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S. 13
Mümmel
Memel, heute Klaipėda [55° 42′ N, 21° 8′ O]
Mümmel. den
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Nov.
1752.

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Herzlich geliebteste Eltern,

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Ich bin Gott Lob! in
Memel
gesund, glücklich und vergnügt angelangt.

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Friedrich David Wagner
, Nachbar der Fam. Hamann, vgl.
Hamann,
Gedanken über meinen Lebenslauf
, LS S. 324/39
Unsere erste Nacht wird Ihnen ohne Zweifel Herr Wagner erzählt haben. Seine

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Gesellschaft hat mir die erste Meile von Königsberg gute Dienste gethan;

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dafür Sie so gütig seyn werden ihm in meinem Namen Dank zu sagen. Ein

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gewißer Kaufgesell, HE.
Eckart,
der gleichfalls nach Riga geht, v. weil er

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schon in Liefland bekannt ist, auch eine liefländische Lebens Art besitzt, nebst

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Armenianer
wahrscheinlich Haggi Painter (Hadzi Bagender), ein Kaufmann
einem ehrlichen
Armenianer
aus Persien, der den guten Willen hat uns vieles

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aus seinem Lande zu erzählen, wenn er deutsch könnte, sind noch meine

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Muscheln
nicht ermittelt
Reisegefährten. Die andere Nacht haben wir in
Muscheln
Lager gehalten; v. sind

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Winde
über das Kurische Haff
Dienstags darauf gegen 7 Uhr mit dem besten Winde, bey sehr trüben Wetter

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aber Nachmittags um 4 angelandet. Wir ließen uns so gleich
Coffée
machen,

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speisten mit unserm Wirth darauf; v unterhielten uns biß zum Schlafen

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gehen mit einem Unter Officierer aus Rußischen Diensten, einem Herrn
von

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Palmstrauch.
Meiner lieben
Mama
zu gefallen, will ich noch berichten, daß

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Johann Gottfried Sperber (Wirt in Memel)
unser Wirth
Sperber
heist, ein Freund von den Königsbergischen v folglich

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Schuberten
nicht ermittelt
zugleich von der Frau
Schuberten
seyn muß; seine Frau liegt in Wochen.

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Heute ist Mittwoch früh, meine Schlafgesellen liegen noch ruhig im Bette.

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Ich habe noch nicht den Herrn
Diac. Hübner
besuchen können, denke aber

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nach dem Frühstück zu ihm zu gehen. Wills Gott! in meinem zukünftigen

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Briefe will ich berichten, was er mir guts sagen wird. Mein Schreibgeräth ist

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nicht das beste; die Buchstaben können daher auch nicht gerathen.

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Ich hoffe übrigens, daß meine liebe Mutter sich zufrieden geben wird. Ich

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habe den besten Fuhrmann von der Welt, ein rechtschaffener, bescheidner v

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liebreicher Mann. Herr
Eckart
besitzt alle Artigkeit eines Menschen, der zu

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leben weiß, er hat mich die erste Nacht unter seinem halben Pelz schlafen laßen,

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v gestern damit gleichfalls auf dem Haafe gedient. Herr Gehrke kann noch

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nicht aufwachen; ich habe also nicht nöthig mit meinem Briefe zu eilen.

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Ich kann mich Gott Lob; lieber
Papa,
über nichts beschweren, als daß ich noch

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in Wirthshäusern ein wenig zu blöde v. leutescheu bin. Ich verlange mit

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Schmerzen über die Preußische Gränzen zu seyn, v. der Fuhrmann macht uns

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Hoffnung heute noch ins Polnische zu führen. Herr Gehrke wünscht mir eben

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jetzt einen guten Morgen, er hat mir seinen Gruß an meine liebe Eltern zu

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machen aufgetragen. Zu Mittag fahren wir fort.

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Ich küße Ihnen die Hände, u. bitte beyliegenden Brief an meinen Bruder zu

S. 14
bestellen. Ich bitte mich dem Andenken aller guten Freunde, insbesondere der

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Frau Lieutenantin, Jgfr. Degner, dem HE. Mag. Lindner, HE.
Karstens,
dem

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Rentzen-
v.
Zöpfel
schen Hause zu empfehlen. Der liebe Gott erhalte Sie

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Liebau
heute Liepāja in Lettland [56° 31′ N, 21° 1′ O]
gesund, meine GeEhrteste Eltern; aus Liebau können Sie sich auch vielleicht

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ein paar Zeilen von mir versprechen. Ich vertraue mich der Göttl. Vorsehung

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u. Ihrem herzlichen Gebeth an, u. bin Ihr gehorsamster Sohn

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JG Hamann.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (2).

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 29–31.

ZH I 13 f., Nr. 5.