraus zu ersehen. Der alte
3
Jacobi
in Hannover hat ein allerliebstes Buch über Mendelsohns Jerusalem
4
geschrieben. – Ich thue keine andere als Nothgänge, worunter auch vorzügl. die
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Besuche gehören bey unserm sterbenden Freunde Kreutzfeld. Kapellmeister
6
Reichardt hat den 14
Xbr.
am
III
Adventssonntage seinen Hochzeittag gefeyert
7
mit der Fr
D.
Hänsler.
8
Nun Gott schenke Ihnen 1000 Gutes zum Neuen Jahr, Gesundheit, Leben u
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Seegen – und gute Nachrichten aus der Schweitz. Der liebe Pf. hat mir se
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Silhouette
und Meßiade geschickt.
Ach daß Hänschen hier wäre
! – schrien
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meine 3 Mädchen beym
Caviar,
und
der
ich brummte –
damit der alte
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Vater nichts übrig behielte
! Nun Gott schenke auch Ihnen u Ihrem
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ganzen Hause Erquickung und Freude! Ich umarme Sie und ersterbe Ihr alter
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Landsmann und Freund
au revoir.
Joh Georg Hamann
15
Vermerk von Hartknoch:
16
Empf
d
13
Febr
784
17
beantw
d
17 –
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
ZH V 115–118, Nr. 727.
Zusätze fremder Hand
118/16 –17
|
Johann Friedrich Hartknoch |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
115/24 |
Munisa |
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Munisa |
116/4 |
für ]
|
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: sdn |
117/26 |
an ]
|
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: von |