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203/21
Königsberg den 3
Julii
80.

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Herzlich geliebtester Freund,

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Freue mich Ihrer glücklichen Heimkunft, und wünsche Ihnen Gesundheit,

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Leben u Seegen aus Intereße, das heißt, von Grund des Herzens. HE
Courtan

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hat die mir aufgetragene
Commission
übernommen. Die
Auction
wird bis

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zur Ankunft des neuen
Prof.
Diedrich aufgeschoben, von dem man nichts

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zuverläßiges erfahren kann.
Kypke Obseruationes
habe ausgestrichen, weil die

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letzte Lage am 1 u 2ten Theil fehlt u ich das Exemplar selbst eine zeitlang

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gebraucht. Gevatter Herder hat mir
sine die et consule
gemeldt, daß er gestern,

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das heist vor dem auszumittelnden
dato
seines Briefes den Glückwunsch des

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Secretaire perpetuel
zur
triple couronne
der
seiner
Papauté
erhalten. Er,

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Mutter u Gottfr. gehen nach Illmenau im Thüringerwalde dort Pyrmonter

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zu trinken u auf den hohen Bergen des Waldes einige Ruhe zu athmen. Ich

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armer Teufel muß mit Biermolken für lieb nehmen, die ich in die dritte Woche

S. 204
brauche. – Doch bin ich diesen Sommer einen halben Tag zu Fuß nach

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Aweyden u mit meinem gantzen Hause einen ganzen Sontag, neml. den vor unserm

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Jahrmarkt in Fuchshöfen gewesen in einer mir aufgedrungenen Kutsche

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mit 4 Pferden,
quod bene notandum.

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„Nach einer Weißagung des Zellerfelder Propheten wird ein großer Theil

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von Deutschl. vom Gotthard den Rhein herab bis nach Wetzlar durch

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Erdbeben u Sinken untergehen und gegen 8000 Ortschaften groß u klein

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Schaden nehmen. Sie ist physisch (nach einer sehr eignen Physik) u kabbalistisch

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aus dem Buch Chevilah, das er für die älteste Hieroglyphenschrift hält,

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abgefaßt. Sie ist für mich abgeschrieben worden, aber ich muß drauf warten,

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weil sie Knebel mit nach der Schweitz genommen. Es soll ein stiller,

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bescheidner Mann seyn, u er hat diese Erklärung (die mit dem Erdbeben des

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Febr. gerade in den Tagen u dem Strich nach, den er angegeben, im kleinen

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Vorspiel eingetroffen) an die 2 Regierungen zu Braunschw. u Hannover

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vorigen Jahrs gesandt“ – Eben der Briefsteller empfiehlt mir die Denkw.

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des
d’Aubigné
an seine Kinder, und ich selbige auch Ihnen.

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Sollte HE Lentz nach Riga zurückkommen oder Sie in Briefwechsel mit

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ihm gerathen: so erinnern Sie ihn doch eines Kastens mit Büchern, Aufsätzen

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u Kleidern, der beym Gevatter Kaufmann, gegenwärtig nicht mehr im Schloß

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Hegi sondern zu Klarensegg steht.

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Der König hat sich eine Stunde lang mit HE Laval unterhalten; doch ich will

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keinen Eingrif in FamilienNeuigkeiten thun. Wird Ihr lieber Sohn bald mit

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Füeßli durchkommen? In der 1. Fortsetzung der Betrachtungen fehlt Bogen E.

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den ich sehr wünsche ergänzt zu sehen um das Buch binden zu können.

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Hänschen Michel hat den 9
Jun.
seine Schreibstunden angefangen. Der

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Himmel laß ihn wachsen, mich abnehmen und aus unserm Scherz Ernst werden.

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Empfehlen Sie mich Ihrer würdigen Frau. Wie sehr Sie mir von unserm

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Herder empfohlen worden, hab ich Ihnen nicht einmal mitgetheilt, sondern

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auf beßere Zeiten verspart. Die Gartenlust mög Ihnen beyderseits wohl

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gedeyen! Bitte zugl. mein Andenken bey Ihrem HE. Wirth, unserm Landsmann

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zu erneuern.
Im
umarme Sie und ersterbe Ihr beynahe 50jähriger –

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Joh. Georg Hamann.


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Der König soll dem Präsidenten aufgetragen haben unserm alten Freund

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K. 7000 rth auszuzahlen. Solch Glück wünsch ich Ihnen nicht und brauchen

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Sie auch nicht. Unterdeßen sind dergl.
Luces
naturae
u.
prouidentiae

S. 205
erbaulich und unterhaltend und gehören zum
Geheimnis
oder
Glaubensarticul

2
der
besten Welt
.


3
Adresse mit Mundlackrest (Kopf des Sokrates nach links):

4
HErrn / Herrn Hartknoch


5
Vermerk von Hartknoch:

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HE Hamann in Königsberg

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Empf d 29
Jun
1780

8
beantw
d
15 Jul –

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

ZH IV 203–205, Nr. 595.

Zusätze fremder Hand

205/6
–8
Johann Friedrich Hartknoch

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
204/31
Im
]
Geändert nach Druckbogen 1943; ZH:
Ich
204/35
Luces
]
Druckbogen 1943:
Lupes
; der Textfehler geht wohl nicht auf Hamanns Handschrift zurück.