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Ich erwarte selbige mit ehsten; lieber Papa. Der Weg über Danzig mit der
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Übersetzung wird doch nicht gar zu sehr in die Länge geschoben werden. Ich
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muß hundert Dinge unterdrücken, die sich niemals so gut schreiben als reden
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laßen; so gern ich das erste thue. Entschuldigen Sie meine Eilfertigkeit;
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versichern Sie sich von meiner ewigen Erkenntlichkeit. So furchtsam ich bin Sie
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zu beschweren; so sehr ich auch Alle die Unbeqvemlichkeiten weiß, die überhaupt
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mit anderen Angelegenheiten v insbesondere für Sie verbunden sind: so sehr
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verlaße ich mich gleichwol auf Ihre Liebe für Ihren Sohn v auf das gute
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Vertrauen daß ich Sie ohne Noth v bey leichteren Mitteln v. andern
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Umständen nicht überlästig seyn würde. Ich wünsche mir kein größer Glück als
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das Ende Ihrer Tage durch meine Hülfe Ihnen noch einmal angenehm zu
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machen v zu verhindern daß Sie sich Ihrer Zärtlichkeit gegen mich nicht
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gereuen laßen v ich bitte v hoffe diese Gnade von Gott. Bey meiner Jugend
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fordern Sie noch nichts mehr als den guten Willen v. bey der Erfahrung die Sie
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von den Wegen der liebreichen Vorsehung haben, versprechen Sie sich alles
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von derselben. Ich küße Ihnen mit der kindlichsten Ehrfurcht die Hände,
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empfehle mich Ihrem Gebet v. väterl. Herzen als
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Ihr gehorsamster Sohn.
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biß an mein Ende.
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Zärtlichste Mutter,
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Wenn es auf meine Wünsche ankäme, wie gerne wollte ich Ihnen alles Gute
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auf einmal gönnen. Ich bitte unterdeßen Gott, daß er Sie an Seel und Leib
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mit allen denjenigen begnadigen wolle, was
Sie
zu Ihrer geistl. v leibl.
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Wohlfart, v. was zu Ihrer Zufriedenheit gereichen kann. Der Sinn alles
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desjenigen, was ich Ihnen wünschen v schreiben könnte, fliest aus einem kindl.
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Herzen, das Ihre mütterliche Wohltaten v Zärtlichkeit ewig erkennen v nichts
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als Ihnen v der Vorsehung
gnä
dig
zu danken künftig lieber thun wird. Es
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fehlt mir jetzt an Zeit mehr zu sagen; es ist spät v. die Gelegenheit geht
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morgen in aller Früh ab. Setzen Sie Ihre bisherige Liebe Ihr treues Andenken,
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in dem Sie bisher so fest eingeschloßen haben, gegen mich fort. Sie überführen
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mich davon durch die Vorsorge, die Sie für meine kleine Wirtschaft tragen.
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Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit; v habe schon so viel Erfahrung
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daß uns Hemde nöthiger öfters als Rock, Westen v. Uhr sind. Noch bin ich
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Kinder Israels
2 Mo 8,2–6
zur Noth versorgt; unterdeßen lebe ich in keiner Wüste wie die Kinder Israels.
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Sie wißen daß ich 5 Hemde feine nämlich, mir habe machen laßen die ich
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bisher wenig getragen. Ich kann Ihnen aber meinen ganzen
Etat
(verzeyhen Sie
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Ihren lieben Sohn Fidibus ein klein franzöisch Wörtchen) jetzt nicht aufsetzen
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v behalte mir also den Gebrauch Ihrer geneigten Anerbietung künfftig vor.
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Gott erhalte Sie in allem erwünschten Wohl ohne daß Sie aber so viel für
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mich sorgen dürfen als Sie vielleicht jetzt thun. Ich küße Ihnen 1000 mal
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dafür die Hände v ersterbe Ihr g. S.
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Joh. George Ham.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (45).
Bisherige Drucke
ZH I 86 f., Nr. 34.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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gnä dig ]
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Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955): lies wohl freu dig Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): freu dig |