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Endlich, bester Hamann, u. Herr Götti unsers lieben kleinen Christoph
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Adrian Gotthilf Kaufm.
hat
ward Ihrem Gevattermann vergönnt ein
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paar Zeilen aus seinem Herzen an Sie ergehen zu lassen; u. ich soll von seinem
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Werden u. bisherigen Leben (
quantumvis
Laie) nähern Rapport abstatten.
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Am ersten September, bei wachsendem Mond und (was seinen Herrn
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Großvätern sehr merkwürdig war) unterm Zeichen des Steinbocks, Morgens um
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4 Uhr ward er geboren. Die treue Elisa K. hatte einen heftigen Schrecken
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gehabt der nebst einer Verkältung u. der Aengstlichkeit ihrer Fr. Mutter die
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Niederkunft beschleunigte. Eine Kolik welche sie bekam wurde bald durch die
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Treue Wartung ihres Mannes gehoben. Gegen Abend ließ er ungeachtet
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noch keine zuverlässige Anzeigen einer nahen Entbindung vorhanden waren,
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aus Mistrauen gegen seine von so vielen Seiten auf nie erfahrene Weise
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angegriffene Kräfte einen treuen Akkuschör rufen, welcher auch, blos auf
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Zureden, ohne die Entbindung so nahe zu vermuthen, die Nacht hier schlief.
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K. brachte den Abend u. die Nacht allein mit seiner treuen Gattin zu, sah
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immer näher u. immer schmerzhafter die heilige Stunde des mühsamen
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Kampfes heranrücken, sah mit Wonne u. Dank das herrliche Maas der von Gott
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seinem Weibe verliehenen innern u. äußern Kräfte, durchfühlte in sich u.
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in u. mit ihr alle Arten der höchsten u. tiefsten, bängsten u. seligsten
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Empfindungen – eine Nacht nie erfahrener, nie vorempfundener Prüfungen u. Segen.
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Gegen Morgen
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ward der Akkuschör von dem lauten durchdringenden
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Schreien der schmerzenvollen Gebärerin geweckt, u. eilte dem Manne dessen
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Muth u. Liebe u. Beistand sie unterstüzte Handreichung zu thun. Lange war
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nur der Kopf des ungemein grossen u. knochichten Kindes am Lichte mit
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Aufbietung der letzten Reste von Kräften geschah es daß endlich der Vater einen
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stark u. edelgebildeten Knaben auf seinen Armen hielt. Aber noch nicht wars
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ihnen vergönnt sich
ganz
der vollbrachten Leiden zu freuen. Starr, fast kalt,
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ohne einiges Zeichen des Lebens war das Kind. Er blies ihm Odem in die
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Lungen – es zeigte sich kein Schein des Lebens. Das schon durch u. durch wunde
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Herz aufs neue im Innersten zerrissen – unter den entsetzlichsten Kämpfen
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eilte er warmen Wein zu holen, in dem unaussprechl. Streite der Freude u.
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Bänge trat er ins Zimmer u. sah in den neubelebten Gliedern Freude Leben
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u Kraft im gleichen Augenblick da er die matte Stimme seines Weibs hörte:
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„Gelt auch es lebt!“ – Seitdem sind Gesundheit u. Stärke, Geist u. Leben,
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Freude u. Liebe des kleinen Knaben Eigenthum. Nach wenig Tagen konnte die
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treue Mutter den starken gesunden Appetit des jungen gewaltthätigen
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Nimrods der mit unbeschreiblichem Behagen an ihrer Brust liegt, reichlich stillen,
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u. bisher hat er noch keinen Tropfen anderer Nahrung genossen. Er wird
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nicht fett, aber groß u. kräftig u. mit jedem Tage wächst seine Lebhaftigkeit
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u. seine Theilnehmung an allem was um ihn ist. Ein einziges mal, 8 Tage
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nach seiner Geburt bedrohete eine starke Verstopfung, mit Schnuppen,
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heftigem Herzklopfen u. Convulsionen begleitet, sein Leben. Die Pflege seines
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Vaters war gesegnet u. nach 24 Stunden war sein Leben ausser Gefahr. Die
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Stärke u. Regsamkeit seiner Glieder macht seinem Vater der sie auf
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tausenderlei Art in Uebung u. Bewegung setzt, unendlich viele Freude. Sein
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Großvater hat ihm einen alten schönen Schweizerharnisch geschenkt welchen sein
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Vater getragen hatte. Sein Sohn legte ihn an u. ritt darin hieher wo ihm sein
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Weib den kleinen Jungen aufm Arm mit Gesang entgegen kam: mit
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bepanzerten Armen nahm er ihn ihr ab, drückte ihn an die eiserne Brust u. froh
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lächelte der Knabe das unterm Helm ihm kennbare Gesicht des Vaters an.
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Dieser Harnisch das schäzbarste Denkmal der edlen Vestigkeit schweizerischer
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Ahnen u. ein niedliches liebes am gleichen Tag mit ihm geborenes Schäfchen
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machen seine ersten Besitzthümer aus u. schaffen manche rein frohe Stunde.
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Ich bin kaum fähig auf dieß Erzählen hinab, Ihnen bester Hamann, weiter
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was zu sagen – unsere Erndt u. Herbst Freuden sind ungemein glücklich u.
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sehr gesegnet vorbei – Bald beziehen wir nun unser altes Felsenschloß
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einsam, mit Eichwäldern umgeben frei u. stille – In Hausväterlicher
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Thätigkeit, von der Welt mit jedem Tag etwas weiter entfernt, tragend die Leiden
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die von der Menschheit – u. die höhern Leiden die von der edlern Menschheit
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unzertrennl. sind, die ihren Adel ausmachen, läutern u. erhöhen – so, bester
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Hamann, lebt K. glücklich – in Zukunft u. Gegenwart. Ich kann nicht mehr.
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Morgen soll ich auf etliche Wochen von hier scheiden die Meinigen in
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Straßburg die durch plözlichen Verlust meines Vaters empfindlich heimgesucht
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worden, trösten u. berathen helfen – Leben Sie wohl, bester Hamann – Gott
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segne Sie. Mit treuem Herzen Ihr ergebenster
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Hegi 26 Okt. 1778.
Ehrmann.
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Adresse mit rotem Lacksiegel:
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Herrn Joh. Georg
Hamann
/ königl. Packhofsverwalter /
Königsberg
/
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in Preußen.
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Vermerk von Hamann:
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Erhalten den 11 Novbr 78.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2553 [Gildemeisters Hamanniana], I 29.
Bisherige Drucke
ZH IV 27–29, Nr. 534.
Zusätze fremder Hand
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Johann Georg Hamann |