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Kgsb. den 17
Sept
83.
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Herzlich geliebtester Freund
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Ihr Päckchen vom 3
Aug. c.
habe den 8
Sept
erhalten, ohne daß es mir mögl.
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gewesen eher zu antworten noch Ihrer lieben Gemalin nebst Familie meinen
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Scharrfuß zu machen, als heute und zwar diesen Augenblick über 12 Mittags
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bey meinem alten Freunde
Jacobi.
Gott Lob! Ihr kleiner Sohn ist ein wackerer
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lieber Junge – auch seine Amme habe im Augenschein genommen, mit der Sie
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hoff ich ebenso zufrieden seyn werden, als Herder mit seiner. Anstatt zu murren
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danken Sie Gott, daß Mutter und Kind noch so gut davon gekommen sind.
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Beyde hätten sich leicht das Leben einander abzehren können – in ihrer Unschuld
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– wenn man nicht noch zur höchsten Zeit den Mangel entdeckt. Das
Seculum
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fällt immer von einem Äußersten zum andern, von einem Vorurtheil auf das
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entgegenstehende. Glauben Sie nicht, liebster Freund, daß alle Mütter jetzt
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unterm mosaischen Bann liegen, ihre Kinder zu stillen. Die seel. Frau meines
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heutigen Wirths hat gnug gerungen nach diesem Glück, aber es ist immer bey
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Lebensstrafe verboten gewesen.
Me Courtan
hat mir gl. am Anfange die
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Gefahr erzählt, und daß es sehr schwer gehalten die Mutter zur Annehmung einer
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Amme zu überreden.
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Hill hat mir 14 fl. 15 gl. den 10
huj.
für das portug. Wörterbuch ausgezahlt,
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und ich will das Geld mitgeben, nebst 3 Exempl. der Philipschen Briefe die ich
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gestern aus Trutenau geholt. Mein Sohn ist seit dem 7 wieder in Graventihn
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wo er vom 24
Jul.
bis
eod Aug.
zugebracht, wird auch wol den Winter daselbst
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zubringen. Ich hatte ihm
Lous Tentam
ien zum Verwahren gegeben und konnte
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sie bey Erhaltung Ihres Briefes nirgends finden. Er erhielt deshalb einen Brief
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dat
irt vom Berge Sinai – seine Antwort hat mir aber desto mehr Freude
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gemacht. Er hat die Abhandl. gut verwahrt, meldete mir ihren Ort, und macht mir
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viel Hofnung, daß seine Verpflanzung von gutem Einfluß seyn wird, ohne daß
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ich den meinigen dadurch zu verlieren besorgen darf. Ich habe mit
Me
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Hartknoch Abrede genommen Ihr alles künftiger Woche gehörig einzuhändigen.
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Endl. habe ich eine Antwort aus Schwansfeld ausgepreßt. Es ist alles ordentl.
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da bis zum ersten Qvartal dieses Jahrs; aber das vierte des vorigen ist doppelt,
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soll daher auch beygelegt werden.
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Wie hält es mit dem noch fehlenden Theil des Sh. weil ich gern den hier schon
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liegenden – (ich glaub es ist der 10
te
) los seyn sollte; in Ansehung deßen Hans
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Schelte verdient u erhalten, weil er von dem Staub auf dem Boden zieml.
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verwahrlost worden. Unterdeßen wenn nur der andere Theil noch ankomt, hoff ich
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ihn schon los zu werden an HE v Auerswald, den ich erwarte wie er seinen
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Abschied. Auf Friedrich habe schon diese ganze Woche gewartet um das Petersb
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Journal gehörig einzupacken u zu befördern. Ich denke heute oder morgen alles
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aus dem Hause zu haben. HE Voldenscherer fand im
Toussaint
schen Hause
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ohne ihn zu kennen. Meine älteste Tochter hat mit des braven
Podbielski
seiner
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Bekanntschaft gemacht u ist durch das reiche noch unverdiente Geschenk zu ihrer
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Aufmunterung im Zeichnen sehr beschämt. Aus Mitau habe nicht den geringsten
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Wink erhalten, daß
Philips Epist.
bey dem Hofr. angekommen. Wir haben uns
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zieml. einander die Kolbe gelauset – unterdeßen hof ich daß alles ein gutes Ende
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nehmen wird u ich einen ruhigen Winter haben werde, auch daß die Zeit für den
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jungen Menschen nicht ganz verloren seyn dörfte. Mit der Nachricht von
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Lavater haben Sie mir u Reichards Freunden viel Freude gemacht. An Lavater habe
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auch einmal nach
5
/
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Jahren geschrieben u wenigstens mein Stillschweigen
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entschuldigt u allen Verdacht des Undanks widerlegt.
S. 80
Den 11 haben wir durch ein Gewitter viel Schrecken gehabt; am Baum ein
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Bording mit Korn beladen ist untergegangen, ein Schildwache am ButterBerge
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gezeichnet u eine Winkelschule auf der Laake in ein panisches Schrecken gejagt
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worden. Ich speiste eben bey HE Kr. Rath Hippel zu Mittag u war ein
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Augenzeuge einer ähnl. Bestürzung. Mehr als 50 Kinder kamen blökend wie eine
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Heerde aus der Schule dicht am Comödien Hause gestürzt. Lauson hat vor
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wenigen Wochen einen Leichenstein entdeckt bey dem Steinmetze der Heeringsbraake
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mit folgender Aufschrift:
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Hier lieg u schlaf ich Jacob Klein im Bett von Kalk und Steinen
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Mit Weib u Kind: Daß nur nicht Wer uns stöhr in unsrer Ruh
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Sonst wird Angst Furcht u Schrecken ihm die Augen drücken zu
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Du Jesu rühr uns nur, wenn Du wirst zum Gericht erscheinen.
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Der Mann ist Kgl. Ober
appell.
Gerichtsrath gewesen † 1711 Vater des
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berühmten
Klein
in Danzig. u die Tragheimsche Kirche nur vor ein paar Wochen
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abgeputzt worden. Nächstens
mehr
.
Ich umarme Sie und ersterbe Ihr alter
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treuer Freund
Joh. Georg Hamann.
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Adresse mit Mundlackrest:
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An / HErrn Hartknoch / Buchhändler / zu / Riga
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Vermerk von Hartknoch:
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HE Hamann in Königsberg
21
empf
d.
9
Sept
1783
22
beantw
d.
7
Oct
–
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, II 439.
Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 125.
ZH V 78–80, Nr. 714.
Zusätze fremder Hand
80/20 –22
|
Johann Friedrich Hartknoch |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
80/15 |
mehr . |
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: mehr. |