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24/30
Kgsberg den 13
Julii
78.
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Endlich, bester liebster Gevatter, Landsmann und Freund!
muß
ich
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schreiben um Einl. zu befördern, auf die ich lange gnug gewartet und über ihr
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Ausbleiben mich beunruhigt. Die Gründe davon werden Sie leider! darinn
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lesen, und sollte ich die Gründe meines eigensinnigen, lieblosen, verzweifelten
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Stillschweigens noch dazu auskramen: so wäre freylich reicher Stoff – aber
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nichts zur Sache.
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Hartknoch hat mich mit Nachrichten und
Denkmalen
erfreut, ist sehr
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freundschaftlich gegen mich gewesen, den 24
Junii
von hier abgereist, und hat
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vieles auf seiner Heimfahrt aushalten müßen; sein Schicksal ist rührend, wie
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seine Gelaßenheit und Ergebung – Bey der wenigen Hofnung ihn
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wiederzusehen, haben wir Entwürfe zu Reisen gemacht, deren Idee Sie leicht
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errathen können. Wegen meines Pathchens hat er mir Unruhe zurück gelaßen,
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die ich wünschte eben so glücklich curirt zu sehen, als es meine schmachtende
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Ungedult wurde den 10 April – da ich Ihren letzten Brief erhielt ohne noch
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meinen Glückwunsch zum
Wilhelm Ludwich Ernst
abgestattet zu haben.
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Im Geist
ich
es
freylich
geschehen; aber daß es weder
Feder
noch
Mund
thun
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können, ist blos meine gänzliche
Unvermögenheit
zu reden und zu schreiben –
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Ohngeachtet aller meiner Talente im Eßen, Trinken, Schlafen wird mir
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mein Leben zur Last und ich bin gepreßt wie in einer Kelter. Ich muß von 7
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des Morgens bis 6 des Abends auf meinem Posten Schildwache halten ohne
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Arbeit als ein leidiges Lesen wodurch ich mich zu betäuben suche
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Zum Beschluß des vorigen Jahrs, wo mich zu gutem Glück ein zerstoßnes
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Schienbein einhalten mußte, erhielt ich eine Entscheidung der
Gen. Admin.
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die mir alles absprach. Meine letzte Arbeit war ein sehr politisches
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Danksagungsschreiben für diese
gnädige
Resolution,
die wider ihren Dank und
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Willen alle meine Absichten erfüllte. Daß die Wendung einigen Eindruck
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gemacht, war an dem Neujahrs
compliment
abzumerken, das mir der
Chef
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unsers
Departements
förmlich abstattete
en particulier.
Folglich eben so viel
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am Gegenwärtigen verloren als für die Zukunft gewonnen; nur immer
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Schade für uns sinnliche Menschen, daß diese so dunkel und jenes so helle ist.
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Ich bin mit meinen hiesigen Vorgesetzten auch auf guten Fuß – aber im
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Mistrauen zu leben, ist nicht für mein Gemüth, und kein Umgang der mein
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Herz füllt. Ein noch ärgerer
Genius
als mein eigner schwebt über alle meine
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hiesige Freunde. P‥
desertirt
von hier wie ein Betrüger und Schelm den
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26 März. Kreutzfeld besucht mich fast täglich, hat all sein Feuer, das er wie
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Schul
collega
zu haben schien als Prof. verloren. Kraus
algebraisirt
sich zum
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εαυτοντιμ
. u. s. w.
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Mein Hof und Gehöfte ist von den Erben gereinigt; das Geköche steht
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Gottlob! schön, an mannichfaltigen Besuchen fehlt es auch nicht; aber nichts
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Homogenes – –
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Das Gemüth voller niedrigen kriechenden irrdischen Nahrungssorgen. Ein
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wandelnd Todtengerippe an meinem armen Bruder vor Augen. Drey
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Gottlob! gesunde Kinder um mich herum, die ich weder Selbst zu erziehen im
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stande bin, noch etwas an ihrer Erziehung wenden kann.
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Bey allen diesen Kleinigkeiten meiner öffentl. u. häuslichen Lage zappelt
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mein armer Geist wie eine Fliege im Spinnengewebe und kann zu keinem
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Stand
punct
kommen, fühl mich eben so schwach andern als mir zu rathen,
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zu genießen und genoßen zu werden.
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Wenn ich nicht wegen der Einlage schreiben müste, hatten Sie, liebster
Herr
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bis zu meinem 50sten Geburtstag warten sollen: so unchristlich und
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unverzeyhlich Ihnen auch mein Stillschweigen hätte scheinen müßen.
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Nicht einmal ein
Silhouette
vielweniger eine Gipspuppe von meiner
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traurigen Gestalt. Wozu haben Sie mir nicht das Corpus des Weimarschen
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Gesangbuchs durch Hartknoch mitgeschickt. Sie wißen was ich für ein Freund
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von Liedern bin und wie andächtig mich ein Gesangbuch unterhalten wird
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vor dem Ihr Tauf- und Zunahme steht. Daß Sie ja eins fertig halten, wenn
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ich einen
Expressen
darnach schicke.
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Ihre und Lavaters Arbeitsamkeit ist ein Wunder in meinen Augen; aber
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ich danke Gott in meinen Windeln und Banden dafür
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Ich bin Kaufmann seit seiner Hochzeit eine Antwort schuldig und
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überhaupt Freunden und Feinden. Zu erstern hab ich das
Ver
Zutrauen
, daß Sie kein
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Arges davon denken werden; gegen Leute die mir gleichgiltig sind, kann ich
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mir eher ein wenig Zwang anthun. Kurz, wenn die Armen an Geist
seelig
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sind; so hoff ich Schadloshaltung –
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Den 14 des Morgens
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Dii Deaeque me perdant,
– und wenn Sie mich Todt schlügen ist es mir
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unmöglich einen Brief zu schreiben. Beunruhigen Sie sich nicht deshalb,
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liebster Herder! und entschuldigen Sie mich in Wandsbeck deshalb, bey unsern
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Freunden in der Schweitz, auch bey Kleuker, der mir seinen Pascal und den
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letzten Theil der
Zend-Avesta
zugeschickt hat.
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Ihre
Versuche
und
Plastick
habe verschlungen und alles übrige richtig
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erhalten. Kanter hat wider keine Meße gemacht, und in Hartungs Laden nehme
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nichts als für baar Geld. Ich habe also noch wenig neues vom Meßgut gesehen.
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Gott nehme Sie, Ihre beste Hälfte und Ihr ganzes Haus in Seinen
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gnädigen Schutz und seegne Sie täglich und reichlich.
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Wenn es Ihnen mögl. ist so erfreuen Sie mich bald – mit ein paar Zeilen,
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ohne sich meinetwegen zu beunruhigen. Ich hoffe daß alles zu meinem Besten
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gedeyen wird. Ich umarme Sie mit aller Innbrunst alter Freundschaft. Gott
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gebe Ihnen viel
Freude
zum bevorstehenden August und mir gute Nachrichten
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von meinem Pathchen. Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig Amen!
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 162–163.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 285–288.
ZH IV 24–27, Nr. 532.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
25/12 |
ich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ist |
25/12 |
freylich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: freilich |
26/8 |
Herr ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Herr, |
26/20 |
Ver Zutrauen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Zutrauen |
27/2 |
Freude ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Freude, |