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P. P.

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Ew.
Hochwolgeborne
statte zuförderst meinen ergebensten Dank für das

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Eloge
ab, das mir wegen der kleinen philosophischen Klätschereyen,

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Koketterien und Seitenblicke eines doppelten Lesens würdiger gewesen, als wegen

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der Sachen selbst oder der darauf verwandten Kunst. Endl. hab ich den ersten

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Theil der Lebensläufe bekommen und lege selbigen bey mit der überflüßigen

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Bitte es mir sobald als mögl. (weil es ein gelehntes und bereits dadurch

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gemisbrauchtes Buch) wieder zurück zu liefern. Ich sehe diese Bitte als

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überflüßig an, da ich von Ew. Hochwolgebornen gewißenhaften Gebrauch eines

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fremden Eigentums längst überzeugt bin.

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Nun hätte ich noch eine
Ladung von Bitten
, die kaum auf diesem ganzen

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Bogen Raum hätten – und ich befinde mich in einer so großen Verlegenheit,

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daß ich auf keinerley Art, meine litterarische Bedürfniße geschweige Neugierde

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zu befriedigen weiß, als durch Ihre geneigte Vermittelung.

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Zuförderst und
pro primo
bitte Ew. Hochwolgeboren mich zu meinem

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Universo
zu verhelfen, das ich schon seit länger denn 14 Tagen zu einer

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Arbeit nöthig
habe, worinn ich nicht von der Stelle kommen kann, ohne dies

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Büchlein vorher angesehen zu haben. Bücher sind kein Spielzeug für mich,

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sondern Handwerksgeräthe, gehören zu meines Lebens Nahrung und

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Nothdurft – Es ist also in mehr als einem Verstande wahre Unbarmherzigkeit,

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mich dieser Hülfsmittel zu entziehen. Dies
Universum
ist besonders ein

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doppeltes
Andenken der Freundschaft, und ein noch
unbeantworteter
Brief,

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und ich bleibe keiner Seele was schuldig, die Bezahlung mag so lange

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währen und so schlecht ausfallen, wie sie wolle. Deshalb die Feder anzusetzen, wird

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mir noch saurer als ein Besuch, und ich würde schreiben, was und wie ich

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denke. Sollte es Ew. Hochwolgebornen möglich seyn dieser meiner

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Verlegenheit abzuhelfen: so würde ich dadurch unendlich verpflichtet seyn. Ueber diesen

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Punct will abbrechen, so vieles auch noch zu sagen hätte –

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Meine zweyte Bitte betrifft einen gewißen
Oehninger
– ob selbiger nicht

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in Hamberger u Meusel steht. Er soll den in seiner Blöße dargestellten sonst

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aber durch seine Scheinheiligkeit blendenden Capucinerorden geschrieben

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haben. Sollte dies Buch im Buchladen zu haben seyn, wo Ew.

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Hochwolgebornen bisweilen Geschäfte haben: so wäre es leicht mir auf ein paar Tage

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selbiges zu verschaffen – oder irgend eine andere
Nachricht
Schrift von diesem

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Orden und der innern Geschichte deßelben.

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Meine dritte Bitte wäre auf heute noch um dero freundschaftliche

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Gewogenheit
en
,
sich
bey den gegenwärtigen Meß Neuigkeiten eines auf einer

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wüsten Insel verödeten
Arrestant
en sich zu erinnern, dem z. E. mit dem
dritten

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Anhange der A. D. Bibliothek
p p p
sehr gedient wäre.

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Ew. Hochwolgebornen werden vermuthlich so müde seyn, fortzufahren als

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ich selbst. Da ich nicht weiß ob dies Jahr im stande seyn werde auszugehen,

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denn wenige Lust habe ich dazu: so leb ich doch wenigstens der guten Hoffnung

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daß Sie das Ende der Welt leichter zu Pferde erreichen werden, als ich das

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Ihrige mit
Hans Sachsen
Gradu ad Parnassum.
Halten Sie es für keine

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Pedanterie des Briefstyls, wenn ich mich – bis zum
mündlichen Mehr

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nennen darf Ew. Hochwolgebornen aufrichtig ergebensten Diener

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Johann Georg Hamann


30
den 1
Xbr.
79.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Depot Auerswald.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VI 104–106.

ZH IV 134 f., Nr. 572.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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Hochwolgeborne
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Geändert nach Druckbogen 1943; ZH:
Hochwolgebornen