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GeEhrteste Freundin

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An meinem Erinnern und Bitten hat es eben so wenig als an dem

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Versprechen meines Freundes gelegen, daß er noch nicht bey Ihnen gewesen.

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Heute ist es mir ohnmöglich Ihren Wunsch anders zu erfüllen als in dem

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Fall, daß er zu mir käme, woran ich aber sehr zweifele. Mein Sohn ist heute

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zu Gast gebeten, und dieser Weg ist mir also auch abgeschnitten. Käm er bald

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gnug nach Hause, doch ich bin von keinem Wort Herr.

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Mein gestriges Geschäfte war so unangenehm, daß ich mit Verdruß nach

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Hause eilte. War gestern um 7 Uhr in der neml. Angelegenheit und fest

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entschloßen bey Ihnen anzusprechen, hatte auch schon Hänschen bestellt, im Fall

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ich ein wenig später mich aufhalten sollte, mich abzuholen. Ich schämte mich

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aber aus der Bier u Mördergrube bey Ihnen anzusprechen. Was ich also

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imstande zu thun, soll geschehen; Selbst ausgehen kann ich nicht. Ungeachtet

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ich trotz dem lieben
Calvin
an ein vorherbestimmtes Schicksal glaube, und

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heute in keiner Kirche gewesen bin, sing ich mit meinem alten Martin über dem

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Sopha
Vivat
– und bin gleich im Begrif eine Neige Wein auch auf Ihren

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Antheil und zufälligen Einfluß auszuleeren. So muß man die Ostern feyern

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und des Lebens Bitterkeit vertreiben.

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Johann Georg Hamann


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Ostermittag
beym Kälberbraten von

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12 ℔ bitte sich aber gegen die Policey

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nichts merken zu laßen.


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Adresse mit Mundlackrest:

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Pour / Madame Courtan / née Toussaint

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 2.

Bisherige Drucke

ZH IV 179, Nr. 587.